Kaffeeklatsch

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Vor Majas Wohnung angekommen, räusperte ich mich. „Ehm, willst du vielleicht mit rein kommen? Wäre doch blöd für dich, jetzt den ganzen Weg wieder zurück zu fahren und mich später wieder abzuholen."
„Klar, wenn deine Cousine cool damit ist. Ist aber auch kein Ding für mich jetzt wieder zu fahren. Also wie du möchtest." antwortete er.
„Sie wird bestimmt nichts dagegen haben." bestärkte ich und er schaltete den Motor des Wagens ab.
Wir gingen zusammen zur Haustür des Mehrfamilienhauses und ich klingelte.
„Wie heißt deine Cousine? Nur, damit ich mich da oben gleich nicht blamiere. Ich vergesse bei Vorstellungen den Namen grundsätzlich schon eine Sekunde nachdem mir die Person ihren Namen genannt hat."
„Maja heißt sie." antwortete ich.
„Ah, wie diese Biene, wa?" fragte er und ich musste lachen.
„Ja genau, wie die Biene."
Der Summer ertönte aus dem Lautsprecher vor uns und wir liefen hoch zu Majas Wohnung, die bereits im Türrahmen wartete.
„Oh hi." erstaunt über das männliche Mitbringsel an meiner Seite beobachtete sie, wie wir die letzten Stufen zu ihrer Wohnung nahmen.
„Ja hi. Sorry, es gab ein kleines Autoproblem und Felix war so gut mich spontan her zu fahren. Da dachte ich, er könnte ja auch mit hoch kommen." erklärte ich, als wir oben an kamen.
„Klar, gar kein Problem." sprach sie und streckte ihre Hand nach Felix aus. „Ich bin Maja."
„Felix." stellte er sich freundlich vor und grinste sie an.
„Hey, du bist doch dieser Comedian, oder?" fragte sie erstaunt, als sie ihn erkannte.
„Ja, der bin ich." amüsierte er sich.
„Warum hast du mir nicht erzählt, dass du für ihn arbeitest?" fragte sie mich leicht enttäuscht.
„Hätte ich ja heute getan." antwortete ich. „Lässt du uns auch rein, oder...?"
„Ah, ja klar, kommt rein." sprach sie und hielt uns die Tür zu ihrer Wohnung auf, während wir eintraten.
„Möchtet ihr einen Kaffee?" fragte sie.
„Ja, bitte." antworteten wir beide und nahmen an ihrem großen Esstisch platz.
„Das war aber wirklich nett von dir, Felix, dass du Oli her gebracht hast. Das würde nicht jeder Chef machen." sprach sie, während sie an der Kaffeemaschine verschiedene Knöpfe drückte.
„Oli?" mit hochgezogenen Augenbrauen und einem fetten Grinsen im Gesicht sah er mich an.
„Nenn mich ein Mal so und du bist tot." flüsterte ich ihm zu.
„Eh ja, wir haben auch nicht so die typische Chef-Angestellten-Beziehung." erklärte Felix, während er mich weiter angrinste.
„Das habe ich sofort gemerkt. Ihr wirkt so vertraut. Wie klappt das denn so? Ich meine, eine Beziehung zu führen, während man miteinander arbeitet?"
„Moooooment!" stoppte ich sie. „Ich glaube, du hast da was missverstanden. Wir sind nicht zusammen. Absolut nicht. Überhaupt nicht." machte ich klar.
„Oh, tut mir leid. Dann habe ich das falsch verstanden." lachte sie und reichte uns zwei Kaffeetassen.
„Naja" sie setzte sich zu uns an den Tisch. „Wie geht's denn deiner Mama und deinem Papa so?" fragte sie mich.
„Keine Ahnung." antwortete ich knapp und sie sah mich mitfühlend an.
„Immer noch Funkstille zwischen euch?"
Ich nickte und knibbelte mit meinem Daumen an der Tasse herum. Das war nun wirklich kein Thema, welches ich gerne vor Felix besprechen wollte.
„Wie läuft denn dein Studium?" wechselte ich schnell das Thema.
„Ganz gut, ich schreibe ab nächstem Monat meine Masterarbeit und dann bin ich fertig." freute sie sich.
„Was studierst du?" wollte Felix wissen.
„Medienwissenschaften." antwortete Maja.
„Krass. Dann wünsche ich dir viel Erfolg für den Master. Ich hab auch mal studiert."
„Ehrlich?" fragte ich ihn ungläubig und er lachte.
„Ja, Politikwissenschaften in Marburg. Wissen die wenigsten."
„Ich kann mir dich gar nicht als Student vorstellen."
„Ich mir auch nicht." witzelte er. „War aber so."
„Marburg soll schön sein." sprach Maja.
„Marburg ist krass schön, ja. Als ich damals von Berlin dahin gezogen bin, war das wie eine andere Welt für mich."
„Wie lange hast du dort studiert?" fragte ich neugierig. Diese Seite von Felix war für mich völlig neu.
„4 Jahre. Dann wurde das mit der Comedy n' größeres Ding und ich musste mich entscheiden. Weiter studieren oder alles hin schmeißen und auf gut Glück versuchen, was mit Comedy zu reißen." erklärte er.
„Hat ja gut funktioniert." merkte meine Cousine an.
„Zum Glück." lachte er und ich musterte sein Gesicht. Vielleicht hatte er recht. Vielleicht hatte ich wirklich ein falsches Bild von ihm. Für mich war er die meiste Zeit über ein arrogantes Arschloch mit großer Klappe und Napoleonkomplex, aber scheinbar tat ich ihm unrecht. Hinter der großen Klappe schien tatsächlich auch etwas zu stecken.
„Kann ich mal deine Toilette benutzen?" fragte er meine Cousine.
„Klar, hier rechts raus und gleich die nächste Tür links."
„Super, danke." sprach er und ging aus der Küche.
Maja sah mich sofort mit wackelnden Augenbrauen an. „Das ist ja mal n' Schnittchen." flüsterte sie mir zu.
„Ja, ich weiß." entgegnete ich und verdrehte die Augen.
„Hat der ne Freundin?"
„Nein."
„Worauf wartest du dann noch?" fragte sie entgeistert.
„Falls du es schon wieder vergessen hast: er ist mein Chef." erklärte ich.
„Na und? Und wenn er der amerikanische Präsident wäre. So wie er dich anschaut, ist es ihm auch egal, dass er dein Chef ist."
Skeptisch sah ich sie an. „Wie schaut er mich denn an?"
„Als würde er dich mit seinen Blicken ausziehen wollen."
„Hm." ich nahm einen Schluck aus meiner Tasse. So unwahrscheinlich war der Gedanke nicht, betrachtete man unser Gespräch von gestern Abend.
Felix setzte sich zurück an den Tisch.
„Ich habe auch Kuchen. Möchtet ihr ein Stück?" fragte Maja.
„Klar." antwortete ich und Felix stimmte zu. Noch eine ganze Weile unterhielten wir drei uns über Majas Studium, meine Arbeit und Comedy bevor Felix und ich uns wieder von ihr verabschiedeten, um zurück zum Hotel zu fahren.
„Danke, dass ihr da wart." verabschiedete sich Maja von uns.
„Danke, dass wir kommen durften." sprach ich und umarmte sie.
„Ja, war nett." entgegnete Felix und lächelte ihr zum Abschied freundlich zu.
„Lass ihn bloß nicht einfach laufen." flüsterte mir meine Cousine leise in's Ohr bevor wir uns voneinander lösten. Auf der Treppe warf ich ihr einen letzten Blick zu, bevor die Haustür vor mir in's Schloß fiel.
„Kann ich dich mal was fragen?" sprach Felix in die Stille hinein, als wir mit dem Auto losfuhren.
„Klar."
„Was ist mit dir und deinen Eltern?"
Ich wusste, dass diese Frage kommen würde.
„Wir haben verschiedene Ansichten von verschiedenen Dingen." brach ich es auf ein Minimum herunter.
„So schlimm?"
„Schon, ja." erwiderte ich und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Ich erinnerte mich daran, wie mein Vater immer öfter besoffen nach Hause kam und meine Mutter und mich grundlos anschrie. Irgendwann wurde es dann zum Alltag. Ein Mal war er kurz davor, mir eine zu verpassen, nur weil meine Schuhe nicht akkurat grade zu einander standen. Oft war meine Mutter kurz davor, mit mir abzuhauen und den Säufer seinem Schicksal zu überlassen. Und viel zu oft entschied sie sich doch wieder dagegen.
„Was kann so schlimm sein, dass man keinen Kontakt zu seinen Eltern haben möchte?" fragte er.
„Erzähl du es mir. Ich höre immer nur von eurem Vater. Du scheinst zu deiner Mutter auch keinen Kontakt zu haben." antwortete ich.
„Naja, wird auch schwierig. Meine Mutter ist tot."
Oh je, Kopfüber in's Fettnäpfchen, Liv.
„Oh, tut mir leid." ich sah ihn entschuldigend an.
„Schon gut. Konntest du ja nicht wissen."
Stumm fuhren wir weiter durch die Straßen Kölns, bis wir vor dem Savoy ankamen.
„Hast du Lust, noch was zu trinken? An der Hotelbar?" fragte Felix, als wir aus dem Mercedes ausstiegen. Ich überlegte kurz. Der Tag mit ihm hatte mir wirklich viel Spaß gemacht. Er hatte nicht einen einzigen blöden Spruch abgelassen und wir waren uns auch nicht gegenseitig an die Gurgel gesprungen. Darauf konnte man ruhig einen zusammen trinken.
„Klar, warum nicht?!" sprach ich und wir gingen zusammen in die Lobby des Hotels.

Alles albern (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt