10 Fang mich, wenn du kannst

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Sonnenstrahlen kitzeln meine Nase und durch mein Niesen werde ich geweckt. Blinzelnd öffne ich die Augen, welche sofort zur anderen Bettseite wandern. Leandro liegt auf dem Bauch und hat sein Gesicht seitlich zu mir gedreht.

Wenn er so da liegt, sieht er eigentlich ganz friedlich aus. Seine Gesichtszüge sind entspannt, nicht so hart und finster wie sonst und sein Atem geht ruhig und gleichmäßig. Er schläft noch.

Ich streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht und- Moment mal... Verwirrt betrachte ich den Rand des Bettes an dem noch immer die Handschellen befestigt sind. Allerdings hängen sie am Bett herunter und meine Hand ist frei. Wie ist das denn jetzt Möglich? Mein Blick huscht erneut zu Leandro, dessen Pose sich nicht verändert hat. Nein, er kann sie mir unmöglich abgemacht haben... Außer er wollte dass ich in Ruhe schlafen kann und nicht so unbequem liegen muss. 

Fast hätte ich bei dem Gedanken angefangen zu Lachen. Leandro und Mitgefühl? Nicht in diesem Leben.

Meine Handgelenke sind dünn, meine Hände auch nicht allzu groß. Sie müssen über Nacht einfach rausgerutscht sein, anders kann es nicht sein.

Ich schaue zur Tür. Dann wieder zu Leandro, dann wieder zur Tür. Solange er noch schläft, habe ich eine Chance. Er rechnet schließlich nicht damit das ich die Handschellen losbekommen habe...

Gesagt, getan. Mit einem letzten Blick auf Leandro erhebe ich mich langsam vom Bett und laufe auf Zehenspitzen in Richtung Tür. 

Die Hand an der Tür drehe ich mich zur Sicherheit noch einmal um. Doch er ist unverändert. Immer noch entspannte Gesichtszüge und gleichmäßiger Atem. 

Der Idiot schläft wirklich tief und fest, Ha!

Zu meinem Glück lässt sich die Tür auch noch öffnen, er hat also nicht abgeschlossen! Adrenalin rauscht durch meine Adern und ich glaube noch nie in meinem Leben habe ich so vorsichtig eine Tür geöffnet. Als ich endlich den Flur betrete und die Tür wieder leise geschlossen habe, atme ich erleichtert auf. Jetzt nichts wie raus hier. Wenigstens ist es diesmal hell.

Ich laufe die große Treppe hinunter, bedacht darauf, nicht zu fallen. 

Als mein Blick durch die Eingangshalle schweift, staune ich nicht schlecht. Dieser Mann scheint wirklich reich zu sein. Der Eingangsbereich ist groß und die riesige dunkle Tür muss wohl die Haustür sein. Links ist eine geschlossene Tür und rechts ein offenes Wohnzimmer mit Terrasse. Ein wahrhaftiger Traum. Allein sein Wohnzimmer ist 10x so groß wie meins. WoW!

Am liebsten würde ich mich im ganzen Haus umsehen gehen, aber unter diesen Umständen wäre das total bescheuert, also setze ich meinen Weg fort und renne förmlich auf die Haustür zu, ehe ich sie mit einem Schwung öffne.

Doch anstatt einer Straße mit vielen Autos und Menschen, sehe ich am Ende des großen Geländes nichts als Bäume. Um mich herum ist tatsächlich nichts als Wald! Innerlich fluche ich, jedoch ist es nicht zu ändern. Und so weit weg von der Zivilisation kann er schließlich auch nicht leben. Und wenn ich ein Stück renne, werde ich mit Sicherheit auch schnell die Stadt erreichen.

Noch einmal tief einatmend laufe ich also los. Ich jogge noch immer etwas vorsichtig über das Gelände in Richtung Ausgang. Drehe mich ständig zurück zur Villa um. Doch nichts. Alles bleibt unverändert. Unverändert still... Ich sollte mich freuen, dass es jetzt doch so einfach war und ich es doch tatsächlich nach draußen geschafft habe. Aber das mulmige Gefühl in mir wird immer größer, umso näher ich dem großen Eingangs Tor komme. Keine Wachen, keine gesicherten Hightech Zäune, keine knurrenden Hunde. Nichts. Alles scheint wie leer gefegt. 

Vielleicht hat Leandro auch einfach keine Wachen und sowas sieht man bloß in Filmen...               Trotzdem bleibt eine gewisse Skepsis in mir. 

Dunkles Vertrauen - Kein Weg zurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt