31 Gefangen

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Als ich die Augen öffne, ist es noch dunkel draußen, was mich darauf schließen lässt, dass es noch mitten in der Nacht ist. Kurz halte ich den Atem an, um in der Dunkelheit Leandros Atemzügen zu lauschen, doch im Zimmer ist es still. Meine Hand tastet nach dem Lichtschalter, und tatsächlich. Ich liege alleine im Bett. Hat er mich wirklich allein gelassen? Nach diesem Abend? Bestimmt holt er nur etwas zu trinken.

Noch immer im Halbschlaf versunken, wickele ich meinen Körper in die Decke ein und laufe zur Tür. Der Flur ist dunkel und wird lediglich durch den hellen Schein aus unserem Zimmer beleuchtet. Doch es genügt, um den Weg zur Treppe zu finden.
Auf Zehenspitzen tapse ich herunter, warum auch immer, denn jetzt brauche ich mich schließlich nicht mehr vor Leandro zu fürchten. Er war so zärtlich zu mir und irgendwas hat sich verändert. Da bin ich mir sicher.

In meiner Ekstase finde ich den Weg zur Küche, doch es ist, wie im restlichen Teil der Villa, dunkel.
,,Wo ist er denn?" murmele ich vor mich hin und drehe mich wieder um. Eigentlich könnte es mir egal sein, doch ich möchte jetzt einfach nicht alleine sein. Nicht nachdem, was wir hatten.

Kurz bevor ich den Ansatz der Treppe erreiche, höre ich einen dumpfen Schlag unter mir. Die Tür links neben mir, sieht gerade so einladend aus. Sie ist einen Spalt geöffnet und ich bin mir sicher das Geräusch kam von da. Aus dem Keller. Um diese Uhrzeit werden wohl kaum noch Angestellte hier unten sein. Also muss es Leandro sein.

Noch immer der festen Überzeugung, ich könnte ihn zu mir ins Bett holen, laufe ich kurzerhand die Treppenstufen hinunter. Die gedämpften Deckenlampen spenden mir ein wenig Licht, doch insgeheim frage ich mich, ob das hier eine gute Idee ist. Was wenn Leandro wieder wütend wird? Was wenn ihm die Nacht egal war und er mich noch immer als seine Gefangene betrachtet?
Ich schüttele den Kopf. Unmöglich. Er war so zärtlich zu mir, es kann ihm einfach nicht egal gewesen sein.

Auf dem Kellerflur gibt es mehrere Türen und nachdem ich ein paar Klinken heruntergedrückt habe, stelle ich enttäuscht fest, dass alle abgeschlossen sind.

,,Sprich endlich!" Leandros drohende stimme hallt durch den Gang und ich zucke bei der Lautstärke erschrocken zusammen. Auf seine Worte folgt erneut dieser dumpfe Schlag und ich meine jemanden aufstöhnen zu hören.

Mit gerunzelter Stirn folge ich den Lauten, doch jeder meiner Schritte wird zweifelnder. Die dumpfen Geräusche entpuppen sich als Schläge. Es hört sich an wie bei einem wilden Boxkampf, indem immer wieder aufeinander eingeschlagen wird. Nach jedem Schlag stöhnt jemand schmerzvoll auf und ich fasse mir ängstlich an die Brust, als ich nun direkt vor der Tür stehe, aus der die Geräusche kommen. Augenblicklich mischt sich Sorge in mein Gesicht. Was ist wenn jemand Leandro gerade etwas antut?

Ohne zu zögern umschließe ich die Decke um meinen Körper fester und öffne mit einem Ruck die Tür. Doch was ich sehe schneidet mir die Luft ab. Es fühlt sich an wie ein Schlag in die Magengrube, als ich Marcelos halbtoten Körper von der Decke herab baumeln sehe. Er hängt an den Handgelenken mit einem Seil befestigt herab und seine Lieder sind halb geschlossen. Sein nackter Oberkörper ist übersäht mit blauen Flecken und tiefen Schnitten, die teilweise frisch und teilweise schon leicht verkrustet sind.

,,Oh mein Gott" hauche ich geschockt und hebe zitternd die Hand vor meinen Mund.
Leandro dreht sich von Marcelo weg und sieht mich an. Seine Pupillen weiten sich geschockt. Er hat hier unten nicht mit mir gerechnet.
Mein Blick wandert zu seinen Blutverschmierten Händen und ich weiche einen Schritt zurück. 

,,Bitte" höre ich Marcelo mit aller Kraft quälend aufstöhnen. Mit aufgerissenen Augen schaue ich ihn wieder an. Hilf ihm. Lauf weg. Hilf ihm. Lauf weg.

Die Stimme in meinem Kopf scheint zu explodieren.

,,Katrina" Leandro kommt einen Schritt auf mich zu, die Hände dabei beschwichtigend auf den Boden gerichtet.

Dunkles Vertrauen - Kein Weg zurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt