13 Ein alles entscheidender Schuss

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Abrupt stehe ich auf, wobei ich mir die verwirrten Blicke meiner Freundinnen ernte.

,,Äh ich...muss kurz aufs Klo" lüge ich und husche davon. Wenn ich sie einweihe, machen sie durch ihr aufgeregtes quietschen wahrscheinlich nur jeden auf uns aufmerksam. Zum Glück ist die Konditorei so groß und besitzt mehrere Ausgänge. So kann ich mich unbemerkt an den beiden Polizisten vorbeischleichen und nach draußen gelangen.

Gesagt, getan. Mein Blick schweift über die komplette Straße, die Gehwege, alles. Doch ich kann Martinez nicht mehr entdecken. Hab ich mir das alles etwa nur eingebildet? Jetzt beginnt mein Verstand mir auch noch Streiche zu spielen. Ich atme frustriert durch. Leandro hat das Land längst verlassen. Und selbst wenn nicht, wieso sollte er hier mit Jamila auftauchen? In der Öffentlichkeit? Und dann auch noch so mit ihr herumalbern? Er hat sie entführt. Da würde sie niemals glücklich lächelnd mit ihm durch die Straßen laufen. Mein Verstand spielt einfach nur verrückt.

Ich drehe mich gerade um und möchte wieder zurück gehen, als mein Handy in meiner Hosentasche beginnt zu vibrieren.

Unbekannte Nummer

,,Hallo" frage ich in den Lautsprecher ,,Hallooo?!" Okay zugegeben, das klang jetzt nicht nett. Aber wenn ich etwas abgrundtief hasse, dann sind es Telefonstreiche.

,,Darling, nicht gleich ungeduldig werden. So kenne ich dich ja gar nicht" Bei dem Klang seiner Stimme stockt mir der Atem und meine nächsten Worte kommen nur zitternd aus mir heraus.

,,Leandro" hauche ich ,,Wo bist und wieso rufst du mich an und woher hast du überhaupt meine Nummer, ich-"

,,Na na na na na, nicht so viele Fragen meine süße. Lass uns ein Spiel spielen" raunt er ,,Du darfst dir eine deiner Fragen aussuchen und ich beantworte sie dir. Aber nur eine, also überleg dir gut welche du wählst"

,,Wo bist du?" schießt es sofort aus mir heraus, was ihn leicht zum Lachen bringt.

,,Aber Darling, das weißt du doch. Du hast mich schließlich gesehen" schmunzelt er. Mein Verstand hat mir keinen Streich gespielt! Er war es wirklich! Mit Jamila!

,,Das war vor 10 Minuten, sag mir wo du jetzt bist" fordere ich aufgeregt.

,,Na gut" beginnt er langsam ,,Ich stehe hinter dir". Voller Adrenalin drehe ich mich um, doch hinter mir steht niemand, was mich auf der einen Seite frustriert, auf der anderen aber auch durchatmen lässt. Ich höre ihn wieder am Telefon lachen. Dieser Mistkerl!

,,Sehr witzig" sage ich ironisch. ,,WO BIST DU?"

,,Ach Darling, lass mir doch den kleinen Spaß. Du bist immer so schnell eingeschnappt". Ich atme wütend durch, dieser Mann bringt mich noch ans Ende meiner Kräfte. Vielleicht wäre es besser jetzt Verstärkung zu rufen. Wenn Leandro wirklich hier in der Öffentlichkeit mit Jamila unterwegs ist, werden es spätestens die Kameras von irgendwelchen Läden beweisen.

,,Sie dich doch nochmal um" höre ich ihn erneut sprechen. Und genau das tue ich. Ich lasse meinen Blick noch einmal überall hin schweifen und tatsächlich! Am Ende eines langen Gebäudes steht ein Mann mit einem Handy am Ohr. Nein, nicht irgendein Mann. Es ist Leandro, das würde ich aus 1000m Entfernung erkennen. Meine Haare sträuben sich auf und die Aufregung in mir wächst. Ich sollte wirklich Verstärkung holen. Ich sehe ihm direkt in die Augen und obwohl uns bestimmt 150m trennen, kann ich sein belustigtes funkeln darin erkennen. Seine Hand erhebt sich und er winkt mir mit einem grinsen auf den Lippen zu.

,,Du kannst mich nicht provozieren" spreche ich verbittert ins Telefon.

,,Oh, ich glaube doch" gibt er zurück. Als dann auch noch das gewohnte piepen nach dem beenden eines Anrufs ertönt, verliere ich komplett die Fassung und laufe einfach auf ihn zu. Oder eher gesagt ich renne. Die Menschen um mich herum beginnen mich schon komisch anzusehen, doch das ist mir egal. Diesmal wird mir Leandro nicht davon kommen. Schon gar nicht wenn Jamila wirklich am leben ist. Ich werde sie retten. Und ich werde eine Heldin sein. Diesmal wird es klappen.

Die Ecke in die er verschwunden ist, führt in eine Sackgasse. Ha! Damit hat der Vollidiot wohl nicht gerechnet.

,,Sieht aus als hättest du mich gefangen, kleine policìa" grinst er. Oh, das wird ihm sicher gleich vergehen. Ich ziehe meine Waffe, die ich mir zur Sicherheit eingesteckt habe und ziele sie direkt auf ihn.

,,Nimm die Hände hoch" rufe ich laut, doch meine Stimme klingt längst nicht so taff, wie ich es gehofft hatte. Doch komischerweise kommt Leandro meiner Aufforderung direkt nach.

,,Gut und jetzt sag mir wo Jamila ist" fordere ich ihn weiter auf und sehe mich dabei leicht um, als könnte sie in irgendeiner Ecke hocken.

,,Na das habe ich dir doch schon mal verraten, Darling. Ich habe sie umgebracht" spricht er ruhig.

,,Du lügst" sage ich laut und schüttele dabei mit dem Kopf ,,Ich habe sie mit Dir gesehen und deine...deine Männer haben ihr einen Donut gekauft" Er will mich bloß manipulieren, damit ich denke, ich sei verrückt. Aber das wird nicht klappen, ich weiß was ich gesehen habe.

,,Und aus welchem Grund sollten meine Männer ihr einen Donut kaufen?" seine Stimme ist so ruhig, dass es schon wieder beängstigend klingt.

,,Ich...ich weiß es nicht aber ich habe es gesehen" beharre ich.

,,Dann hast du es dir wohl eingebildet, Darling" wieder dieses Grinsen. Hat dieser Mann Provokation studiert?

,,Schluss jetzt" sage ich mit fester Stimme ,,Es ist vorbei, du wirst dich jetzt langsam umdrehen und die Hände bleiben schön oben, verstanden?" Ich gehe vorsichtig auf ihn zu, die Waffe noch immer auf ihn gerichtet.

Doch anstatt meiner Bitte auch diesmal nachzukommen, nimmt er seine Hände runter.

,,Was wird das?" frage ich und verfluche innerlich meine Stimme, aus der meine Nervosität deutlich rauszuhören ist.

Leandro antwortet nicht, stattdessen wandert seine Hand weiter hinter seinen Rücken. Es dauert bloß Sekunden, bis er eine Waffe gezogen hat und sie nun auch auf mich richtet.

Mist

,,Nimm sie runter oder ich werde schießen" befehle ich.

Keine Reaktion. Ich fordere ihn noch einmal auf die Waffe runterzunehmen, aber er reagiert nicht.

Durch meine Maßlose Überforderung, tue ich das einzige was mir in dieser Situation in den Sinn kommt. Ich kneife die Augen zusammen, warum auch immer, und drücke ab. Doch anstatt eines lauten Knalls, bleibt es still. Ich öffne meine Augen und Leandro steht noch immer vor mir, seine Waffe auf mich gerichtet.

,,Wie klischeehaft" beginnt er zu lachen, während ich ihn bloß geschockt ansehe. Ich wollte ihn gerade erschießen und das einzige was er tut ist lachen?!

Er kommt weiter auf mich zu, was leichte Panik in mir verursacht. Ich gehe einen Schritt zurück und drücke erneut ab. Doch schon wieder passiert nichts.

,,Wieso geht das denn nicht" frage ich mich selbst während ich immer wieder den Abzug betätige. Als ich zum 8. Mal den Abzug drücke, ertönt endlich mein herbei ersehnter Schuss. Für einen Moment spüre ich Erleichterung durch meinen Körper fließen. Aber nur solange, bis ich bemerke, dass es nicht mein Schuss war, der abgefeuert wurde.

Wie von selbst wandert meine Hand zu meinem Bauch, während meine Waffe zu Boden fällt. Auf meinem Pullover bildet sich ein immer größerer Blutfleck und ich Blicke zu Leandro. 

Er sieht mich ebenfalls an und lässt dabei seine Waffe langsam sinken. Ist es Verwirrung? Ist es Sorge? Oder ist es Erleichterung in seinem Blick? Ich kann es beim Besten Willen nicht erkennen. Aber irgendwas ist da. Irgendein Ausdruck liegt in seinem Gesicht, den ich bisher noch nicht bei ihm gesehen habe. Und ich weiß, dass ich diesen nicht so schnell wieder vergessen werde. 

Meine Beine geben nach und lassen mich zusammenbrechen. Ich versuche Wach zu bleiben, zu kämpfen, zu überleben. Doch die Müdigkeit, die mich plötzlich überkommt ist zu stark und reißt mich für immer mit in ihre Dunkelheit.


Dunkles Vertrauen - Kein Weg zurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt