59 Provokation

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Es sind ein paar weitere Tage vergangen. Meine Eltern mögen Leandro, selbst mein Vater. Das ist schon mal ein großer Schritt in die richtige Richtung. Allerdings rückt mit der weiteren Zeit, die vergeht auch der Tag, an dem ich meinen Eltern von der Schwangerschaft erzählen muss, näher. Immer näher. Aber wie soll ich es ihnen sagen? In ihren Augen kenne ich Leandro erst seit kurzer Zeit. Und nach kurzer Zeit sollte man noch nicht Schwanger sein. Man sollte sich erst kennenlernen, eine Zukunft zusammen aufbauen, heiraten. 

Stöhnend reibe ich mir mit der Hand übers Gesicht, während ich Leandro dabei betrachte, wie er sich im Badezimmer die Haare gelt. Er hat die Badezimmer Tür dabei aufgelassen und wirft mir hin und wieder einen Blick durch den Spiegel zu, so als wolle er sich vergewissern, dass ich noch da bin. Aber wo sollte ich auch anders hin? Jetzt, wo ich freiwillig hier bin, braucht er sich keine Gedanken machen, ich würde fliehen. Ich habe keinen Grund dazu. Ich kann gehen wann ich will.

,,Ich werde heute Abend nach London fliegen. Ich habe ein wichtiges Geschäftsmeeting" sagt er, während er sich ein letztes Mal über den Anzug streicht. 

Nach London... So spontan? Oder hat er es mir einfach erst jetzt gesagt, obwohl er es schon früher wusste?

,,Oh okay, das ist ziemlich spontan" 

,,So ist das in der Geschäftswelt" er drückt beim rausgehen kurz meinen Arm und entfernt sich anschließend wieder von mir. Er ist die letzten Tage kein einziges Mal grob zu mir gewesen und trotzdem kann ich nicht sagen, ich wäre zu 100% glücklich. Das er mich gebeten hat, zurück zu ihm zu kommen, hat mein Herz Purzelbäume schlagen lassen. Er hat mir ja auch mehr oder weniger gesagt, dass er in mich verliebt ist. Dass er mich liebt. Trotzdem habe ich in den letzten Tagen noch kein einziges Ich liebe dich gehört. Ich meine, ich habe es auch noch nicht direkt gesagt, aber... naja ist es so falsch zu wollen, dass der Mann den ersten Schritt macht? Nach allem was zwischen uns wahr, habe ich tief in mir drin einfach noch immer die Angst von ihm verletzt zu werden. Und würde ich die 3 Worte zuerst sagen, würde ich mich wahnsinnig verletzlich machen. Das ich sie schon einmal gesagt habe, hat nur genau das bewiesen. Und die Angst, er könnte die Worte wieder nicht erwidern, ist einfach zu groß.


So vergeht dann auch der restliche Abend. Leandro ist schätze ich weg. Er hat mir nicht nochmal richtig Tschüss gesagt. Der Knuff in den Arm, war wohl seine Verabschiedung.

Um 21 Uhr mache ich meinen spät abendlichen Besuch in der Küche. Abendessen gibt es immer schon gegen 18 Uhr und bis zum Morgen ist es eine lange Zeit. Seit der Schwangerschaft muss ich ständig irgendwelche Snacks in mich reinschaufeln. Am liebsten würde ich mir einen Minikühlschrank nebens Bett stellen. Oh ja, was ein Träumchen.

Im Kühlschrank entdecke ich noch ein paar Weintrauben und Käsespieße. Ela habe ich bereits von der Schwangerschaft erzählt. Sie hat sich so wahnsinnig gefreut, dass sie beinahe in Ohnmacht gefallen wäre.

Ich bekomme ein zweites Enkelkind! Ein zweites Enkelkind! Hat sie die ganze Zeit gerufen. Und ich bin mir sicher, hätten wir Nachbarn, wäre sie nach draußen gelaufen und hätte es allen erzählt. 

Ich finde es süß, dass sie es als ihr zweites Enkelkind ansieht, wo Leandro streng genommen ja gar nicht ihr Sohn ist. Aber sie behandelt ihn wie einen. Sieht ihn an wie einen. Und das ist schön mit anzusehen. 

Jedenfalls ist sie, seitdem sie es weiß, nicht mehr aufzuhalten. Sie kocht und macht alles ohne das ich auch nur den kleinsten Wunsch äußern müsste.

Ich habe Lust auf Lasagne? Steht bereits im Ofen.

Ich möchte Käsespieße? Sind bereits im Kühlschrank.

Dunkles Vertrauen - Kein Weg zurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt