67 Anschlag

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Es ist ein weiterer Tag vergangen. Ich komme gerade vom Mittagessen und bin schon fast aufgeregt, als ich die Schlafzimmer Tür öffne. Aber nichts erwartet mich. Keine neuen Blumen, keine Briefe, kein Leandro, der sich etwas neues hat einfallen lassen.

Aber ist es nicht eigentlich genau das, was ich wollte? Dass er aufhört mit seinen überteuerten oder nichts wiedergutmachenden Geschenken? Eigentlich schon. Trotzdem umfasst mich eine leichte Enttäuschung, als ich feststelle, dass das Schlafzimmer noch genau so aussieht, wie ich es vor einer Stunde verlassen hatte.

Wahrscheinlich hat er es jetzt aufgegeben. Aber ich kann es ihm nicht verübeln, schließlich war ich diejenige, die seine Geschenke weggeschmissen oder verschenkt hat. Naja alle bis auf ein Geschenk. Die Käsecracker liegen noch immer auf der Nachttischschublade.

,,Na mein süßer Engel, hast du noch Hunger?" flüsternd streiche ich mir über meinen Bauch, dessen Rundung Woche zu Woche größer wird.

Ich schnappe mir die Tüte und fange an die ersten Cracker daraus zu essen.

,,Fantastisch" stoße ich mit vollem Mund aus und lege mich dabei aufs Bett. Wird dieser Hunger und diese übergroße Fresslust jemals wieder verschwinden? Wenn nicht, werde ich wahrscheinlich auch nach der Schwangerschaft aussehen, als wäre mein Baby noch in mir. Egal. Solange es wirklich noch in mir ist, habe ich eine Ausrede für die Mengen an Essen, die ich täglich verdrücke.


Keine 20 Minuten später ist die Tüte zu meinem entsetzen leer. Hätte er mir anstatt diesem überteuerten Armband nicht lieber ein paar mehr Chips kaufen können? Wenn er mich schon mit Geschenken zu schütten will, dann sollten es zumindest sinnvolle sein...

Da sich die Tüte durch anstarren, auch nicht wieder auffüllt, robbe ich mich schließlich auf und gehe ins Bad, um mir die Hände zu waschen. Beim rausgehen, entscheide ich mich dafür eine dünne Jacke überzuziehen und ein wenig an die frische Luft zu gehen. Ich verbringe zu viel Zeit im Haus. Das ist nicht gut für das Baby. Denke ich.

,,Wo möchten Sie hin, Miss?" Der Mann vor der Eingangstür sieht mich fragend an.

Keine Sorge ich werde schon nicht weglaufen, würde ich ihm am liebsten zuschreien, entscheide mich dann aber lieber dagegen und sage stattdessen bloß, dass ich ein wenig frische Luft schnappen will.

Mit zögerndem Blick lässt er mich schließlich passieren. Hier im Garten kann ich doch sowieso nicht weglaufen und das Tor ist, wie immer, verschlossen.


Als ich nach einer Stunde im Garten rumschlendern schließlich wieder nach drinnen gehe, ist mir ein wenig kalt. Letztens war es noch so ein warmer Tag und heute ist es wieder so heruntergekühlt. Ich hasse diese plötzlichen Temperaturwechsel.

Ich laufe die Treppe schneller hoch als sonst. Ich nehme zwei Stufen auf einmal und es dauert keine 10 Sekunden, da bin ich vor der Schlafzimmertür angekommen. Ich habe nichts erwartet. habe mit nichts gerechnet. Und es wäre mir definitiv lieber gewesen, wenn auch nichts wäre.

Aber stattdessen ist jemand auf meinem Bett.

Lia.

Kurz erfüllt mich eine unbeschreibliche Panik und ich fasse mir mit der Hand direkt an den Bauch, doch als ich Leandro ein paar Meter neben dem Bett stehen sehe, beruhige ich mich wieder ein wenig. Sie ist also nicht hier um mir etwas anzutun, sonst wäre Leandro schließlich nicht hier.

,,W-was soll das" hauche ich nach ein paar Sekunden. Ihre Augen sehen mich an, aber ihr Blick sieht durch mich hindurch und umfasst nichts als leere.

Leandro antwortet nicht und dreht seinen Kopf bloß zu Lia, die noch immer unberührt auf der Bettkante sitzt.

Dunkles Vertrauen - Kein Weg zurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt