Dunkles Vertrauen - Kein Weg zurück

Epilog

Die Zwillinge sind mittlerweile 4 Jahre alt. Genau vor einem Jahr im Sommer haben Leandro und ich geheiratet. Auch wenn ich es nicht für möglich gehalten hätte, verläuft mein Leben wie ein Traum. Nachdem Melodie und Artur auf der Welt waren, hat sich Leandro weitestgehend aus allen Geschäften zurückgezogen. Er hat in den letzten Jahren so viel Geld verdienen können, dass es kein Problem war, jetzt weniger zu bekommen. Ich habe letztes Jahr wieder meinen Job als Polizistin aufgeholt und unser Leben ist jetzt das, einer ganz normalen Familie.

Jamila vergöttert die Zwillinge. Vor allem mit Artur ist sie ständig am Quatsch machen. Wenn Leandro und ich mal ein wenig Zeit für uns brauchen, ist Ela immer da, um sich um die kleinen zu kümmern. Aber auch bei meinen Eltern verbringen sie regelmäßig mal ein Wochenende. Lucia ist ganz besonders vernarrt in Melodie. Aber wer könnte das nicht sein? Sie ist hinreißend.

Jeden Tag liegt Lu mir in den Ohren, dass sie etwas mit Melodie unternehmen möchte. Einen Ausflug in die Eisdiele oder einfach nur zusammen in den Park. Doch das ist gar nicht so einfach, da Leandro sie meistens nicht hergeben möchte. Ja, wer hätte es gedacht? Leandro, der vor der Geburt der beiden immer nur von seinem Sohn gesprochen hat, Leandro der nie eine Tochter wollte. Genau dieser Leandro vergöttert sie nun. Schon als er Melodie das erste Mal im Arm gehalten hat, konnte ich seinen Blick sehen. Er hat sich in sie verliebt und das wahrscheinlich mehr, als er jemals geglaubt hätte, es zu können. Sie ist nicht nur seine kleine Prinzessin. Sie ist seine Königin. Und während er mit unserem Engel Zeit verbringt, kümmere ich mich um unseren Sohn. Ich weiß nicht, wie Leandro als kleiner Junge war, aber ich kann mir vorstellen, er war exakt wie Artur. Artur ist ein lebendiges, kleines Kind, der jede Gelegenheit nutzt, um irgendetwas dummes anzustellen. Letzte Woche hat er sich auf dem nachhause Weg von der Kita 3 Frösche in die Hosentasche gesteckt und ich habe es nicht bemerkt. Ela schon. Nämlich dann, als sie vor 3 Tagen seine Hose waschen wollte und ihr die Toten Tiere vor die Füße fielen. Sie hat so laut geschrien, dass ich dachte ihr wäre etwas passiert. Sogar Leandro hat bei ihrem Schrei einen Schrecken bekommen. Und unser kleiner Teufel? Er hat gelacht. So sehr ich die Bindung zwischen Leandro und Melodie auch Liebe, manchmal wünsche ich mir, er würde mehr Zeit damit verbringen unserem Sohn Grenzen aufzubringen. Nicht zu vergessen der Moment, in dem Artur einem anderen Jungen vors Schienbein getreten hat, weil dieser Melodie an den Haaren gezogen hat. Ich habe mit Leandro darüber gesprochen und ihn gebeten mit Artur zu reden und ihm zu sagen, dass das so nicht geht. Gewalt ist keine Lösung. Und nein, Leandro hat ihn nicht dafür bestraft. Er hat mit ihm abgeklatscht und ihm durchs Haar gewuschelt, als hätte er eine 1 in der Schule geschrieben. Manchmal habe ich das Gefühl keine 2 Kinder großziehen zu müssen, sondern gleich 3.

Heute ist ein warmer Tag und wir sind nach längerem Mal wieder alle zusammen zum Spielplatz. Leandro und Melodie sind im Sandbereich eine Sandburg bauen. Anstatt ihnen lächelnd dabei zuzusehen, ruhen meine Augen auf Artur, der wieder irgendetwas vom Boden aufsammelt und es sich in die Taschen steckt. Wieso kann er nicht so sein wie alle anderen Kinder und einfach auch mit seinem Vater und seiner Schwester Sandburgen bauen? Manchmal wenn ich die Zwillinge anschaue frage ich mich, wie es sein kann das die beiden so verschieden sind.

,,Mami sieh nur ich hab ein Geschenk für dich" Artur kommt auf seinen kurzen Beinchen auf mich zu gerannt und streckt mir aufgeregt grinsend die Faust entgegen. Ich halte ihm meine offene Hand hin. Fehler! Ich hätte wissen müssen, dass er mir nicht einfach, wie andere Kinder einen Stein schenkt. Stattdessen fällt ein kleiner Regenwurm in meine Hände, der sich augenblicklich zu winden beginnt.

Mein wildes aufkreischen bringt Artur zum lachen und er rennt davon, bevor ich ihn erwischen kann.

,,Leandro!" rufe ich wütend, doch der scheint von der Szene wenig beeindruckt und gibt lieber Melodie einen liebevollen Kuss auf den Scheitel. Vater Tochter Liebe hin oder her, er soll verdammt nochmal dafür sorgen, dass Artur sich nicht immer schleimige Tiere in die Taschen steckt!

Am Abend bringt Leandro die Kinder ins Bett, sodass ich es mir schon mal mit einer Flasche Wein auf der Couch gemütlich machen kann.

,,Was ein Leben, hm?" Leandro lässt sich zufrieden neben mich aufs Sofa fallen.

,,Die beiden sind so lieb, ich bin froh dass sie so gut erzogen sind" er lächelt mich an, doch ich werfe ihm bloß einen spielerisch mürrischen Blick zu.

,,Ja Leandro, Melodie ist lieb. Aber wegen Artur werde ich vor Sorge wahrscheinlich irgendwann einen Herzinfarkt bekommen!"

,,Ach, mach dir wegen den paar Fröschen und Insekten keine Gedanken Er ist ein Kind, das ist normal"

Bevor ich etwas darauf erwidern kann, hören wir, wie die Haustür zugeschlagen wird und ich springe alarmiert auf.

,,Was war das?"

,,Entspann dich, bestimmt nur Ela, die gekommen ist. Sie war doch heute Abend mit Freundinnen essen, schon vergessen?"

,,Leandro, ELA IST SCHON SEIT 2 STUNDEN WIEDER ZUHAUSE" Ich renne förmlich zur Haustür. Ja, manchmal komme ich mir vor, wie eine Helikopter Mutter, aber das kann man nur verstehen, wenn man selbst Kinder hat.

Als ich die Haustür öffne und nach draußen spähe, sehe ich Artur, der gerade dabei ist mit seinem kleinen Winnie Pooh Rucksack zum Tor zu spazieren.

,,Artur!" Ich laufe auf ihn zu und packe ihn am Arm ,,Was tust du denn da? Papa hat dich doch gerade ins Bett gebracht!" Er sieht mit seinen kleinen unschuldigen Augen zu mir auf, die exakt wie die seines Vaters glänzen.

,,Mami, ich mache jetzt eine Weltreise. Aber mach dir keine Sorge, ich komme zum Mittagessen zurück" damit löst er seinen Arm von mir und führt seinen Weg fort. Ich kann ihm nur perplex hinterhersehen, ehe ich nach Leandro brülle.

,,Leandro, komm sofort her! Dein Sohn hat mir gerade verkündet, er will uns verlassen und eine Weltreise machen!"

- ENDE -