44 Geständnis

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Nachdem Lucia mir alles über ihre Gefangenschaft erzählt hat und wie die Entführung damals für sie war, bleibt mir nur noch der Mund offen stehen. Sie wurde damals nie verletzt. Niemand musste sie betäuben oder mit Gewalt in ein Auto ziehen. Sie ist freiwillig mit unserem Großvater mitgegangen. Aber was hätte man auch erwarten sollen? Sie war neun Jahre alt. Welches kleine Mädchen kann in diesem Alter schon alle möglichen Gefahren perfekt abschätzen?

,,Das tut mir alles so leid, Lucia" Ich meinte meine Worte ernst. Sie wurde aus unserer damals perfekten kleinen Familie hinausgerissen. Nur um dann all die Zeit gegen ihren Willen festgehalten zu werden.

,,Nein, es ist okay. Wirklich. Es... es ging mir nicht immer schlecht" sie spielt nervös an ihren Fingerkuppen ,,Wie gesagt, ich war noch jung und... und Diego... er war damals auch erst 15... So gesehen ist er wie ein großer Bruder geworden"

,,Ein großer Bruder?" werfe ich verwirrt ein. Ein großer Bruder würde ganz sicher niemals seine kleine Schwester heiraten. Und sie schon gar nicht gegen ihren Willen anfassen oder gar schlagen.

,,Ja... es ging mir gut. Ich meine klar, ich habe sehr viel geweint... ich habe euch vermisst und wollte nachhause. Aber Grandpa sagte, ihr hättet mich nicht mehr gewollt und ich könnte nicht mehr zurück. Was wirklich passiert ist, habe ich erst viel später Begriffen. Als ich 16 wurde habe ich mich nach draußen geschlichen. Ich meine, welche Teenager machten so etwas nicht?" Sie lacht nervös auf ,,Ich war das erste Mal alleine draußen und... ich habe mein Gesicht auf der Zeitung gesehen. Eigentlich wollte ich bloß Bier kaufen aber... Naja als ich mich dort sah... ich wusste nicht, was das alles bedeuten sollte. Ich konnte den Artikel gerade zur Hälfte lesen, da hat mich jemand gepackt und aus dem Laden gezerrt. Sergios Männer haben mich zurückgebracht und..."

,,Und was?"

,,Und da hat er mich zum ersten Mal geschlagen. Auch Diego hat es getan. Da wusste ich, dass ich längst nicht mehr freiwillig dort war. Ab dann hat sich alles geändert. Ich wurde eingesperrt, geschlagen und irgendwann kam Sergio mit der Verkündung, ich würde Diego Heiraten. Ich wollte das alles nicht" Tränen glänzen in ihren Augen und ich drücke leicht ihre Hand. Sie soll wissen, dass ich für sie da bin.

,,Lucia... ich... ich muss es dich fragen. Hat Diego dich vergewaltigt?" Ihre Augen weiten sich geschockt bei meiner Frage, doch sie fängt sich schnell wieder.

,,Nein... er... er musste warten bis zur Hochzeitsnacht. Ich sollte rein bleiben bis dahin" Erleichtert stoße ich die Luft aus, von der ich nicht mal bemerkt habe, sie angehalten zu haben. Ich wüsste nicht was ich hätte tun sollen, wenn er sie so Missbraucht hätte.

Ich drücke sie fest an mich und kann immer noch nicht fassen, sie nach all den Jahren endlich wieder in meinen Armen zu halten... lebendig.

,,So... genug geweint. Was ist mit Mom und Dad? Geht es ihnen gut? Ich möchte sie sehen!"

Mein Herz zieht sich in meiner Brust zusammen. Oh Gott.... Sie hat ja keine Ahnung.

,,Lucia... hör zu... Leandro er..."

,,Er ist ein Traummann" beendet sie meinen Satz ,,Ich kann mir zwar noch immer nicht ausmalen, wie du einen Mafia Boss kennengelernt hast, aber meine Güte du hast es... Und er hat uns gerettet, Katy! Er ist stark und mächtig und er sieht fantastisch aus. Hast du ihn unseren Eltern vorgestellt? Was sagen sie? Wissen sie, was er macht? Bestimmt nicht! Dad würde ausflippen..." plappert sie drauf los. Wie erkläre ich ihr am besten, dass Leandro nicht so ganz der Mann ist, für den sie ihn hält? Wie erkläre ich ihr, dass auch ich entführt wurde? Das er mich nicht gehen lassen wird und sie somit auch nicht? Wie mache ich ihr bewusst, dass nicht alles gut ist?

Dunkles Vertrauen - Kein Weg zurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt