IV.4

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Dass Mark bloß eingeschlafen war, bekam Paddy trotzdem erst richtig realisiert, als er seine Hand auf seine Brust legte und seinem ruhigen Herzschlag nachfühlen konnte. Als sich dann nur nichts änderte und Mark weiterhin mit leicht geöffneten Lippen bloß dalag, übermannte ihn solch ein Schmerz, dass er sein ganzes Gesicht verzog, seine Stirn an seine Hand presste und in schwere Tränen ausbrach und einfach nicht mehr klarkam. Er konnte einfach nicht mehr.

Vollkommen regungslos saß er über Mark gebeugt da. Sein Gesicht verzog Paddy dafür völlig. Er verspürte gerade solch einen Schmerz, dass er kaum noch Luft bekam und schon nicht mehr weinen konnte – zumindest, bis sich Marks Hand dann einfach auf seinen Kopf legte und ihn ein, zwei Mal fahrig tätschelte.

Gleich durchzog ihn solch eine gegensätzliche Zuneigung, dass er seine eigene Hand unter seiner Stirn hervorzog und dann sein ganzes Gesicht einfach an Marks Brust presste, um irgendwie seine Schluchzer zu dämpfen. Danach kam er nur nicht weit.

„Bitte nich' geh'n“, murmelte Mark hörbar schlaftrunken und brüchig – in seiner Stimme schwang nur solch eine Eindringlichkeit mit, dass Paddy wieder leise aufschluchzte und sich bloß weglehnte, um sich umzudrehen, seinen Hinterkopf auf Marks Bauch zu betten und einfach an ihm und im Sand liegenzubleiben. So wie Marks Hand wieder in seine Haare fand, gefiel ihm das nur alles viel zu sehr. Mit tränenverschwommenem Blick sah er dann auch nicht mehr lange in den bewölkten Mittagshimmel. Nach der beschissenen Nacht fielen ihm selber schnell die Augen zu – und so sanft wie ihn Marks ruhige Atmung im Einklang der brandenden Wellen hin und her wog, fand er auch lange nicht aus seinem Halbschlaf.

Erst irgendein Genuschel, hohe Töne und eine fühlbar nahe Präsenz brachten ihn dazu, sich zu überwinden, seine Augen zu öffnen – dann war er nur direkt hellwach. Zwei Frauen standen keine drei Meter vor ihm und wichen schon zurück und machten Anstalten, weitergehen zu wollen. Mit dem Anblick des Handys, das die eine gerade sinken ließ, erhob Paddy sich nur ruckartig, folgte den beiden und fuhr die eine Fotofrau nicht sonderlich freundlich an: „Did you take a photo?“

„Ya ...“, nickte die braunhaarige, wohl rund zehn Jahre jüngere Frau verhalten und erleichterte ihn und sein viel zu schnell schlagendes Herz dann immerhin für wenige Momente ungemein, da sie deutlich keine ausländische Touristin zu sein schien. Ohne Akzent sprach sie dann auch weiter: „You two were just lookin' so cute sleeping here together! I love gays, they are the sweetest!“

„I'm not gay“, presste Paddy direkt mit zusammengebissenen Zähnen hervor und forderte sie mit einem „Delete it now“ auch nicht netter auf, das Foto zu löschen.

„Yeah, right“, wandte sich die andere Frau eindeutig schmunzelnd an die erste – lange musste er dann nur nicht seine Fäuste ballen und seine Zähne noch fester aufeinanderbeißen, damit die braunhaarige mit dem Handy seiner Aufforderung immerhin ohne Widerworte oder sonst ein Gezicke direkt nachkam.

„Show it to me in the recent deleted album and then delete it for good“, forderte er sie noch kühler auf und kümmerte sich gerade nicht im Geringsten darum, wie arrogant er klang.

„Chill, dude“, verdrehte die andere leicht ihre geschminkten Augen.

„You could've done that, and just left us alone“, konnte Paddy dann nur nicht anders, als beide anzufahren. „Photographin' us like we're some fuckin' ... monkeys in the zoo ... I'm done with this bullshit!“

„Sorry“, murmelte die eine mit dem Handy immerhin kleinlaut, kam ihm ein wenig näher und zeigte ihm dann, wie sie die drei Fotos endgültig löschte.

„Good, thank you“, nickte Paddy weiterhin kühl und wandte sich auch einfach zu Mark ab – dass der immer noch tief und fest zu schlafen schien, gab ihm dann nur wieder den Rest. Mit erheblichem Abstand ließ er sich in den Sand sinken und schielte kurz gedankenverloren zu den grünen Wellen, bevor er einfach sein Gesicht in seinen Händen vergrub und wieder drauflos hätte heulen können. Stattdessen schielte er dann wieder nach links zu den Damen und fühlte sich doch ein wenig schlecht. Diese latente Wut ließ nur nicht lange auf sich warten und dann durfte er mit Blick nach rechts zu anderen Leuten auch so manches Unbehagen verspüren – wer wusste schon, wie viele Menschen hier an den Wellen lang gegangen waren und sie beide angeglotzt hatten ... Es schüttelte ihn regelrecht in der Vorstellung. Bevor sich seine Gedanken nur immer weiter verflüchtigten und er schon an irgendwelche Fans und Instagrambeiträge dachte und seine Atmung selber schneller wurde und er der latenten Panik nachgab, widmete er sich seinem Handy und wollte erst gar nicht auf Theas Nachricht, ob alles gut war, antworten.

DesireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt