XII.2

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London am Tag war auch nicht schöner als bei Nacht – zumindest mit stechenden Kopfschmerzen. Wieder lief Paddy hastig und vollkommen kopflos durch die Straßen – und dann sah er auch erst ein, dass er Mark vielleicht einfach die Zeit lassen musste, als er auch keine andere Wahl mehr hatte. Er war bis zu ihrem kleinen Café gelaufen, noch weiter durch die Straßen geirrt und natürlich nicht einfach fündig geworden.

Schwer presste er seine Lider aufeinander und vielleicht wäre ihm schon alles entglitten und er hätte noch lauter und inbrünstiger geflucht als der schlimmste Engländer – sein Kreislauf machte die Scheiße nur nicht mehr mit. Irgendwie schleppte er sich nur noch in den nächstbesten kleinen Park und ließ sich vollkommen am Ende seiner Kräfte auf eine Holzbank fallen. Er hatte nicht mal die Kraft, aufzuseufzen. Mit geschlossenen Augen saß Paddy nur da und ließ einfach alles an sich vorbeirauschen – besonders mit seinem Handy, das gefühlt tonnenschwer in seiner Manteltasche lag. Er wollte nicht mehr wissen, warum Mark wieder ohne ein Wort weggelaufen war, warum er selber so viele Nachrichten bekommen hatte, was in den Medien abging oder ob jetzt schon die nächste reißerische Enthüllungsstory von Mark oder sogar von ihnen beiden kam. Er wollte es einfach nicht wissen.

Zusammengesunken kauerte er bloß auf der Bank und bekam nach etlichen Minuten vielleicht mit, dass sich jemand am anderen Ende der Bank niederließ – und vielleicht hätte er schon mehr registrieren können. Aber erst bei dem altbekannten Schnauben sah Paddy dann ruckartig nach links herüber.

„Sag mal, kennen wa uns irgendwoher?“, fragte Mark ihn bemüht ernst und ließ ihn immerhin für wenige Momente schwach lächeln – die offene Frage beantwortete Mark ihm auch, indem er so nah zu ihm rutschte, wie es diese zierliche Metallabsperrung mittig der Bank zuließ, und sich dabei auf seine Brust tippte. „Wieder meinem Herzchen gefolgt ... Ach, saß nur paar Straßen weiter und wollte wieder zurück zum Hotel. Dich zieht's ja immer in solche Parks ... Wie geht's dir denn, was machste hier? Siehst echt ... richtig durch aus.“

„I'm so hungover, ne“, antwortete Paddy ihm entsprechend träge und bekam gerade nur so sein „I was so worried“ hervorgebracht – aber nicht, warum er so besorgt war. Unwissenheit war manchmal doch ein Segen – dieses dumpfe Pochen hinter seiner Stirn nahm ihm gerade eh alles.

„Ach, ich brauchte nur ma' frische Luft. Dacht', du pennst mindestens noch bis zum Mittag, war ja erst achte ...“, schmunzelte Mark schwach und zuckte einmal mit seinen Augen.

„Well, I tried to call you“, murmelte Paddy leise und zuckte dann bei einem lauten Hupen zu seiner Linken so heftig zusammen, dass er sich auch lange seine Stirn massieren musste, bis er wieder schwach aufseufzen konnte. „Or haven't you still, äh, looked? Flugmodus immer noch an?“

„Ne ... Also ich hab' schon geguckt“, murmelte Mark. Kurz verlor sich sein Blick völlig hier in der kleinen, höchstens fünfzig Meter langen und breiten Grünanlage, umringt von alten Backsteingebäuden – bloß, damit er ihn lediglich vage anschmunzelte. „Wollen wa was frühstücken gehen?“

„Ne“, konnte Paddy dann nur wieder ganz sicher reagieren – allein der Gedanke daran ließ seinen Magen verkrampfen.

„Wenigstens 'n bisschen?“, sah Mark verhalten drein und entlockte ihm erst mit seinem „Im Hotel vielleicht?“ ein schwaches Nicken. Er wollte nur noch ins Bett. Ihm war kalt, übel und noch immer latent schwindelig – dementsprechend kam er auch kaum von der Bank.

„I'm gettin' too old for that shit“, stöhnte Paddy dabei wie der betagteste Herr – aber die schwarze Gaslaterne in fünf Meter Entfernung verschwamm dabei schon ein wenig vor seinen Augen.

„Geht's?“, war Mark nur direkt an seiner Seite und machte sich nichts aus seinem eindeutigen Schnauben. „Muss ich dich Huckepack tragen?“

„Mark“, seufzte er entgegen seinen Willen leicht belustigt auf und dann war ihm seine Nähe nach den ersten Metern auch ganz recht. Gerade hatte er einfach nicht die Nerven, sich von diesem latenten Unbehagen beeinflussen zu lassen. Es war einfach nur leicht wahnhaft, anzunehmen, irgendwelche Leute würden sie hier in Chelsea sehen, erkennen und sich dabei auch genug denken und zusammenreimen können. Nachdem sie die kleine Straße vollkommen schweigsam entlanggelaufen waren, entkam er nur diesen latenten Gedanken nicht – und dann musste er Mark an der nächsten Straßenecke einfach verhalten ansehen. „Aber mit uns is' nix in der Presse, ne?“

DesireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt