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Ungeduldig sah Paddy immer wieder durch die Menschenmassen und zu seinem Handy. Es wollte sich nur nichts tun und das seit geschlagenen anderthalb Stunden, die er hier am Terminal B vom Los Angeles International Airport wartete. Seufzend widmete er sich wieder seinem Handy und konnte nicht mal mit Mark schreiben, da es dank der neun Stunden Zeitverschiebung schon mitten in der Nacht in Deutschland war. Stattdessen las er sich wieder ihre etlichen Nachrichten durch und besah sich die Bilder der vergangenen letzten Woche, die er ihm geschickt hatte – obwohl er wirklich Abstand hatte wahren wollen. Zumindest hatte er das noch angenommen, als er in Berlin Tegel mit letzten Tränen in den Augen keine fünfzig Meter zwischen sie gebracht hatte. Aber es ging nicht anders. Mark wirkte auch zu begeistert, fragte andauernd nach, reagierte lieb und schrieb selber viel zu viel.

Dämlich grinste Paddy vor sich hin und war sich so mancher Blicke bestens bewusst – hier im Land der unbegrenzten Möglichkeiten war es ihm nur recht egal. Kaum jemand interessierte sich wirklich für ihn und er genoss es mehr denn je nach all den Wochen, wo er auf alles penibel hatte achten und viel zu viel seiner Verfassung verbergen müssen.

Bevor ihm nur wieder in Erinnerung kam, wie ihm diese gewisse Freiheit in der ersten Nacht hier in Los Angeles doch zu sehr zugesetzt und er beinah eine Panikattacke bekommen hatte, sah er sich wieder um – und bekam Thea bei ihren erdbeerblonden Haaren dann immerhin direkt entdeckt. Freudig winkte er und zog Thea dann direkt in seine Arme, so zerknautscht wie sie auch wirkte.

„Huch, das ist ja mal eine Begrüßung“, löste Thea sich schmunzelnd und zupfte kurz an ihrer Sweatjacke herum.

„Tja“, nahm Paddy ihr dann grinsend ihren großen Koffer ab und verkniff sich einfach anzudeuten, dass er viel zu lange gewartet hatte. Ihre Erschöpfung sah er ihr bestens an. Während sie sich in Bewegung setzten, erkundigte er sich nur möglichst ruhig nach ihrem Flug.

„Frag erst gar nicht“, seufzte Thea aber nur leidig auf. „Ich hatte einen Herrn neben mir sitzen, der mir andauernd auf die Knie geschielt hat. Und dann hat ein kleines Kind ab der zweiten Stunde oder so gefühlt durchgeschrien ... und ich habe ausgerechnet meine Kopfhörer vergessen. Ein besseres Verhütungsmittel muss auch erst mal entwickelt werden ...“

„Well“, schmunzelte Paddy noch verhalten, bevor er dann in ihr herzhaftes Lachen einstimmte und letztlich kurz ihre schmale Schulter tätschelte. „I'm happy you made it safe and sound.“

„Ja“, nickte Thea gleich verhaltener und sah sich neugierig in den riesigen Hallen um, sodass er ihr einfach die Zeit ließ, bis sie nebeneinander in ihrem Mietwagen saßen.

„Warst noch nie in den Staaten, ne?“, schmunzelte er, als er den großen schwarzen SUV vom Flughafengelände steuerte und Thea mit jedem Meter gefesselter wirkte. Grinsend widmete er sich dann auch ein wenig aufmerksamer ihrer Umgebung – auch wenn jene mit den Palmen am Straßenrand für ihn schon lange den Vibe des Neuen verloren hatte. Aber er konnte ihre Faszination bestens nachvollziehen und säuselte dann einfach weiter: „In sweet California? Los Angeles, the city of angels?“

„Nope“, grinste Deboras jüngere Schwester noch zurück – das nächste Mal, als er zu ihr schielte, hatte sie nur schon Tränen in den Augen. „Ach“, winkte sie direkt auf seinen leicht erschrockenen und beklommenen Laut ab – bloß, um sich dann die ein oder andere Träne schnell von den Wangen zu streichen und hörbar zittrig aufzuseufzen. „Sowas hat noch nie jemand für mich gemacht ...“

„Hm?“, brummte Paddy noch irritiert, aber dann verstand er sie bestens. Es war wohl alles andere als selbstverständlich, sie einfach auf seinen Amerika-Trip mitzunehmen und auch noch nahezu alles davon zu bezahlen, selbst wenn er das eh für seine Frau getan hätte. Gerade, weil sie sich gar nicht besonders gut kannten. Ganz in diesem Sinne musste er Thea dann aber auch eindeutig ansehen, als sie das erste Mal schon hinter etlichen Wagen zum Stocken kamen. „Sowas hat auch noch niemand für mich gemacht, y'know. Du hast mich immer, ähm, auf den Laufenden gehalten und zu mir gestanden, obwohl alles so schwierig, ähm, mit Jakob war und ich, well, so viel Scheiße gemacht habe ...“

DesireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt