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Das einzige, was gerade die Stille des Gotteshauses füllte, war sein Herzschlag. Zumindest hatte Paddy das Gefühl, dass das heftige Pochen von überall widerhallte; von den Bündelpfeilern, von der Glasmalerei der Seitenschiffe und von den Arkaden der gut vierzig Meter hohen Kathedraldecke – hier vor dem Vierungsaltar, wo Quer- und Langhaus des Kölner Doms aufeinandertrafen.

Tief atmete Paddy die kühle Luft ein, um sich irgendwie zu beruhigen – es brachte nur nichts. Noch einmal ließ er fahrig seinen Blick umherschweifen; zum kleinen Flutlichtstrahler auf dem Steinboden vor ihm; zu den drei Kameraleuten zu seiner Linken, vor ihm zwischen den etlichen Dombänken und zu seiner Rechten; zu den einzelnen Leuten zwischen den Säulen und zur Kameradrohne hoch in der Luft – trotzdem ging alles unter. Auch nur noch am Rande nahm er Marvins Anweisungen wahr.

Langsam drehte Paddy sich dann nach links zu seinem MASCHINE-Pad-Controller und dem MacBook – und bekam natürlich auf Anhieb keinen vernünftigen Beat auf die Reihe. Aber es machte auch nichts. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, bekam er es beim zweiten Anlauf hin. Und kaum, dass er wieder vor dem Mikrofonständer stand und sein Plektrum an die Gitarrensaiten angesetzt hatte, war er ganz drin.

They ask me how I feel“, begann er zu singen – und sich gehen zu lassen.And if my love is real. And how I know I'll make it through. And they, they look at me and frown. They'd like to drive me from this town. They don't want me around, 'cause I believe in you ...

Mit geschlossenen Augen verlor er sich in den Klängen seiner E-Gitarre und sah erst nach gefühlten Ewigkeiten wieder über die Dombänke hinweg zum großen Westfenster, das bei aller Dunkelheit nur noch ein schwacher Lichtpunkt in der Ferne war.

They show me to the door. They say don't come back no more, 'cause I don't be like they'd like me to. And I walk out on my own, a thousand miles from home. But I don't feel alone – 'cause I believe in you, sang Paddy lang und tief und spielte Gitarre völlig losgelöst, vielleicht überwältigt, vielleicht für die Schicksale, die für ihren Glauben, für ihre Sexualität oder beides gleichzeitig nie Akzeptanz erfahren hatten. Wieder sah er umher und legte dann mit Blick zum hohen Gewölbe sein ganzes Herz in den bereits letzten Part der von ihm verkürzten Version.

I believe in you even through the tears and the laughter. I believe in you even though we be apart. I believe in you even on the morning after. Oh, when the dawn is nearing. Oh, when the night is disappearing. Oh, this feeling is still here in my heart ...

Als Paddy seine Augen wieder öffnete, war kurz alles dunkel um ihn herum – ehe sich Marvin zu Wort meldete, die Lichttechniker wieder an die Arbeit gingen und noch so manch andere Leute um ihn herumwuselten. Es nahm ihm nur nicht dieses unfassbar tiefgehende Gefühl reinster Vollkommenheit.

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