VIII
Lange Schatten glitten über die Steinmauern des kleinen Zimmers hinweg. Immer wieder besah Paddy sich das schwache Lichtspiel der Kerze und so lange die wirre Anordnung der hellen Sandsteine, bis ihn wieder zu viele Erinnerungen zu übermannen drohten.
Aufseufzend rutschte er zur Bettkante und musste sich nur erheben und einen einzigen Schritt nach vorne setzen, um schon beim Fenster dieses kleinen italienischen Landhauses zu sein. Mit einem Ruck drückte er beide Teile des kleinen Sprossenfensters in die frühe Nacht, stützte sich mit einer Hand auf den kalten Stein des Fenstervorsprungs ab und atmete tief die Landluft ein. Ihm schlug noch ein wenig Hitze vom heißen Julitag hier im grünen Herzen Italiens entgegen – lange sah er aber auch nicht in die ruhige Nacht.
Er quetschte sich ein wenig in die Nische und sah nach links zu jener, wo die große weiße Kerze im Gitterwindlicht vor sich hin flackerte – bloß, um dann wie so oft in letzter Stunde sein Handy zu zücken. Ganz erstaunlicherweise hatte sich nur immer noch nichts getan. Schon vor Stunden hatte er Mark eine Audiodatei geschickt und schon vor Stunden waren zwei blaue Haken darunter aufgeploppt – seitdem ließ sich der Herr aber auch Zeit, ihm irgendetwas entgegenzubringen. Dass Mark heute ein Open Air in Husum gehabt hatte und es für ihn im Nightliner mit seiner ganzen Truppe direkt nach Magdeburg weiterging, vergaß er aber nicht. Und als er sich bewusst machte, dass er für seinen Song eh schon die besten Reaktionen bekommen hatte, so wie Natalie geweint und Mark auch ein wenig schneller geblinzelt hatte, bekam er ihn auch gut in Ruhe gelassen.
„Ich bin so froh, dass er dich hat“, hallte es ihm nur wieder warm und sanft durch den Kopf und löste eine Gänsehaut nach der nächsten aus – zu Natalies Chat wechselnd, hatte die ihm aber auch nicht mehr geantwortet. Oder Thea. Im Flugzeug hatte er ihr einfach schreiben und sich nach ihr erkundigen müssen, so oft wie er sich seine Worte zu Natalie durch den Kopf gehen lassen hatte und es nun mal einfach nicht stimmte, dass niemand wirklich zu hundert Prozent aufrichtig wollte, dass er mit Mark zusammen war.
Wie von alleine öffnete Paddy dann einfach seine Galerie und war nicht verwundert, was ihm direkt angezeigt wurde – nachdem er gestern Abend, Nacht und heute Morgen sich so oft das Video angesehen hatte, das er damals aus Versehen aufgenommen hatte, als sie in West Malibu auf den Santa Monica Hills direkt am Meer spazieren gewesen waren.
Mit einem grenzdebilen Schmunzeln sah er sich wieder und wieder dabei zu, wie er ein wenig ungeschickt sein Handy an einem Felsen platzierte, auf Mark zulief, ihn eng an sich zog und mit zerzausten Haaren und lachend für geraume Zeit ein Peace-Zeichen in die Kamera hielt, ehe Mark ihn zu sich drehte, irgendetwas sagte, was der starke Wind völlig verzerrte, seine Wange umfasste und ihn lange küsste.
Es fühlte sich überhaupt nicht mehr seltsam an, sich selber so zu sehen – auch nicht, als er seine Hand auf Marks Hintern legte, sein Ehering immer noch provokant dabei funkelte und sie sich noch länger einfach nur ansahen. Ganz im Gegenteil. Es löste solch ein heftiges Kribbeln in seinem gesamten Körper aus, dass er einfach nicht genug davon bekommen konnte – obwohl es seine ganze Sehnsucht nur noch schlimmer machte. Er wollte einfach nur bei Mark in seinen heimeligen vier Wänden sein, bevorzugterweise auch in seinem Bett, oder einfach wieder mit ihm und Natalie Spiele spielen.
„Gosh, finally“, seufzte Paddy dann auch entsprechend auf, als der FaceTime-Anruf endlich reinkam. Sofort erhob er sich, schloss das Fenster regelrecht hektisch und knipste auch noch die Nachttischlampe an, um sich in Richtung des Lichtes zu setzen und versucht nicht allzu erwartungsvoll ranzugehen.
„Mann, Paddy“, begann Mark dann aber schon direkt offen und ehrlich und leicht mitgenommen, während er dabei an seiner Brille herumfummelte. „Kannst mir des doch nich' einfach so vor der Show schicken. Hätt' fast wieder Pipi in den Augen gehabt ...“
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Desire
FanfictionFortsetzung zu ›Denial‹ - »„Jetz' warte doch, Mann!", rief ihm sein bester Freund nach - aber Paddy ließ sich erst vor der Haustür aufhalten, um sich Thomas' festem Griff wutentbrannt zu entwinden und ihm mit voller Wucht ins Gesicht zu schlagen...