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Now everyone dreams of love lasting and true. Oh, but you and I know what this world can do. So let's make our steps clear that the other may see. And I'll wait for you, and if I should fall behind wait for me“, sang Paddy aus tiefstem Herzen. Er ließ alles los und verlor dabei beinah die Kontrolle. Ihm blieben nur diese freien Momente und etwas, was er gar nicht begreifen wollte.

Schwerfällig öffnete er seine Augen und war direkt geblendet von dem grellen Scheinwerferlicht, das all die unzähligen Gesichter vor ihm zu einer grauen Menschenmasse verschwimmen ließ und ihm trotzdem nicht das prickelnde Kribbeln in seinem ganzen Körper nahm, von so vielen Augenpaaren wahrgenommen zu werden, die nur ihn sahen. Ihn liebten. Ihn auf ein Podest hoben, an das er gar nicht herankam. Immer da waren, wo er es war. Ihn nicht alleine ließen.

Aber kaum, dass Paddy sich wieder seine Akustikgitarre widmen wollte, nahm er eine viel zu bekannte Erscheinung zu seiner Rechten wahr und versteifte sich direkt.

Mark lief einfach auf ihn zu und ließ ihm keinen einzigen Moment, seinem Schock auch nur ansatzweise zu entkommen. Ganz dicht schlang der Kerl seinen Arm um seine Taille und schmunzelte ihn vor all seinen Fans so typisch schelmisch an, dass Paddy noch mehr verkrampfte – und dann seine Augen schmerzhaft weit aufriss, als sich Marks Lippen einfach auf seine Wange drückten.

Ein schwerer Schock nach dem nächsten durchzog ihn und ließ besonders viel Platz für seine bodenlose Scham. Paddy konnte sich einfach nicht regen und das so lange, bis Mark sein Gesicht zu sich drehte und ihn auch noch auf den Mund küsste. Er brauchte nur nicht mehr, damit aus seiner Fassungslosigkeit rasende Wut wurde.

Aggressiv und nicht weniger angewidert stieß er Mark von sich – bloß, um dann von blanker Panik übermannt zu werden, so wie Mark da auf dem Bühnenboden lag und völlig verstört zu ihm hochsah. Es dröhnte schrill in seinen Ohren – bevor Paddy nur realisierte, was er da getan hatte und dass er wohl nie wieder aus der Nummer herauskommen würde, wurde kurz alles schwarz um ihn herum.

Keine Sekunde später blinzelte Paddy nur schon hektisch drauflos und brauchte noch etliche Augenblicke mehr, bis er realisierte, wo er war und vor allem, dass er bloß absurd geträumt hatte. Sein Herz wollte sich nur nicht beruhigen – und seine Brust wurde nur noch schwerer, als er mit diesen dermaßen lebhaften Traumbildern vor Augen von seiner Realität eingeholt wurde. Er sank völlig in sich zusammen und hätte beinah noch aufgeschnaubt, weil er solche Träume auch nicht brauchte, um zu wissen, wie sehr er Mark von sich gestoßen hatte. Es trieb ihm direkt schwere Tränen in die Augen – bevor er wieder losheulte, starrte er regungslos nach vorne zum Taxifahrer und wieder für etliche Momente durch die Windschutzscheibe zur dunklen Autobahn.

Allmählich ging das Schwarz der späten Nacht in das Dunkelblau der Morgendämmerung über. Etliche weiße Lichter kamen ihm dabei entgegen, rote zogen an ihm vorbei und so manches Mal leuchtete ein grelles Orange auf – es dauerte nicht lange, bis Paddy erneut den ruhigen Fahrbewegungen, dem Rauschen der Autobahn und der dumpfen Leere in seiner Brust verfiel. Wieder war ihm nur keine sonderliche Ruhe vergönnt.

Im Halbschlaf driftete er zwischen den absurdesten Situationen hin und her und hatte wieder Mark vor Augen, wie der ihn küsste, anfuhr und ihn zurückließ, ohne, dass er irgendetwas dagegen tun konnte. Und nachdem Paddy wieder aufgeschreckt war und bei dem seichten Orange am Horizont dermaßen angsterfüllte Anspannung so manche Leere verdrängt hatte, suchte auch noch Junia ihn in seinem Schlaf heim. Weinend lag sie ihm in den Armen und mehr musste er auch nicht begreifen, um alles zu wissen. Seiner Beklommenheit wurde immer schlimmer und dann kam er beinah gar nicht mehr klar, als er durch sein Fenster hinaus zu all den ihm bestens bekannten Feldern und Wäldern der endlos langen Landstraßen sah. Zusätzlich wurde er auch noch so unerträglich unsicher und unschlüssig, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte, mitten in der Nacht nach Hause zu fahren – ehe er sich versah (und noch einmal wegnickte), war aber eh alles zu spät.

DesireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt