IV.3

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Erst nach gefühlten Ewigkeiten bekam Paddy sich wieder aufgerafft, um die Tüte in den Untiefen seines Koffers zu verstauen und noch lange im Bad zu bleiben, um seine roten Wangen und Augen irgendwie in den Griff zu bekommen. Keinen Moment lang unten in der Küche angekommen, durfte er Mark nur direkt bestens ansehen, dass er alles mitbekommen hatte.

Für etliche Momente sahen sie sich nur an. Mark lehnte an der Marmorplatte der Kücheninsel, während Paddy noch immer mitten im Raum stand – und sich nicht einmal einen Millimeter bewegen konnte. Bei all diesem Gefühlschaos gab ihm der trostlose Ausdruck in Marks Augen einfach den Rest.

„You heard everything?“, presste Paddy letztlich auch nur hervor und musste um jedes Fünkchen Selbstbeherrschung ringen, nicht gereizt zu klingen.

„Du hast oben auf'm Balkon telefoniert, direkt hier drüber“, deutete Mark regelrecht monoton zur Glasscheibe und dem Garten in zehn Meter Entfernung. „Ich hätte mich wohl in der Toilette einschließen müssen, um nix zu hör'n ...“

Why didn't you do it then, lag es ihm schon auf der Zunge. Aber dann konnte Paddy nur wegsehen, weil er es Mark weder verdenken konnte noch es ihn sonderlich stören sollte, dass er alles mitbekommen hatte. Irgendwie wollte er sich noch zusammenreißen, sich vielleicht auch entschuldigen – aber er konnte nur aufseufzen und wegsehen, weil er es gerade einfach nicht ausstehen konnte, Mark irgendwie verletzt zu haben, indem er nicht zu ihm gestanden und Junia gesagt hatte, wie er sich die letzten Wochen nur nach ihm und seiner Liebe gesehnt hatte und es liebte, ihn endlich wieder bei sich zu haben. Aber im Nachhinein hatte er sie auch nicht angelogen. Gerade war er wieder überfordert und zerrissen und dass Mark mit seiner Reaktion doch etwas von ihm forderte, machte ihn viel zu aggressiv.

„It's just too much“, presste er hervor und ließ sich nicht von Marks viel zu leisem „Paddy“ aufhalten. Barfuß und in seinen Schlafklamotten lief er über die Terrasse den Garten entlang direkt zum Strand – und wimmerte dann einfach drauflos, als er seinen Hintern vergaß und ein stechender Schmerz ihn im Sand durchzuckte. Nur die Leute in hundert Meter Entfernung hielten ihn davon ab, nicht völlig auszurasten – weinen tat er trotzdem und das nicht zu wenig, so wie er seitlich einfach im Sand lag. Er hielt diese ganzen Stimmungsschwankungen und seine wechselnden Gefühle einfach nicht mehr aus – beruhigen tat er sich nur nicht und das mit jeder weiteren Minute noch weniger. Er wollte nur alleine sein, gleichzeitig Marks Aufmerksamkeit haben und dass er ihm direkt nachgelaufen kam – und trotzdem dachte er auch an Junia und an ihren dicken Bauch; dass er sie hier haben, auf sie aufpassen und mit ihr Muscheln sammeln wollte. Obendrein vermisste er Thea gerade nur am meisten, weil sie ihm die letzten Tage und Wochen die einzige ruhige Konstante gewesen war.

„Lord“, wimmerte Paddy dann einfach vor sich hin und versuchte sich wieder fallen zu lassen – nach den drei Malen gestern; mit oder ohne Dildo; er in Mark oder Mark in ihm, fiel ihm das mit Blick zu seinem Ehering einfach so unendlich schwer, so sehr er sich auch versuchte klarzumachen, dass Gott ihn so liebte, wie er war. Aber er konnte einfach nichts von seinen Sünden bereuen, so sehr er es gerade vielleicht auch wollte.

Aufseufzend legte er sich auf seinen Rücken, sah mit tränenverschwommener Sicht in den bewölkten Morgenhimmel und wünschte sich gerade so sehr, dass ihm einfach die Entscheidung abgenommen wurde. Er konnte sich einfach nicht zwischen seiner Frau und Mark entscheiden und noch weniger die weitreichenden Konsequenzen tragen. Gerade war es ihm wieder bewusster denn je: Er wollte einfach beide nicht verlieren – mit beiden so umgehen nur genauso wenig. Vor allem auch in seinem eigenen Sinne.

Immer wieder besah Paddy sich die großen weißen Wolken, lauschte dem sanften Wellenrauschen und so manchen Stimmen in der Ferne – und brauchte dann bestimmt eine ganze Stunde, um halbwegs wieder runterzukommen und sich überwinden zu können, zurück zu Mark zu gehen. Unten auf der Couch an seinem eigenen Laptop fand er ihn und brauchte nicht einmal stehenzubleiben, damit Mark jenen schon zuklappte, sich erhob und ihn wirklich ernst und ruhig ansah. „Bin nich' sauer oder so, ne, das weißte schon?“

DesireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt