XIV.2

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Die späten Züge der Morgendämmerung lagen schillernd über dem Naturreservat. Der uralte Milkwood-Wald, die Fynbos-Sträucher, die Dünenberge in der Ferne und der Atlantik bis zum Horizont – alles war in ein herrliches orangefarbenes Licht getaucht. Aber nichts kam gerade gegen die Wärme in seinem Herzen an.

Während der Morgen schon lange von dem lauten Gezwitscher der Vögel willkommen geheißen wurde, saß Paddy auf dem schmalen Teil des Balkons an einem kleinen Tischchen und einem ebenso kleinen, weißen verzierten Stuhl. Er konnte sich gar nicht sattsehen an der Natur und den etlichen Vögeln hier in den letzten Tagen der Sommermonate. Veränderung lag in der Luft – aber nicht nur, weil es jetzt mit jedem Tag in Richtung des südafrikanischen Winters ging, wo die Natur hier im einzigartigen Biom wieder zu blühen beginnen würde. Es war unfassbar, was alles gerade Kopf stand und wie anders er sich fühlte. Diese gewisse Euphorie und Leichtigkeit von gestern hatte sich nicht gelegt – und ihn kaum schlafen lassen. Dabei bekam er seinen gestrigen Tauschabend immer noch nicht begriffen; was er alles gesagt hatte und wie sehr ihn seine Truppe getragen hatte. Ihm blieb nur das Gefühl, dass alles so wurde, wie es sein sollte.

Erst recht, als er sich nach hinten drehte und durch die große Fensterscheibe direkt aufs Bett sehen konnte. In der weißen Decke eingemummelt, schlief Mark immer noch tief und fest – kein Wunder, nachdem er da gestern oder sogar schon vorgestern eine halbe Weltreise auf sich genommen hatte und nicht mal mit einem Direktflug nach Kapstadt geflogen war.

Schmunzelnd war Paddy es dann, der so manche Bilder knipste und dafür auch durch die schmale Balkontür lief – er ließ Mark nur weiter schlafen. Fürs Frühstück weckte er ihn auch nicht. Nicht, dass er sich jetzt hätte verstecken wollen oder in der Vorstellung noch großes Unbehagen verspürte, hier mit Mark in Grootbos herumzulaufen. Aber nach gestern wollte er einfach ganz in Ruhe frühstücken und Mark würde wohl höchstwahrscheinlich ausgiebig begrüßt werden.

Noch einmal besah Paddy sich im Spiegel und konnte sich bloß glücklich schätzen, dass Mark auf die Idee gekommen war, gestern Nacht noch seine Augen mit eiskalten Flaschen aus der Minibar zu kühlen – nach all den Tränen sah er nicht ganz so verquollen aus. Seine Sonnenbrille setzte er trotzdem auf und bekam auch einen Spruch von seinem Manager reingedrückt. Aber sie unterhielten sich gut, Pino war auch stolz auf ihn und guter Dinge, was das Outing betraf und wie sie alles noch mit der Beziehung handhaben könnten. Die Unterlassungsklagen waren gut durchgekommen; wenn das nächste Mal ungenehmigtes Material, besonders in Form von unautorisierten Fotos, verwendet und veröffentlicht werden würde, lägen die Strafen viel höher als sämtliche Profite aus den reißerischen Artikeln. Pino fand die Aussicht auch nicht schlecht, sich mit der Beziehung noch bedeckt zu halten, bis sein Abend voraussichtlich Mitte Juni ausgestrahlt werden würde. Und bei der Zeit von drei Monaten bereiteten ihm die Vorstellungen, dort irgendwann und irgendwie alles zu Mark bekannt zu geben, auch nicht allzu viel Unbehagen. Oder Ilse war zu lieb, als sie ihn noch mal auf den gestrigen Abend ansprach.

Mit etwas Kleinem vom Buffet betrat Paddy noch besser gelaunt die kleine Garden Lodge – Mark schlief aber immer noch und daran änderte Paddy jetzt noch weniger etwas, so vorsichtig wie er die Vorhänge zuzog. Er musste eh schon wieder viel zu schnell aufbrechen und dann kam ihm auch nur kurz der Gedanke, ob vielleicht doch mehr dieser Leichtigkeit vergehen würde, wenn Mark ihn jetzt überall hin begleiten würde. Aber dafür war weder Zeit noch war es hier inmitten der Produktion sonderlich angebracht. Es störte einfach, unbeteiligte Menschen überall herumlaufen zu haben. Vor allem wollte Mark das auch gar nicht. Gegen Mittag teilte der ihm mit einer Sprachnachricht und vielen Seufzern mit, dass er so im Arsch war, dass er heute bloß im Bett bleiben würde und vielleicht für den Balkon, seine Physioübungen und heute Abend fürs Essen aufstand.

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