XIV
„Come gather 'round people wherever you roam, and admit that the waters around you have grown. And accept it that soon you'll be drenched to the bone, if your time to you is worth savin'. And you better start swimmin', or you'll sink like a stone – for the times they are a-changin'“, sang oder murmelte Paddy leise vor sich hin und sank dann endgültig in sich zusammen. Nur noch gedankenverloren zupfte er an seiner Gitarre herum, aber es brachte ihm keine Ablenkung. Geschweige denn Ruhe.
Mit einem schwerfälligen Seufzen erhob er sich wieder und tigerte weiter durch die dunkle Lounge der kleinen freistehenden Garden Lodge. Es dauerte aber auch nicht lange, bis er die fast deckenhohe Fenstertür nach rechts zur Seite aufschob und auf den Holzbalkon in die kühle Nacht lief.
Vollkommen zusammengesunken lehnte Paddy dann am Metallgeländer, wie er es schon vorhin oder gestern in der ersten Nacht hier in Südafrika getan hatte – und nichts hatte sich wirklich geändert. Er konnte sich kaum wertschätzen und sich noch weniger auf den Sing meinen Song-Vibe einlassen. Gerade bekam er sich nicht mal auf die herrliche Natur direkt vor seiner Nase konzentriert.
Er hatte gedacht, dass ihm dieser gewisse Spielraum, ob er sich nun selber und vielleicht seine Beziehung vor den Kameras outete oder nicht, auch den immensen Druck gut genug fernhielt. Aber dass er nahezu frei entscheiden konnte und immer noch keinen blassen Schimmer hatte, was er tun sollte, machte ihn in diesen stillen Momenten schlichtweg wahnsinnig. Oder, dass er immer noch nicht klar fühlte und so langsam alles dumpf wurde.
Niemand von den Verantwortlichen der Sendung und den etlichen anderen Leuten, die ihm heute und gestern schon über den Weg gelaufen waren, hatten ihn in dieser Hinsicht angesprochen oder etwas gefragt. Trotzdem hatte er gespürt, dass der Vibe um ihn herum ein ganz anderer war als vorheriges Jahr, ganz zu schweigen von 2017 – und das lag nicht daran, dass allen bewusst war, wie sich die Corona-Lage um sie herum zuspitzte, auch wenn hier in Südafrika immer noch kein Fall des Virus verzeichnet war.
Fester ballte Paddy seine Hände um das kühle Metall – er spürte es einfach und wusste dann noch weniger, was er vom morgigen Tag halten sollte, wenn noch mehr hier im Private Nature Reserve eintrudeln würden und vor allem die Leute seiner Truppe. Max Giesinger, Nico Santos und Ilse DeLange hatte er schon bei anderen Konzerten oder Veranstaltungen kennengelernt – MoTrip, Jan Plewka und Lea hingegen erst bei diesem kleinen Treffen in Berlin im letzten Jahr. Das hatte alles aber nicht ausgereicht, jetzt noch irgendeine Sicherheit zu fühlen, sich richtig auf die Musiker einlassen zu können. Dabei konnte er nicht mal dieses Gefühl definieren – aber es machte viel zu viel mit ihm. Er fühlte sich einfach nicht bereit, sich auch nur ansatzweise irgendjemandem zu öffnen. Und wenn er da an letztes Jahr dachte, besonders an Johannes Oerding, oder 2017 an Tilmann und Moses hätte er glatt drauflos heulen können – oder es lag alles doch nur an ihm selber.
„Gosh“, seufzte Paddy schwer auf und blieb doch nur an einer einzigen Person hängen, die er durch Sing meinen Song kennengelernt hatte. Diesen ganzen Erinnerungen wollte er gar nicht nachgeben – aber gegen dieses beschissen wehmütige Gefühl konnte er auch nicht mehr ankämpfen. Er vermisste Mark gerade so sehr und bereute es vielleicht auch nicht zu wenig, ihn nicht doch einfach mit zur Fernsehproduktion hier geschleppt zu haben – aber so langsam hatte sich endgültig diese undefinierbare Distanz zwischen ihnen eingeschlichen.
Seitdem er gestern schon hier angekommen war, hatten sie nur ein wenig banal geschrieben und Paddy ein paar Bilder von seiner Lodge mitten in der Natur und aus der einen Villa geschickt, wo die ganzen Dreharbeiten abseits der Sofa-Location stattfanden. Und er wollte oder traute sich auch nicht mehr, ihn anzurufen. Er wusste bestens, wie leicht Mark ihm ansehen oder anhören würde, wie beschissen es ihm eigentlich ging. Aber er wollte ihm das nicht zeigen und ihn immer noch nicht enttäuschen, wie wenig er trotz all der Zeit mit allem umgehen und zu sich stehen konnte. Und wahrscheinlich war da noch immer dieses viel zu starke Ressentiment, weil Mark ihm mit seiner eigenen Zurückhaltung auch die Forderung vermittelte, dass er doch endlich mal klarkommen sollte. Zumindest blieb ihm dieser gewisse Druck seinerseits – und das war es letztendlich, was ihn auch im breiten Kingsize-Bett wieder nicht anriefen ließ. Er lag nur die halbe Nacht wach und zerdachte wieder die kommenden Drehtage; was er zu Beautiful Madness, den Gerüchten und seiner offiziellen Scheidung in jeglichem Szenario sagen könnte – und machte damit eigentlich alles nur noch schlimmer, bis ihm der Schlafmangel den Rest gab.
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Desire
FanfictionFortsetzung zu ›Denial‹ - »„Jetz' warte doch, Mann!", rief ihm sein bester Freund nach - aber Paddy ließ sich erst vor der Haustür aufhalten, um sich Thomas' festem Griff wutentbrannt zu entwinden und ihm mit voller Wucht ins Gesicht zu schlagen...