Kapitel 24: Eine seltsame Abmachung

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»Wo hast du deinen Schwimmlehrer gefunden?«

Remus und Victor frühstückten gemeinsam. Seitdem sie demselben Arbeitsalltag nachgingen, taten sie das wieder häufiger.

»Im Internet.« Victor schob sich Müsli in den Mund. Diesmal befanden sich Schokoladenstückchen darin, die schmolzen süß auf seiner Zunge.

Nach dem Unterricht hat sich Vic vor dem Tor der Villa von Gale verabschiedet und ist in sein Zimmer gegangen. Dort hat er das Fenster für die kleine Nachtigall geöffnet, damit Gale unbemerkt zurück hinein kam. Nach draußen gelangte er einfacher, denn er konnte in einem unbeobachteten Moment durch die Tür raus gehen und anklingeln, als wäre er von außerhalb zur Villa gekommen. Nur umgekehrt musste er auf das Gelände fliegen, um sich Zutritt über Victors Fenster zu verschaffen. Seine Anziehsachen hat Gale in der Nähe der Villa in einem Gebüsch versteckt, um sie beim nächsten Mal wieder anziehen zu können. Im Moment ruhte er sich in seiner kleinen Baumkrone aus.

»Irgendwie kommt er mir bekannt vor.« Remus trank Kaffee, diesmal lag ein Laugenbrötchen mit Käse auf seinem Teller. Er lachte schnaubend. »Japaner sehen alle gleich aus, nicht wahr?«

Victor runzelte die Stirn. »Finde ich nicht.«

»Ich dachte, er wäre zu mickrig.« Remus biss in das Brötchen und hob den Blick an die Decke. Er hatte noch nicht ganz aufgekaut, als er fortfuhr: »Irgendwie finde ich es komisch, dass ein Mann dich so halbnackt im Pool anfasst. Er ist hoffentlich kein Schwuler, oder?«

Victor verschluckte sich an seinem Müsli und starrte seinen Vater entrüstet an. Was wäre schlimm daran? »Ich wüsste nicht, warum man daraus einen Skandal machen muss.«

»Durch solche Sachen kommen Gerüchte auf.« Zwischen Remus' Augenbrauen bildete sich eine Falte. »Morgen steht in der Zeitung, dass mein Sohn eine Schwuchtel ist und ich muss wieder unzählige Anwälte engagieren, um den Ruf der Firma zu retten.«

Victor zuckte zusammen. Schwuchtel. Das war eines der schlimmsten Wörter für ihn. Er festigte den Griff um den Löffel und hielt den Atem an, um seinen Vater gereizt anzusehen. »Ich finde es echt beschissen, dass du so denkst.«

Remus weitete die Augen. »Wie bitte?« Er war im Begriff, in sein Brötchen zu beißen, aber es fiel ihm fast aus der Hand. Mit aufgeblähten Nasenflügeln beugte er sich über den Tisch. »Was hast du gesagt?«

»Es ist nicht schlimm, wenn man schwul ist.« Ich bin schwul. Victor schüttelte sich. »Warum bist du in dieser Angelegenheit so verbissen?« Der Löffel schmerzte in seiner Handfläche, weil er die Faust so stark zusammendrückte. Sein Herz trommelte aufgeregt.

»Hm.« Remus' Lippen wurden schmal. Er sagte nichts, aber das Kopfnicken wirkte verdächtig. Seine Pupillen tasteten über Victors Gesicht und er seufzte. »Ich habe sowas befürchtet. Du hast heute frei. Ich muss mich um etwas kümmern.«

Victor kochte innerlich, weil er sich zu sehr in das Gesprächsthema hineinsteigerte. Seine Arme zitterten und in seinem Kopf stoben die Gedanken wild umher. Und Remus ruderte einfach zurück? Er wollte noch etwas sagen. Einen Punkt hinter sein Statement setzen. Aber sein Vater nahm das Brötchen, stand auf und ließ ihn alleine im Esszimmer zurück.

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Eva: Du erinnerst mich an Randy. Das ist ein Freund von mir, der arbeitet in einem Brillengeschäft.

Der Chatverlauf mit Eva war weit nach unten gerutscht. Victor hatte völlig vergessen, auf ihre letzte Nachricht zu antworten. Nach dem Wortwechsel mit seinem Vater hatte er das Bedürfnis, mit ihr zu kommunizieren. Auf dem Weg vom Esszimmer in die Küche, tippte er eine Nachricht:

MitternachtsgesangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt