09 | Morgen danach

371 30 16
                                    

Da ist es, das neue Kapitel :) bin gespannt, wie es euch gefällt.

Die warmen Sonnenstrahlen kitzelten ihre Haut, als Leticia aus dem Auto stieg. Der Himmel war strahlend blau, keine Wolke zu sehen. Als die angenehme Frühlingsluft durch ihr offenes Haar strich, klemmte sie es sich hinters Ohr. Doch das schöne Wetter konnte sie nicht über ihren schlechten Tag hinwegtrösten.

Bevor sie eingeschlafen war, hatte sie stundenlang wachgelegen und an die Decke gestarrt. Immer wieder waren ihre Gedanken zu ihrem Abend mit Maxim zurückgekehrt und hatten ihr den Schlaf geraubt.

Es hatte sich unbeschreiblich angefühlt, wieder von ihm geküsst und berührt zu werden. Seine Hände waren praktisch überall gewesen. Doch als er sie auf dem Bett liegend eindringlich betrachtet hatte, war sie wieder zur Besinnung gekommen. Beinah hätte sie ihren Fehler wiederholt, dabei hatte sie diesmal alles besser machen wollen. Aber nicht nur von sich selbst war sie enttäuscht gewesen, sondern auch von ihm. Es war ihm tatsächlich gelungen, sie zu täuschen und ihr das Gefühl zu geben, dass er nicht nur an Sex interessiert war. Er hatte sie glauben lassen, dass Pussys und Partys ihm inzwischen ebenso wenig gaben wie das Verticken von Drogen, das Abzocken von Leuten oder das Aufbrechen von Autos.

Nur deshalb hatte sie sich in die Illusion verrannt, dass er genau das war, was sie brauchte. Jemanden, auf den sie sich immer verlassen konnte, der immer da war und versuchte, ein guter Mensch zu sein.

Dabei war er vielmehr ein guter Schauspieler und noch immer derselbe, manipulative Typ von damals. Also musste sie davon ausgehen, dass er sich auch sonst nicht weiterentwickelt hatte und seine kriminelle Energie trotz des beruflichen Erfolgs noch immer so groß war, dass er sie in Gefahr bringen und somit auch Leticias Leben auf den Kopf stellen konnte. In letzter Sekunde hatte sie sich ihm entzogen, bevor es noch unangenehmer hatte werden können.

„Es wird nichts passieren, was du nicht möchtest, okay?"

Noch immer gingen ihr seine vermeintlich einfühlsamen Worte nicht aus dem Kopf. Wider Erwarten war ihm nicht verborgen geblieben, dass sie sich nicht hatte fallenlassen können. Als er irritiert nachgehakt hatte, ob sie vergeben war, hatte sie ihm beinah die Wahrheit verraten. Doch sie hatte zu viel Angst vor seiner Reaktion gehabt, also hatte sie sich dagegen entschieden und war anschließend aus der Situation geflohen. Erst im Taxi war ihr aufgefallen, dass sie zu allem Überfluss auch noch ihr Armkettchen verloren haben musste. Hektisch hatte sie ihre Tasche und das Taxi abgesucht, das Schmuckstück jedoch nicht finden können und sie traute sich nach ihrem Abgang nicht, ihn darauf anzusprechen.

Als sie anschließend völlig verwirrt im Bett gelegen hatte, war an Schlaf zunächst kaum zu denken gewesen. Immer wieder war sie aufgewacht und hatte sich dabei erwischt, sofort wieder an ihn zu denken.

Auch jetzt schlich er sich in ihre Gedanken zurück, ohne, dass sie das überhaupt wollte. Sie konnte nicht fassen, dass ein Kurzstreckenflug und zwei Abende ausgereicht hatten, seiner gefährlichen Aura zu erliegen.

Gedankenverloren strich sie über ihre Lippen. Sie kribbelten unaufhörlich. Leticia spürte seine fordernden Küsse noch immer. Sie schloss die Augen und versuchte, die Erinnerungen zu vertreiben. Es hatte sich so unbeschreiblich gut angefühlt, sich an seinem starken Körper festzuhalten, während seine Berührungen und Liebkosungen sie geschwächt hatten. Sie hatte das Gefühl gehabt, sich geborgen, beschützt und vor allem begehrt zu fühlen. Seit Elyas hatte kein Mann mehr ihr dieses Gefühl gegeben – außer ihm.

Es fiel ihr nicht leicht zu akzeptieren, dass sie eine Entscheidung treffen musste; vollkommen unabhängig von der Wirkung, die Maxim auf sie hatte. Sie verband so viel mehr als diese gemeinsame schöne Nacht, an die er offensichtlich jede Erinnerung verloren oder verdrängt hatte. Sie würde ihr gesamtes Leben mit ihm verbunden sein und es war an ihr, ob er jemals davon erfahren würde.

Einerseits fand sie es falsch, ihm die Wahrheit länger vorzuenthalten, doch jetzt, wo ihr letztes Treffen so unglücklich geendet war, wusste sie nicht, ob und wie sie wieder auf ihn zugehen sollte. Andererseits hatte sie den Eindruck gewonnen, dass er möglicherweise nach wie vor nicht reif genug war, eine derartige Verantwortung zu übernehmen und vielleicht sogar ein schlechter Umgang war. Trotzdem glaubte sie noch immer, dass das Schicksal ihr eine Chance gegeben hatte, alles zu verändern. Sie einfach wegen ihres gekränkten Egos verstreichen zu lassen, erschien ihr nicht richtig.

Doch vorerst hatte sie keine Zeit, weiter mit sich zu hadern. Flüchtig schaute sie auf die Uhr. Ihr blieben nur noch wenige Minuten. Also lief sie zielstrebig auf den Ausgang des Parkdecks zu. Ihre Eltern waren sicherlich schon gelandet. Sie hoffte, dass sie gute Neuigkeiten mitbrachten.

Die beiden hatten all die Jahre, in denen sie arbeiteten, Geld gespart. Schon immer hatten sie nach Spanien auswandern wollen. Seit ihr Vater in Rente gegangen war, schauten sie sich nach Immobilien um. In der vergangenen Woche waren sie nach Barcelona geflogen, um sich ein paar Häuser anzusehen. Natürlich hatten sie die ganzen Besichtigungen mit Urlaub verbunden. Leticias Mutter hatte sich glücklicherweise sofort angeboten, Noemi für ein paar Tage mitzunehmen. Sie war ihren Eltern sehr dankbar, denn nur dank ihrer Hilfe hatte sie den Job für das Fotoshooting in der Schweiz annehmen können.

Sie lächelte bei dem Gedanken an ihre Familie, als sie die Ankunftshalle betrat und in Richtung des Gates lief, an dem sie ihre Eltern erwartete. Als sich schließlich die Türen öffneten und die ersten Passagiere heraustraten, kribbelte ihr Bauch vorfreudig. Keine Sekunde länger wollte sie von Noemi getrennt sein.

Es zerriss sie jedes Mal innerlich, wenn sie sich zeitweise von ihr trennen musste. Es war, als würde sie einen Teil von sich verlieren. Als sie nun Noemis freche Stimme hörte, noch bevor sie den kleinen Wirbelwind sehen konnte, ging ihr das Herz auf. Ihre Augen strahlten mit ihrem Lächeln um die Wette, als sie nun das blonde Mädchen entdeckte, das zielstrebig auf sie zugelaufen kam.

Noemi trug ein knielanges Kleidchen mit Katzenprint, dazu eine dunkelgraue Leggings und Boots. Leticia verspürte einen kleinen Stich in ihrem Herzen. Sie war doch gerade mal fünf Jahre alt und wirkte dennoch schon so schrecklich erwachsen. Leticia lächelte, ging in die Knie und breitete ihre Arme aus. Noemis Zopf wippte auf und ab und ihre blauen Augen leuchteten, als sie Leticia um den Hals fiel. In ihr Gesicht zu sehen, ließ sie all ihre Sorgen vergessen. Für den Moment war nur sie wichtig. „Hallo Mama!"

Da ist es also, Leticias Geheimnis. Habt ihr damit gerechnet? Oder seid ihr vielleicht doch ein kleines bisschen überrascht, dass sie eine Tochter hat?

Wie ein TattooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt