01 | Hektik am Morgen...

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Ohne viel BlaBla hier das 1. Kapitel. Bin gespannt, wie es euch gefällt.

„Das hat er nicht gesagt!"

An einem sonnigen Donnerstagmorgen kämpfte sich Leticia durch die verstopften Gänge der Abflughalle des Züricher Flughafens. Sie konnte weder dem hektischen Treiben, noch dem wirren Stimmgemurmel sonderlich viel abgewinnen. Während sie auf die Sicherheitskontrolle zusteuerte, presste sie sich das Smartphone ans rechte Ohr und zog mit der linken Hand ihren kleinen Handgepäck-Koffer hinter sich her.

„Doch, Shirin, und er hat es vollkommen ernst gemeint", sagte die Brünette frustriert zu ihrer Gesprächspartnerin, während sie ein paar Jugendliche überholte, die gemütlich durch die Abflughalle schlenderten; ein Luxus, den sie sich nicht leisten konnte. Sie musste sich beeilen, wenn sie es noch rechtzeitig schaffen wollte.

„Was für ein Arschloch!", platzte es aus ihrer besten Freundin heraus. Leticia ließ den Fluch kommentarlos stehen und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Schließlich gab es nichts, was sie dem hätte entgegensetzen können – oder wollen.

„Und was hast du dazu gesagt?", fragte die Stimme am anderen Ende der Leitung. Leticia schmunzelte.

„Ich-. Verdammt!"

Ihre dunkelbraune, große Handtasche war ihr von der Schulter gerutscht und so unglücklich zu Boden gefallen, dass ein paar Sachen herausgekullert waren.

„Was?", fragte Shirin, während Leticia sich bückte, um ihre Habseligkeiten wieder aufzuheben.

„Ich habe meine Tasche fallenlassen. Hör zu, ich muss auflegen. Ich melde mich einfach später nochmal", wimmelte sie ihre Freundin ab. Shirin seufzte.

„Du kannst doch nicht mit so einer Geschichte anfangen und mich dann mittendrin abwürgen", empörte sie sich. Ein Grinsen huschte über Leticias Lippen. Shirin war vermutlich einer der neugierigsten Menschen der Welt.

„Ich erzähle dir den Rest nachher", versicherte Leticia, während sie ihr Buch und das Portemonnaie wieder in die Tasche stopfte.

„Okay. Aber ich will jedes Detail deiner anschließenden Demütigung", gab Shirin sich geschlagen. Leticia lachte.

„Gut. Aber jetzt muss ich erst mal durch die Sicherheitskontrolle. Sonst wird das nichts mehr mit den Details, weil ich nämlich meinen Flug verpasse. Bis später."

Leticia beendete das Telefonat und schmiss das Handy achtlos in ihre Handtasche zurück. Ein weiteres Mal strich sie sich seufzend die lose Haarsträhne hinters Ohr, die ihr bereits seit der Abfahrt vom Hotel ins Gesicht fiel. Genervt fischte sie ihren Handspiegel heraus, um zu überprüfen, ob sich noch weitere Teile ihrer Frisur auflösten und die störende Strähne wieder festzustecken. Als sie ihn aufklappte, betrachtete sie sich einen Augenblick und schürzte dabei ihre vollen Lippen.

Aufgrund der Eile hatte sie sich heute Morgen nur dezent geschminkt; es hatte gerade dazu gereicht, ihre blaugrünen Augen mit etwas Mascara zu betonen und etwas Rouge auf ihre hohen Wangenknochen aufzutragen. Ihre hellbraunen Haare hatte sie schlicht zu einem Knoten zusammengebunden und ein paar lose Haarsträhnen mit Klammern befestigt.

Sie hatte schon vor langer Zeit damit aufgehört, sich für Flugreisen besonders aufzustylen. Inzwischen reiste sie gern in bequemen, lässigen Klamotten. Heute hatte sie sich für eine lockere Jeans und einen übergroßen hellen Strickpullover entschieden, der einen schönen Kontrast zu ihrer bronzefarbenen Haut bildete. Dazu trug sie ein silbernes Paar High Top Sneakers.

Sie ließ den Spiegel wieder verschwinden und setzte ihren Weg zur Sicherheitskontrolle fort. Dabei kramte sie in ihrer Tasche nach dem ausgedruckten Boarding Pass, konnte ihn jedoch auf die Schnelle nicht finden. Doch zum Glück hatte sie an alle Eventualitäten gedacht. Als sie schließlich die Sicherheitsschleuse erreichte, zückte sie nicht ihren ausgedruckten Boarding Pass, sondern ihr Smartphone. Ein groß gewachsener Dunkelhaariger, der hinter dem kleinen Pult neben dem Eingang saß, schenkte ihr ein freundliches Lächeln. Sie erwiderte es, während sie das Display ihres Smartphones über den Scanner hielt und ungeduldig auf das grüne Licht wartete, welches ihr signalisierte, dass sie passieren durfte. Sie hoffte, dass sie nicht all zu viel Zeit an der Sicherheitskontrolle verlor.

„Guten Flug", sagte der Mann hinter dem Tresen und deutete mit seiner Hand auf den abgetrennten Sicherheitsbereich. Sie bedankte sich, dann schlüpfte sie durch die Schleuse und bahnte sich ihren Weg zu einer der langen Schlangen. Seufzend warf sie einen Blick auf ihre kleine Armbanduhr. Viel Zeit bis zum Boarding blieb ihr nicht mehr.

Schon beim Aufstehen hätte sie ahnen müssen, dass dieser Tag nicht ihr Freund werden würde. Sie hatte sich den Zeh an ihrem Hotelbett gestoßen, sich unter der viel zu heißen Dusche die Haut verbrannt, den Finger in der Zimmertür eingeklemmt und den Kaffee auf dem Fußboden des Hotelrestaurants verschüttet. Zu allem Überfluss war sie auch noch zu spät am Flughafen angekommen.

„Junge Frau!"

Eine unfreundliche Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Irritiert schaute sie sich um. Unmittelbar hinter ihr stand ein übergewichtiger, grauhaariger Mann mit einer weitaus jüngeren wasserstoffblonden Frau, die mit ihren blutroten, schlechten Gelnägeln vor Leticias Gesicht herumfuchtelte. Beide musterten sie argwöhnisch.

„Das Ende der Schlange ist da hinten. Bitte stellen Sie sich an, so, wie es sich gehört, statt sich einfach ganz frech vorzudrängeln", quietschte die junge Frau mit ihrer hohen Piepsstimme und deutete mit ihrem Zeigefinger in die Richtung, aus der Leticia gekommen war. Offenbar war sie so in Gedanken vertieft gewesen, dass sie das Ende der Warteschlange nicht wahrgenommen hatte.

Leticia seufzte innerlich frustriert auf. Sie war zwar klug und wortgewandt, aber heute war sie viel zu müde für morgendliche Wortakrobatik. Statt sich zu widersetzen, lächelte sie dem grauhaarigen alten Herrn zu. Er war mit seinem kugelrunden Bierbauch, der fast seinen sündhaft teuren Maßanzug sprengte, seinem schlechten Parfum und dem kreisrunden Haarausfall bereits gestraft genug – ganz zu Schweigen von seiner wasserstoffblonden und gefühlt dreißig Jahre jüngeren Scheinfreundin, die ihm voraussichtlich den ganzen Tag lang mit ihrer anstrengenden Stimme auf die Nerven ging und sowieso nur auf das Erbe scharf war, das er einmal hinterlassen würde. Also schnappte sie sich ihr Gepäck und fügte sich ihrem Schicksal, statt es heute noch ein weiteres Mal herauszufordern. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie endlich an der Reihe war und ihren Weg zum Gate fortsetzen konnte. Doch das Glück schien auf ihrer Seite zu sein, denn als sie einen Blick auf die große Wanduhr warf, stellte sie erleichtert fest, dass ihr trotz der Wartezeit bei der Sicherheitskontrolle noch etwa eine Viertelstunde bis zum Boarding blieb – genug Zeit also für eine Tasse Kaffee, der hoffentlich ihre Lebensgeister zurückbringen würde – vorausgesetzt, sie verteilte ihn nicht wieder auf dem Fußboden.

Die junge Brünette blieb kurz stehen und ließ ihren Blick schweifen. Als sie in einiger Entfernung ein Bistro entdeckte, steuerte sie zielstrebig darauf zu. Nur wenig später fand sie sich mit einem Coffee to go in der rechten und ihrem Smartphone in der linken Hand auf einem der Sitze im Wartebereich in der Nähe ihres Gates wieder. Da sie in den vergangenen Tagen nicht dazu gekommen war, nutzte sie die wenigen verbleibenden Minuten, um ihre E-Mails zu beantworten. Seit sie sich neben ihrem Teilzeit-Job als Physiotherapeutin als Fotografin selbstständig gemacht hatte, stand ihr Leben regelmäßig Kopf. Es verlangte ihr einiges ab, berufliche und private Verpflichtungen unter einen Hut zu bekommen, doch sie hatte ihre Entscheidung, sich ein zweites Standbein aufzubauen, bisher keine Sekunde bereut.

Nachdem sie die Shooting-Anfragen bearbeitet hatte, schob sie zufrieden ihr Smartphone in die Tasche zurück. Nur noch ein paar Minuten blieben bis zum Boarding. Sie konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und hoffte, dass nach diesem chaotischen Morgen wenigstens der Flug reibungslos verlaufen würde.

Ja, was soll ich euch sagen? Genießt die Ruhe, solang ihr könnt. Oder so :p Wie hat euch denn das 1. Kapitel gefallen, auch, wenn noch nicht soooo viel passiert ist?

Wie ein TattooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt