41 | Kurswechsel

264 20 0
                                    

Ihr Süßen, hier das nächste Kapitel für euch :D

Während Maxim ihr mit zusammengezogenen Augenbrauen düster ins Gesicht schaute, drückte Leticia sich schweigend an ihm vorbei in den Flur. Noch immer gelang es ihr nur schwer, ihr Gefühlschaos zu ordnen. Für sie hatten sich die Ereignisse der vergangenen Tage regelrecht überschlagen, sodass ihr alles über den Kopf gewachsen war.

Maxim, der hinter ihr die Haustür ins Schloss gedrückt hatte, musterte sie auffordernd. Es war offensichtlich, dass er wütend war. Sie hingegen wusste überhaupt nicht mehr, wie sie dachte oder empfand. Alles war zu einem riesigen, undefinierbaren Klumpen verschmolzen. Sie atmete betont ruhig, suchte nach den richtigen Worten, doch es fiel ihr schwer, sich auszudrücken. Sie schluckte, als er sie entschieden ins Wohnzimmer drängte und die Tür hinter sich zuschob. Seine Augen funkelten herausfordernd.

„Spinnst du eigentlich, einfach so abzuhauen?", fragte er anklagend. Sie schnappte nach Luft und verengte ihre Augen zu Schlitzen.

„Du bist unglaublich. Ich meine, wie kannst du mir sowas antun?", zischte sie und zog anklagend die Augenbrauen hoch.

„Ich will wissen, wo du gewesen bist", überging er ihre Frage kühl und sah ihr erwartungsvoll ins Gesicht.

„Ich brauchte ein bisschen Zeit für mich", antwortete sie leise. Maxim schnaubte.

„Zeit für dich", wiederholte er fassungslos. „Und da bist du nicht auf die Idee gekommen, mir Bescheid zu sagen?"

„Dass du dich mit diesem Mädchen vergnügt hast, hat mir vor Augen geführt, dass ich dir keinerlei Rechenschaft schuldig bin", schoss sie kühl zurück.

„Mir nicht – aber ihr", konterte Maxim überlegen. Leticia wusste, dass er recht hatte, aber-. „Du hast Noemi einfach mit einem Fremden bis spät am Abend alleingelassen", fügte Maxim düster zurück, während sein Blick sich noch ein wenig mehr verfinsterte.

„Du bist ihr Vater", konterte Leticia überlegen.

„Das weiß sie doch nicht!", platzte es aufgebraucht aus ihm heraus, während er mit einem Zeigefinger auf die geschlossene Tür in Richtung Flur deutete, von wo die Treppe geradewegs zu Noemis Zimmer führte.

„Ich habe deine Nähe einfach nicht mehr ertragen. Eigentlich müsstest du mich verstehen; immerhin konntest du auch nicht mehr um mich herum sein, ohne wahnsinnig zu werden", platzte es aufgewühlt aus ihr heraus. Das erste Mal seit Langem glaubte sie, so etwas wie Reue in seinen Augen zu erkennen, konnte sich jedoch auch täuschen. Ihre Finger zitterten, als sie sich fahrig die langen Haare nach hinten strich.

„Weil ich mit einer anderen geschlafen habe?", fragte er verständnislos. Sie stieß einen verächtlichen Laut aus. Die Gleichgültigkeit, mit der er die Nacht mit der fremden Frau abtat, verletzte sie beinah mehr als die Sache selbst. „Nein, Leticia. Das verstehe ich nicht. Wir haben keine Beziehung. Im Grunde kann ich machen, was ich will, mit wem ich will. Und auch, wenn dich das verletzt, kannst du nicht einfach so verschwinden", erwiderte er. Seine Worte schnitten tief in ihr Herz. Sie schüttelte enttäuscht den Kopf und blinzelte, um die heißen Tränen, die sich in ihren Augen sammelten, zurückzudrängen.

„Und du entscheidest jetzt, wann ich mich wie verhalten darf? Ich meine, ist dir noch nie etwas über den Kopf gewachsen?", blaffte sie ihn an, verschränkte die Arme vor der Brust und reckte ihm trotzig ihr Kinn entgegen.

„Es war nicht meine Absicht, dass du etwas davon erfährst, und es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe", räumte er etwas weicher ein.

Je weniger emotional sie sein wollte, desto schlimmer wurde es. Ihre innere Unruhe wurde nahezu unerträglich und stieg gemeinsam mit einer quälenden Hitze in ihr auf, bis sie sich nicht länger kontrollieren konnte.

„Du verstehst gar nichts, okay?! Meine Welt bricht gerade komplett in sich zusammen! Meine Eltern werden in den nächsten Wochen nach Spanien gehen und auch, wenn ich weiß, dass es nicht richtig ist, das auf dich zu projizieren, habe ich mich an die Hoffnung geklammert, dass wir vielleicht doch noch eine richtige Familie werden könnten; trotz all der Umstände, an denen ich nicht unschuldig bin. Aber dass du mit dieser Frau geschlafen hast, hat mir vor Augen geführt, dass ich mich in eine Illusion geflüchtet habe und du mit der Vorstellung, vielleicht doch noch mal mit mir zusammenzukommen, abgeschlossen hast. Ich brauchte einfach etwas Zeit, um das für mich zu verarbeiten und damit klarzukommen."

Erst, als all das aus ihr herausbrach, was sie den gesamten Nachmittag mit sich selbst ausgemacht hatte, realisierte sie, dass sie ihre Tränen nicht länger hatte zurückhalten können. Zu ihrer Überraschung machte Maxim einen Schritt auf sie zu.

„Wein nicht", sagte er leise. Hastig wischte sie sich über die tränennassen Wangen und wandte sich von ihm ab. Es war ihr unangenehm, vor ihm derart die Beherrschung zu verlieren. Er sollte sie so nicht sehen. Sein Duft hüllte sie ein, als er wider Erwarten seine Arme um sie schlang.

„Ganz egal, wie sich die Dinge entwickeln. Ich lasse dich damit nicht allein", versprach er, während er sie wieder zu sich umdrehte.

„Ich habe einfach Angst vor der Zukunft", weinte sie leise, während Maxim sie einfach nur schweigend an sich drückte. Es war verrückt, doch trotz der verfahrenen Lage hatte er eine beruhigende Wirkung auf sie und sie fühlte sich sicher in seinem Arm. Leticia empfand es als ironisch, dass gerade er so versuchte, den Schmerz zu lindern, den er zum Teil selbst verursacht hatte.

„Es tut mir leid." Er sagte es ganz leise, und doch war es noch laut genug, dass sie es hörte. Als sie überrascht in sein Gesicht schaute, waren all die Wut und Härte aus seinem Blick verschwunden, nur noch die Reue war geblieben. „Ich bin ein Arschloch, Leticia, ich bin zu weit gegangen. Wenn ich gewusst hätte, dass du kommst, hätte ich es nicht getan. Es tut mir leid."

Es fühlte sich unwirklich an, dass er sie nah bei sich im Arm hielt und sich bei ihr entschuldigte. Skeptisch sah sie ihm in die Augen und suchte nach Anzeichen dafür, dass er es nur sagte, um die Situation zu entschärfen, aber sie waren voller Bedauern.

„Wein nicht, Baby."

Es war das erste Mal, dass Maxim ihr so etwas wie einen Kosenamen gab; völlig absurd, hatte er noch in der letzten Nacht mit einer anderen Frau geschlafen. Noch während sie ihm verwirrt ins Gesicht schaute, wischte er ihr für seine Verhältnisse beinah zärtlich die Tränen von den Wangen.

„Wir sollten uns beide Gedanken machen, wie das mit uns weitergeht...", sagte er leise. Leticia sah ihm überrascht ins Gesicht.

„Mit uns?"

Er seufzte.

„Ich dachte, du wünschst dir ein uns."

Ihr Herz machte einen kleinen Sprung, doch der Stachel saß zu tief.

„Merkst du nicht, wie verrückt das alles ist? Gestern noch schläfst du mit einer anderen Frau und jetzt stehst du vor mir, nennst mich Baby und willst auf einmal doch wieder mit mir zusammen sein. Weißt du überhaupt, was du willst?"

Er raufte sich schwer seufzend das Haar.

„Ich war wütend und verletzt. Du hast mir fünf Jahre lang meine Tochter vorenthalten. Aber wir sollten nach vorne sehen und uns beide darüber klar werden, ob ein uns für uns überhaupt noch in Frage kommt, oder ob es wirklich nur um Noemi geht", sagte Maxim. Leticia schüttelte den Kopf.

„Du tust gerade so, als hätte eine Beziehung die ganze Zeit weiterhin zur Debatte gestanden, dabei hast du mir ganz klar gezeigt, dass du nicht mit mir zusammen sein willst. Dass du dich jetzt aus Mitleid umentscheidest, nur, weil du jetzt die Wahrheit über meine Eltern weißt, kann ich nicht gebrauchen, Maxim. Entweder ganz oder gar nicht."

Puh, schwierig. Ich kann beide verstehen. Ihr auch?


Wie ein TattooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt