66 | Gegen die Zeit

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Der Kapitel sagt schon alles, viel Spaß :D

Ungeduldig schaute Maxim auf die Armbanduhr an seinem Handgelenk. Noch immer war Leticia nicht nach Hause gekommen, dabei hatte sie Noemi bereits vor ein paar Stunden von der Schule abgeholt.

Nach ihrem Streit fühlte er sich schlecht. Er hatte wie üblich etwas Zeit gebraucht, sah die Situation jetzt jedoch klarer. Ihr Vorwurf, er würde Noemi zu sehr verwöhnen, hatte ihn schon sehr gekränkt. Als sie ihm dann auch noch Vorhaltungen bezüglich seiner Entscheidung gemacht hatte, die Studioarbeit vorgezogen zu haben, waren bei ihm die Sicherungen durchgebrannt und er war im folgenden Gesprächsverlauf sehr ungerecht ihr gegenüber geworden, um sie wissentlich zu verletzen. Aber in diesem Moment hatte er sich einfach unfair behandelt gefühlt - schließlich zerriss er sich momentan, um so viel Zeit wie möglich mit Noemi zu verbringen.

Leticia hatte ihm erzählt, dass sie sich plötzlich im Kreuzfeuer von Leahs Eltern und der Schulleitung wiedergefunden hatte und sich allen möglichen unangenehmen Fragen zu ihrer Erziehung hatte stellen müssen. Sie hatte ihn in diesem Augenblick wirklich gebraucht, damit er ihr den Rücken stärkte und nach außen hin repräsentierte, was er fühlte – eins mit ihr zu sein. Stattdessen hatte er sich dafür entschieden, an seinem Album zu arbeiten. Er hatte einfach keine andere Wahl gehabt, auch, wenn es ihn innerlich zerrissen hatte. Schließlich hing so viel an diesem Abgabetermin an den Vertrieb und er konnte es sich leisten, sein Album zu verschieben. Deshalb stand er auch heute noch hinter seiner Entscheidung. Aber sein eigentlicher Fehler lag darin, dass er – ohne überhaupt dabei gewesen zu sein – über Leticias vermeintliches Verhalten geurteilt hatte, ohne sie nach dem genauen Gesprächsverlauf gefragt zu haben.

Natürlich glaubte Maxim nicht wirklich, dass Leticia irgendetwas auf ihre Tochter kommen ließ. Sie hatte immer wie eine Löwin für Noemi gekämpft. Er war ein riesengroßes Arschloch, ihr das nur aus gekränktem Stolz vorzuwerfen, einfach, weil sie sein Verhalten und seinen Ratschlag – berechtigterweise vielleicht – infrage gestellt hatte. Je länger er darüber nachgedacht und sich im Training ausgepowert hatte, desto bewusster war ihm geworden, dass er sich einfach in diesem Punkt falsch verhalten hatte.

Dennoch stand er zu seinem Ratschlag. Noemi sollte sich nichts gefallen lassen müssen – von niemandem. Es war ihr gutes Recht, sich zu verteidigen, allerdings sollte sie ihre Grenzen kennen. Er würde Leticia versprechen, mit Noemi noch einmal über genau diese Grenzen zu sprechen und ihr zu erklären, wieso es so wichtig war, sie zu kennen. Er konnte einfach nicht verstehen, dass Leticia diese Sache so schrecklich eng sah. Noemi hatte schließlich niemanden umgebracht.

Maxim warf einen erneuten Blick auf das Display seines iPhones. Noch immer hatte Leticia nicht versucht, ihn ein weiteres Mal anzurufen. Heute Vormittag war er so wütend gewesen, dass er sie bei ihrem ersten Versuch weggedrückt hatte. Ihren zweiten Versuch, ihn zu erreichen, hatte Maxim dann ignoriert. Inzwischen wusste er, dass er sich nicht cool verhalten hatte, aber er hatte einfach nicht mit ihr sprechen wollen. Schließlich hatte sie mitten in ihrer Diskussion vorgezogen, einen Anruf ihrer Eltern entgegenzunehmen, die sie ebenso gut hätte zurückrufen können. Doch je länger er darüber nachgedacht hatte, desto mehr war ihm klar geworden, dass er an ihrer Stelle nicht anders reagiert hätte. Er hätte einen Anruf seiner Mutter auch nicht ignoriert und er empfand es als ziemlich unfair, dass er Leticia heute Vormittag noch dafür verurteilt hatte.

Er seufzte schwer. Er versuchte sich daran zu erinnern, ob Leticia ihm gegenüber irgendwelche Termine erwähnt hatte. Er wusste es nicht. Vielleicht war sie jedoch auch einfach nur wütend auf ihn und verbrachte einen gemeinsamen Nachmittag mit Noemi. Kurz dachte Maxim darüber nach, sie anzurufen, verwarf dann jedoch diesen Gedanken.

Stattdessen ließ er sich gegen die weiche Lehne seiner Wohnzimmercouch sinken und schloss seine Augen. Es fühlte sich gut an. Er atmete tief durch und versuchte sich bereits ein paar Sätze zurecht zu legen, um möglichst entspannt in das anstehende Gespräch mit Leticia einzusteigen. Er hatte sie einfach so allein zurückgelassen, weshalb sie alles Recht hatte, sauer auf ihn zu sein.

Wie ein TattooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt