32 | Gewissheit

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Was soll ich euch sagen? 31 Kapitel gewartet und heute gibts endlich Gewissheit. Was glaubt ihr? Ist er Noemis Vater oder nicht?

Leticia trat nervös von einem Fuß auf den anderen und schaute aus dem Küchenfenster. Maxim würde jede Minute hier sein. Er hatte heute Morgen das Testergebnis zugestellt bekommen und war nun auf dem Weg zu ihr. Sie hatten vereinbart, den Umschlag gemeinsam zu öffnen. Leticia konnte es kaum erwarten, endlich schwarz auf weiß zu lesen, dass Noemi tatsächlich seine Tochter war. Dabei ging es ihr nicht um Unterhaltszahlungen. Bisher hatten sie nicht ein einziges Mal über das Thema gesprochen. Für Leticia stand einzig und allein im Vordergrund, dass Maxim sich von nun an um Noemi kümmern und ihr ein guter Vater sein konnte.

Eigentlich hatte sie ihn dieses Wochenende in Berlin besuchen wollen, doch nachdem Noemi bei der letzten Übernachtung so schlimme Bauchschmerzen bekommen hatte, waren Leticias Eltern der Meinung, dass sie besser in ihrem eigenen Bett schlafen sollte. Also hatten sie sich angeboten, sie über den Nachmittag zu nehmen und abends wieder nach Hause zu bringen.

Leticia war ihren Eltern für jede Hilfe dankbar, damit sie sich ungestört mit Maxim treffen konnte. Bereits vor einer Stunde hatte sie ihre Tochter bei ihren Eltern abgeliefert. Ihre Mutter hatte bereits angekündigt, mit ihr ein paar Blumen im Garten einzupflanzen und dann etwas Leckeres zu kochen. Die Kleine war also vorerst noch ein wenig beschäftigt.

Leticia lächelte bei der Vorstellung, wie Maxim heute Abend mit einem guten Bauchgefühl seine Tochter ins Bett brachte.

Als ein dunkler Wagen in ihrem Blickfeld auftauchte, hielt sie den Atem an. Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus, als er in einer der kleinen Parkbuchten vor dem Haus hielt und sie Maxims Silhouette durch die Scheibe sehen konnte. Ihr Herz begann zu rasen, als er ausstieg. Nachdem er das Auto verschlossen hatte, ließ er den Schlüssel in der Hosentasche seines dunklen Jogginganzugs verschwinden. In der Hand hielt er einen großen Briefumschlag, während er die wenigen Meter bis zum Hauseingang lief.

Leticia huschte in den Flur. Sie atmete tief durch, als es schließlich klingelte. Sie war aufgeregt, als sie auf den Türöffner drückte, und warf sich im Spiegel neben der Garderobe selbst einen ermutigenden Blick zu. Anschließend öffnete sie die Tür und erwartete ihn mit einem Lächeln auf den Lippen. Er lächelte ebenfalls, es wirkte jedoch angespannt.

„Hey", begrüßte er sie und drückte sich an ihr vorbei in ihre Wohnung. Noch währenddessen presste er seine Lippen kurz auf ihre. „Ist Noemi schon bei deinen Eltern?", hakte er nach, während er das erste Mal, seit er herkam, seine Schuhe in ihrem Flur auszog. Sie nickte.

„Sie pflanzen heute Blumen", erzählte sie und führte ihn ins Wohnzimmer. Getränke hatte sie bereits bereitgestellt, sodass sie sich direkt setzen konnten.

„Sie ist also nicht nur eine Konditorin, sondern auch eine Gärtnerin", stellte er grinsend fest und fiel auf die weiche Couch. Leticia tat es ihm gleich und schenkte ihm ein wenig Wasser ein. Nach kurzem Smalltalk griff er seufzend nach dem Umschlag, den er kurz auf dem Wohnzimmertisch abgelegt hatte. „Lass uns schauen, was hier drinsteht."

Leticia strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr und rückte dichter an ihn heran.

„Okay."

„Ich habe so was noch nie gemacht", sagte er. „Also einen Vaterschaftstest."

Leticia schmunzelte.

„Spricht irgendwie für dich", kommentierte sie trocken, um ihre eigene Nervosität zu überspielen. Dabei hätte sie ihm am liebsten den Umschlag aus der Hand gerissen und reingesehen, damit dieser unerträgliche Schwebezustand endlich endete. Völlig unerwartet drehte er ihr den Kopf zu und sah ihr fest in die Augen.

„Ich will dir etwas sagen, bevor wir ihn aufmachen."

„Es gibt niemanden außer dir, der als ihr Vater infrage kommt. Ich muss keine Sorge haben, dass du ausflippst", versicherte sie.

„Ich sehe mich in meiner Entwicklung noch gar nicht am Ende angekommen, aber ich denke schon, dass ich inzwischen so weit bin, dass ich für jemanden ein Vorbild sein kann", sagte er rau. Ein wohliges, warmes Kribbeln breitete sich in ihrem Bauch aus. Sie schenkte ihm ein zuversichtliches Lächeln.

„Du wirst ein toller Vater sein. Das weiß ich", versicherte sie ihm und der gerade noch so ernste Ausdruck wich aus seinem Gesicht. Sein Blick wurde weich. Er wollte gerade etwas erwidern, als sie ihre Lippen sanft auf seine presste, denn sie spürte, dass er das gerade brauchte. Er schloss seine Augen und seufzte tief. Sie fühlte sich ihm in dieser Sekunde so nah wie noch nie. Sie wusste, dass seine Worte noch viel mehr für ihn waren als eben nur Worte. Gerade war er dabei, sie noch tiefer in sein Leben zu lassen.

Als sie sich von ihm löste, glaubte sie, ein leichtes Schimmern in seinen Augen zu sehen. Doch mit seinem nächsten Wimpernschlag war es verschwunden. Er senkte seinen Blick und riss den Umschlag an der Seite auf, während sie seine harte Nackenmuskulatur sanft mit den Fingerspitzen massierte. Als er plötzlich innehielt und einfach nur auf das Papier schaute, runzelte sie die Stirn. „Was ist?"

Sie schluckte, als er ihr noch einmal den Kopf zudrehte und er sie eindringlich musterte.

„Noemi ist ein tolles Mädchen. Obwohl sie mich gerade erst kennengelernt hat, lässt sie mich einfach so in ihr kleines Leben und ich bin so wahnsinnig gern mit ihr zusammen..."

Seine schönen Worte waren wie Balsam für ihre Seele und gingen runter wie Honig. Ein verzücktes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, während ihr Herz einen Sprung machte.

„Das alles macht mir Angst", fuhr er fort, ließ das Papier in seiner Hand sinken und fuhr sich schwer seufzend durchs Haar. Überrascht, dass er ihr auf einmal Einblick in sein tiefstes Innerstes gewährte, zog die die Augenbrauen zusammen und musterte ihn aufmerksam. „Wovor denn?"

Maxim schluckte.

„Ich habe sie schon jetzt so in mein Herz geschlossen, dass ich es nicht ertragen würde, wenn ich es doch nicht bin."

Leticia schluckte, dann umfasste sie seine tätowierten Hände fest mit ihren.

„Du bist es. Du kannst mir vertrauen", versicherte sie.

Maxim schaute zur Decke und atmete tief durch, ehe er ihr wieder ins Gesicht sah. Schließlich nickte er.

„Okay"...", sagte er, dann riss er endlich den Rest der Lasche auf und zog ein Stück Papier hervor. Erst jetzt bemerkte Leticia, dass seine Finger zitterten. Auch Leticia schlug das Herz bis zum Hals. Es erschien ihr quälend langsam, wie er das Gutachten aufklappte. Es bestand aus drei Seiten. Zunächst erfolgte eine Auflistung der an der Untersuchung beteiligten Personen, also Leticia, Noemi und ihm selbst. Weiter unten stand eine kurze Erläuterung zum Analyseverfahren, die Maxim nur überflog und zu einer tabellarischen Gegenüberstellung der untersuchten genetischen Fingerabdrücke weiterblätterte. Erst auf der dritten Seite standen eine Zusammenfassung und das Ergebnis des Gutachtens. Sie hielt den Atem an, als ihr Blick auf die letzten Zeilen fielen.

Die Vaterschaft ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99 % praktisch erwiesen. 

Okay, mal ehrlich. Hat irgendjemand daran gezweifelt? Außer ihm selbst vielleicht?

Wie ein TattooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt