62 | Väterlicher Ratschlag

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Ich weiß, erst wochenlang kaum Kapitel, jetzt schon das 3. hintereinander. Was mit mir los ist, weiß ich selbst nicht. Habe übel Lust, einfach alle Kapitel vor dem Weihnachtskalender zu veröffentlichen :D

„Hey, Alter! Du stehst im Weg!"

Ein Klopfen an der Fensterscheibe ließ Maxim herumfahren. Vor ihm stand ein blonder Typ in Hoodies, Jeans und Chucks und musterte ihn skeptisch. Maxim hielt weiter nach Noemi Ausschau. Da Leticia heute ein Vorstellungsgespräch hatte, holte er sie von der Schule ab. Er hatte unweit des Schultors gehalten, um gar nicht erst aussteigen zu müssen. Deshalb blockierte er einen Teil des Fußwegs. Da der Typ keine Anstalten machte, zu verschwinden, ließ er kurzerhand die Scheibe herunter.

„Ich bin gleich wieder weg", versicherte er und wandte sich wieder zum Schulhof, um Noemi nicht zu verpassen. Es hatte bereits geklingelt, also würde sie hoffentlich gleich auftauchen.

„Arschloch!"

Maxim fuhr ungläubig zu dem Blondschopf herum und musterte ihn abschätzig. Dabei unterdrückte er den Impuls, ihn verbal zu erniedrigen, und besann sich darauf, dass er lediglich hier war, um Noemi abzuholen und nicht, um besonders großes Aufsehen zu erregen. Also schloss er kurz die Augen und atmete tief durch. Der Wichtigtuer wollte gerade etwas erwidern, als Noemi eine der hinteren Türen öffnete. Maxim hatte sie gar nicht bemerkt.

„Hallo", sagte sie und kletterte in ihren Kindersitz. Dann zog sie die Tür zu und schnallte sich an. Ohne den seltsamen Vogel weiter zu beachten, fädelte Maxim sich in den Straßenverkehr ein.

„Na, wie war die Schule?", fragte er und warf einen flüchtigen Blick in den Rückspiegel. Der bedrückte Ausdruck in Noemis Augen gefiel ihm nicht. Sonst wirkte sie so fröhlich, wenn sie von der Schule kam, doch in den letzten Tagen schien die Stimmung etwas zu kippen. Ob es daran lag, dass sie etwas von seinem Gerichtsprozess mitbekommen hatte? Leticia und er hatten sich bemüht, all das weitestgehend von ihr fernzuhalten, um sie damit nicht zu belasten, aber sie war nicht blöd und verstand häufig mehr, als ihm lieb war.

Noch immer war er unendlich erleichtert, dass er – ein weiteres und hoffentlich letztes Mal – mit zwei blauen Augen davongekommen war. Statt einer Haftstrafe hatten sie ihm eine hohe Geldstrafe und Bewährung aufgebrummt, doch damit konnte er leben. Eigentlich hätte er sich mit allem zufriedengegeben, solang er nicht ins Gefängnis musste und lange Zeit von seiner Familie getrennt war. Allein die Vorstellung trieb Übelkeit in ihm hoch, doch er schluckte sie herunter. Abermals huschte sein Blick zum Rückspiegel, um Noemi darin flüchtig zu betrachten. Auch, wenn sie heute geknickt war, machte seine Anwesenheit ihn ruhig.

Ein Lächeln huschte über seine Lippen, als er wieder auf die Straße schaute. Obwohl Leticias Einzug gerade mal ein paar Wochen zurücklag, hatte er sich bereits so sehr an dieses neue Familienleben gewöhnt, dass er keinen Tag davon missen wollte.

Die Tage verliefen trotzdem meist noch sehr unstrukturiert, was nicht zuletzt an seinem eigenen vollen Terminkalender lag. Er würde noch einige Zeit brauchen, einen guten Rhythmus zu finden. Die Organisation des Vormittags klappte aber schon ganz gut.

Leticia stand gemeinsam mit Noemi auf und machte ihr ein Frühstück. Dann brachte einer von ihnen sie in die Schule. Maxim schaffte es nicht jeden Morgen, aufzustehen, aber es gelang ihm nach und nach besser. Leticia erledigte im Laufe des Vormittags Einkäufe oder den Haushalt, bereitete das Mittagessen vor, kümmerte sich um ihre Bewerbungen und nahm Einstellungsgespräche wahr, während Maxim ins Training fuhr, Texte schrieb oder Termine abarbeitete. Trotz der vielen To-Dos nahm er sich jeden Tag ein bis zwei Stunden Zeit für Noemi. Die Hausaufgabenbetreuung übernahmen sie meist abwechselnd, wie es gerade eben passte.

Wie ein TattooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt