47 | Reiner Tisch

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Zeit für das nächste Kapitel :D

„Glaubst du, Oma freut sich?"

Leticia musterte den bunten Blumenstrauß in Noemis Hand, als sie gemeinsam den kleinen Weg zur Haustür ihrer Eltern entlangliefen. Nach wie vor war ihr ein wenig flau im Magen, wenn sie daran dachte, was ihr heute bevorstand. Sie würde ihnen nicht nur die Wahrheit über Maxim erzählen, sondern auch mit ihnen darüber sprechen, dass sie über einen Umzug nachdachte. Seit Maxim sie vor ein paar Tagen gefragt hatte, ob sie sich vorstellen konnte, in Berlin ein neues Leben zu beginnen, kreisten ihre Gedanken ununterbrochen darum, ob sie sich darauf einlassen sollte. Einerseits hielt sie es für verfrüht, andererseits löste die Vorstellung ein gutes Bauchgefühl in ihr aus und gab ihr eine gewisse Sicherheit.

Auch, wenn sie noch gar keine finale Entscheidung getroffen hatte, hatte sie sich zusammen mit Maxim schonmal nach einer geeigneten Grundschule für Noemi umgeschaut. Er hatte angeboten, heute dort vorbeizufahren, hatte sich danach allerdings noch nicht gemeldet.

Allein bei der Vorstellung davon, wie ihre Eltern auf all die Neuigkeiten reagieren konnten, wurde ihr einmal mehr an diesem Tag speiübel. Doch sie schob die schlechten Gedanken beiseite und redete sich herbei, dass alles gutgehen würde. Als plötzlich die Haustür aufgerissen wurde und sie geradewegs in das freundliche Gesicht ihrer Mutter blickte, schreckte sie auf.

„Hallo, Oma", quietschte Noemi und hielt ihr den Blumenstrauß entgegen.

„Die sind aber schön", lächelte ihre Großmutter. „Sind die für mich?"

Noemi nickte, während Leticias Mutter ihr die Blumen aus der Hand nahm.

„Dankeschön", lächelte sie, dann wandte sie sich an Leticia, um sie zur Begrüßung an sich zu drücken. Leticia genoss die herzliche Geste viel bewusster als sonst. Nur schwer konnte sie sich vorstellen, wie es ohne ihre Eltern werden würde.

„Wie geht es euch?", fragte Leticia, als sie sich von ihrer Mutter löste. Noemi war bereits ins Wohnzimmer geflitzt. Ihre Mutter seufzte schwer.

„Dein Vater macht mich noch wahnsinnig mit diesem Umzug, aber sonst geht es uns wunderbar", schwärmte sie, während sie Noemi folgten. Als sie den Raum betraten, hatte ihr Vater seine Enkelin gerade hochgenommen und drückte sie fest an sich. Leticia ging bei dem Anblick das Herz auf. Sie war sich sicher, dass auch ihr Vater sie schmerzlich vermissen würde. Als er Leticia bemerkte, setzte er Noemi ab und schenkte seiner Tochter ein warmes Lächeln. Seine Augen strahlten, seine Wangen waren rosig und er schien sogar ein kleines bisschen abgenommen zu haben. Die Vorstellung, bald das Leben in Deutschland hinter sich zu lassen, schien ihm gutzutun. Vielleicht waren das ja doch ganz gute Voraussetzungen für ein ehrliches Gespräch. Doch zunächst drückte sie ihn fest an sich und sog den für ihn typischen Geruch von Moos ein.

„Gut siehst du aus", lächelte er, als sie sich voneinander lösten.

„Dasselbe wollte ich gerade zu dir sagen", erwiderte sie, während sie sich gemeinsam auf die Couch setzten. Ihre Mutter stellte unterdessen Noemis Blumenstrauß ins Wasser. Als sie zurückkehrte, hatte Noemi ihren Großvater bereits in ein Gespräch über die neusten Ereignisse im Kindergarten verwickelt. Er hörte ihr gespannt zu und blühte regelrecht dabei auf. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich alles von der Seele geplappert hatte.

„Ich denke, wir werden hier gerade nicht mehr gebraucht", raunte Leticias Mutter ihr nach einiger Zeit zu. „Sollen wir uns schonmal ums Abendessen kümmern?"

Leticia nickte. Noemi war nach wie vor in die Unterhaltung mit ihrem Großalter vertieft.

„Kommst du mit mir schaukeln?"

Wie ein TattooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt