46 | Herz gegen Verstand

267 17 0
                                    

Es wird Zeit für das nächste Kapitel, meine Freunde :D Viel Spaß.

Leticia war überrascht, wie wenig an diesem Nachmittag im Tierpark los war. Gemütlich schlenderten sie durch die Sonne, die inzwischen durch die grauen Wolken gebrochen war. Maxim versteckte seinen Kopf unter der großen Kapuze seines Hoodies und trug Noemi auf seinen Schultern durch den Zoo. Sie hielt sich dabei an seinem Kopf fest und ruinierte das, was er heute Morgen noch zu einer Frisur gestylt hatte. Leticia schmunzelte bei dem niedlichen Anblick, als sie einmal mehr vor einem der Gehege stehenblieben und Noemi die Tiere beobachtete.

Eigentlich war Leticia kein großer Fan von Tierparks, aber für Noemi kam sie trotzdem hin und wieder her. Sie war schließlich noch zu klein, das Leid der Tiere in Gefangenschaft zu verstehen.

„Guck mal, die Giraffe knabbert an den Blättern!", platzte es begeistert aus Noemi heraus.

„Die sind ganz schön groß, oder?", fragte Maxim, der ihre Beine noch immer sicher umklammert hielt. Noemi nickte eifrig.

„Und weißt du, wo die herkommen?", hakte er nach, während Noemi die Giraffen weiterhin mit glänzenden Augen beobachtete.

„Aus Afrika", antwortete sie.

„Genau. Die leben in der Savanne", erzählte Maxim. Noemi runzelte die Stirn.

„Was ist das?"

„Gras und Bäume", erklärte er. Noemi schien wenig begeistert. Leticia grinste schief. Mit einigen Begriffen konnte sie eben noch nichts anfangen, aber Maxim würde nach und nach in seine neue Rolle hineinwachsen. Er trug das Mädchen einige Meter weiter, bis sie das Elefantenhaus erreichten. Vor einigen Tagen war ein Elefantenbaby zur Welt gekommen.

„Kann ich das mit nach Hause nehmen?", wollte Noemi wissen, als sie das Junge fasziniert einige Minuten beobachtet hatte. Maxim schmunzelte.

„Ich denke eher nicht", sagte er trocken.

„Warum?", wollte Noemi wissen. Er legte den Kopf in den Nacken und sah zu ihr auf.

„Wo soll es denn wohnen? In Alisons Kleiderbox?"

„Du kannst sie übrigens auch runterlassen", feixte Leticia. Schließlich war Noemi eigentlich schon viel zu groß dafür, sich herumtragen zu lassen. Doch Maxim schüttelte entschieden den Kopf.

„Ist ein gutes Schultertraining", gab er sich lässig.

Leticia schmunzelte.

„Wohl eher eine gute Entschuldigung, weshalb du mich demnächst wieder um eine Massage bittest."

Maxim warf ihr einen eindeutigen Blick zu.

„Nur, wenn es ein Happy End gibt."

Während Leticia augenblicklich heiß und kalt zugleich wurde, begannen Noemis Augen verzückt zu glänzen.

„Happy Ends sind immer sooooo schön", schwärmte sie verträumt. Es war klar, dass sie die Happy Ends aus ihren Märchenbüchern meinte. Maxim lachte. Leticia schüttelte ungläubig den Kopf.

„Affe", zischte sie.

„Oh ja, Mama, gehen wir jetzt zu den Affen?"

„Guck mal, Zwerg, da vorne sind die Löwen", warf Maxim ein und zog Noemis Aufmerksamkeit auf die majestätischen Wildkatzen. Ihre Augen leuchteten.

„Lass mich runter", forderte sie aufgeregt. Er beugte sich vorsichtig nach unten, um ihrem Wunsch nachzukommen. Dabei zog sie ihm die Kapuze ein wenig vom Kopf und ruinierte seine Frisur noch ein wenig mehr.

Sofort stürmte sie los in Richtung Zaun, während Maxim sich die Schulter rieb und sich einen amüsierten Blick von Leticia erntete.

„Na, doch nicht so cool, die Prinzessin den ganzen Tag wie auf Sänften durch den Zoo zu tragen, was?", grinste sie und rieb über seine Schulter. Noemi hatte inzwischen den Zaun erreicht und schaute fasziniert ins Löwengehege.

„Ich habe noch eine Massage offen", erinnerte er sie mit einem eindeutigen Blick, „Und zwar mit Happy End."

„Noemi, nicht so nah an den Zaun allein", rief Leticia und ignorierte damit Maxims Anspielung erneut. Die Kleine drehte sich um und zeigte auf einen der Löwen mit einer prächtigen Mähne. „Guck mal der Löwe!"

„Das nenn ich mal ein Alphatier. Hat ein Bisschen was von mir, oder?", kommentierte Maxim trocken. „Ja", erwiderte Leticia mindestens genau so nüchtern. „Die gute Frisur."

„Das war echt toll", schwärmte Noemi, als sie am Abend Leticias Wohnung betraten. Sie waren nach dem Zoobesuch noch etwas Essen gefahren, damit Leticia heute nicht mehr kochen musste. Sie hoffte, dass Noemi nach dem turbulenten Besuch im Zoo so müde war, dass sie gleich ohne Theater ins Bett ging.

„Machen wir morgen auch so was Cooles?", wollte sie wissen und musterte Leticia erwartungsvoll.

„Morgen gehst du erstmal in den Kindergarten", antwortete sie entschieden.

„Aber Maxim ist doch da", protestierte sie energisch. Der lächelte.

„Ich fahre morgen früh schon wieder nach Hause, Noemi", gestand er ihr schweren Herzens. Sie seufzte frustriert.

„Schade. Und wann kommst du wieder?"

„Sobald ich kann", versprach er.

„Wann ist das?", wollte sie wissen. Er warf Leticia einen hilfesuchenden Blick zu.

„Das erzählt er uns morgen beim Frühstück. Aber jetzt ist es erstmal Zeit fürs Bett", warf sie entschieden ein. Trotzig drehte sie Maxim den Kopf zu.

„Liest du mir noch vor?"

Maxim warf Leticia einen prüfenden Blick zu. All diese Gefühle, die ihn gerade überwältigten, sammelten sich in seinen Augen, während er die Kleine zu sich heranzog. Leticia schenkte ihm ein bestätigendes Lächeln.

„Klar liest er dir vor", bestätigte sie seine stille Frage.

„Na dann komm", forderte Maxim und schob Noemi vor sich her in Richtung Badezimmer. „Aber erst umziehen und Zähne putzen."

Leticia sah den beiden gerührt hinterher. Maxim gab sich wirklich wahnsinnig viel Mühe mit Noemi und auch sie blühte in seiner Gegenwart regelrecht auf. Sie musste es unbedingt ihren Eltern sagen. Es war sowieso viel zu viel Zeit verstrichen, seit ihr Vater Maxim in ihrer Wohnung unvermittelt begegnet war. Jetzt, wo sie ein offizielles Testergebnis hatten und Maxim sich so um Noemi bemühte, fand sie es wichtig, dass ihre Eltern seine Beziehung zu Noemi richtig einordnen konnten. Sie war sich sicher, dass es ihnen auch in Bezug auf ihre Auswanderungspläne ein besseres Gefühl geben würde.

Lautlos seufzend strich sie sich die Haare nach hinten, als sie realisierte, dass sie noch immer keine Ahnung hatte, wie sie zu einer potenziellen Zukunft in Berlin stand. Dass Maxim sie völlig unerwartet gebeten hatte, näher zu ihm zu ziehen, hatte sie nicht nur überrascht, sondern auch nachdenklich gemacht. Die Vorstellung, dort ein neues Leben zu beginnen, eins, in dem er sich um Noemi kümmerte und ihr den Rücken stärkte, völlig unabhängig von ihrem Beziehungsstatus, gab ihr das Gefühl von Sicherheit. Doch war sie tatsächlich bereit, Hamburg hinter sich zu lassen? Und wie würde Noemi darauf reagieren? War sie schon bereit dazu? Oder war es möglicherweise noch zu früh für eine derart einschneidende Veränderung?

Ratlos sank sie auf die Couch im Wohnzimmer. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als sie Noemi und Maxim gemeinsam im Kinderzimmer herumalbern hörte. Eine wohlige Wärme breitete sich von ihrem Bauch in ihrem gesamten Körper aus. Es war schön, zu sehen, dass sie ihm Unrecht getan hatte, auch, wenn das schlechte Gewissen deshalb noch immer an ihr nagte. Sie war es ihm schuldig, die Dinge geradezurücken, auch mit ihren Eltern und hoffte inständig, dass ihr Vater Maxim anschließend offener gegenüberstand als noch bei ihrem letzten Zusammentreffen.

Puh, also ich finde ja, bevor sie zu ihm zieht, sollten ihre Eltern, und auch Noemi, erstmal wissen, dass Max ihr Vater ist. Oder was sagt ihr?

Wie ein TattooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt