Heute gibts ein kleines bisschen Noemi :) viel spaß
„Und dann durften wir alle unsere Pizza selbst belegen. Das war total cool! Ich hab mir Pilze und Salami drauf gemacht."
So sehr Leticia sich bemühte, sich auf Noemis Erzählungen zu konzentrieren – es wollte ihr nicht so recht gelingen. Ihre Gedanken kreisten noch immer um ihre heutige unerwartete Begegnung mit Maxim.
Inzwischen schämte sie sich dafür, dass sie regelrecht vor ihm geflüchtet war. Dabei hatte sie doch alles in die richtigen Bahnen lenken wollen. Noch während sie darüber nachgedacht hatte, wie sie am besten wieder auf ihn zugehen konnte, hatte er ganz unverhofft plötzlich vor ihr gestanden – und sie hatte vor lauter Aufregung und schlechtem Gewissen kaum ein Wort herausbekommen.
Es war ihr unangenehm gewesen, dass sie ihm nicht einfach hatte sagen können, wie es wirklich war; nicht dort jedenfalls. Dabei hätte sie es ihm am liebsten ins Gesicht geschrien, um sich endlich Erleichterung zu verschaffen und die verfahrene Situation, in die sie ihn gebracht hatte, aufzuklären.
„Die Pizza war soooooo lecker!"
Noemis Geplapper riss Leticia aus ihren Gedanken. Die Kleine stand aufgeregt im Flur. Ihre großen Augen leuchteten, als sie Leticia von ihrem Nachmittag auf dem Geburtstag bei ihrer Freundin aus dem Kindergarten erzählte. Leticia hatte sie vor einer halben Stunde dort abgeholt. Noemi war so aufgekratzt, dass sie einfach nicht mehr aufhörte zu reden. Leticia seufzte lautlos, doch als Noemi sie jetzt so glücklich anstrahlte, musste sie es einfach erwidern. Das Mädchen streifte sich die Turnschuhe von den Füßen und stellte sie ordentlich neben Leticias Schuhe an die Garderobe.
„Und wir durften Cola trinken!", fuhr sie begeistert fort. Leticia seufzte abermals innerlich auf. Ihre Tochter reagierte oft mit Schlafstörungen und Magenschmerzen auf Koffein und zu viel Zucker. Außerdem war Leticia der Meinung, dass sie ihr ungesunde Ernährung gar nicht erst anerziehen musste.
Noemi war immer ein genügsames Mädchen gewesen. Sie hatte nie nach zucker- oder fetthaltigen Speisen verlangt und Leticia hatte immer versucht, sich diese Eigenschaft zu Nutze zu machen. Noemi hatte immer lieber zu einem Stück Apfel oder Mango gegriffen als zu Chips oder Schokolade. Sie war zufrieden damit, wenn Leticia am Abend eine mediterrane Gemüsepfanne auf den Tisch brachte und nörgelte nie, dass sie lieber eine Currywurst essen wollte. Natürlich servierte sie ab und zu mal eine Pizza oder einen selbstgemachten Burger, aber das sollten eben besondere Ausnahmen für besondere Tage sein.
„Können wir an meinem nächsten Geburtstag auch Pizza selbst machen?", fragte Noemi und schaute ihre Mutter erwartungsvoll aus großen Augen an. Leticia schmunzelte. „Mal schauen." „Wann habe ich Geburtstag?", fragte Noemi und legte den Kopf schief. Leticia grinste. „Das dauert noch ein wenig", erwiderte sie und Noemi verzog ihr Gesicht zu einer beleidigten Schnute. Leticia hingegen war ganz froh, dass Noemi erst in ein paar Monaten sechs Jahre alt wurde. Sie wurde einfach viel zu schnell groß.
„Ziehst du dich schon mal um? Es wird Zeit fürs Bett", versuchte sie jetzt versöhnlich ihr Glück, doch Noemi verschränkte die Arme vor ihrer Brust und schüttelte so energisch den Kopf, dass ihr blonder Zopf hin und her flog. „Ich bin aber noch gar nicht müde."
In ihren Augen lag ein freches Funkeln. Leticia seufzte in sich hinein. Cola tat ihrer Tochter tatsächlich nicht gut. Sie war ein liebes Mädchen, doch auf Koffein wurde sie immer ein wenig anstrengend. Leticia hob eine Augenbraue und musterte Noemi skeptisch. „Möchtest du nicht wissen, wie deine Geschichte mit der kleinen Hexe und ihrem Raben weitergeht?"
Es gehörte zum abendlichen Ritual, dass sie ihr jeden Abend vor dem Schlafengehen ein Kapitel aus einem Buch vorlas. Noemi lag dann in ihrem Bett, hörte gespannt zu und bemühte sich, nicht schon während des Vorlesens einzuschlafen.
„Doch!", platzte es aus Noemi heraus, „Das war gestern total spannend!"
Leticia grinste.
„Na siehst du... Je schneller du dich jetzt umziehst, desto schneller erfährst du es."
„Okay", lenkte die Kleine vorfreudig ein, bevor sie in ihr Zimmer am Ende des Flurs flitzte. Leticia schaute ihr grinsend hinterher. Ob Maxim sich genauso sehr in sie verlieben konnte wie sie selbst?
Ein mulmiges Gefühl beschlich sie bei der Vorstellung, wie er wohl reagieren würde, wenn er von seiner Vaterschaft erfuhr. Vorausgesetzt, er würde ihr überhaupt Glauben schenken, würde er sicher wissen wollen, weshalb sie ihm seine Tochter so lang vorenthalten hatte. Da er Leticia nicht einmal wiedererkannt hatte, würde er sich vermutlich auch nicht an ihre gemeinsame Nacht erinnern. Für ihn war sie damals nur eine von vielen gewesen; eine von jenen Frauen, die er nach den Konzerten reihenweise abgeschleppt und flachgelegt hatte; ganz ohne Lust auf Verpflichtungen – erst recht keine, die ein Leben lang bestehen würden. Zu groß war ihre Sorge gewesen, er könnte ihr nicht glauben, sie dennoch zurückweisen, um sich vor seiner Verantwortung zu drücken oder sie gar durch irgendwelche krummen Dinger in Schwierigkeiten bringen. Doch inzwischen machte er den Eindruck, sich weiterentwickelt zu haben und sie hoffte, dass das auch für seine kriminelle Vergangenheit galt. Möglicherweise gab es trotzdem eine Möglichkeit, dass er Teil von Noemis Leben sein wollte, ganz unabhängig davon, wie sich die Dinge zwischen ihnen entwickelten.
Auch, wenn sie sich die letzten Jahre dank der Unterstützung ihrer Eltern weitestgehend allein durchgeschlagen hatte, brauchte Noemi einen Vater. Es war nicht fair, ihr diesen länger vorzuenthalten, jetzt, wo sie ihn nach all den Jahren wiedergesehen und eine Chance darauf hatte, dass sich etwas zu Noemis Gunsten änderte.
„Kommst du, Mama?"
Noemi stand im Türrahmen und musterte Leticia aus ihren großen, strahlend blauen Augen. Leticia schob die quälenden Gedanken zunächst beiseite und brachte ihre Tochter ins Bett. Anschließend würde sie sich damit beschäftigen, wie sie Maxim am besten reinen Wein einschenken konnte.
Ich weiß, es ist nicht sooo viel passiert diesmal, aber mir ging es darum, ein bisschen die Beziehung zwischen Noemi und Leticia zu beleuchten und ihre Gedanken rund um Maxim. Aber ich denke, die nächsten Kapitel entschädigen euch dann dafür :D
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Wie ein Tattoo
Literatura KobiecaHand aufs Herz - wer von uns hat noch nie jemanden belogen oder ihm die Wahrheit verschwiegen, um unberechenbare Folgen zu vermeiden und Unheil abzuwenden? Ist das nicht menschlich? Aber wie würdest Du reagieren, wenn Dich ganz plötzlich Deine Verga...