48 | Fortschritte

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Ihr Lieben, hier gehts weiter mit dem neuen Kapitel :D

„Du hast was?"

Seine Stimme überschlug sich fast, als Maxim verstand, was Leticia gerade gesagt hatte. Eigentlich hatte er sie angerufen, um ihr die versprochenen Informationen zu Noemis mögliche Schulanmeldung mitzuteilen, doch jetzt hatte sie ihm von ihrem Gespräch mit ihren Eltern berichtet und das eigentliche Thema rückte plötzlich ganz weit in den Hintergrund.

„Ich habe ihnen gesagt, dass du Noemis leiblicher Vater bist", wiederholte Leticia, während er das iPhone vor lauter Unruhe so fest an sein Ohr presste, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Er wusste, dass er keinen sonderlich guten Stand bei ihren Eltern hatte. Die Ungewissheit, ob die Wahrheit das Ganze nun verbessert oder gar verschlimmert hatte, bereitete ihm Unbehagen. Gleichzeitig empfand er jedoch auch so etwas wie innere Zufriedenheit darüber, dass das Versteckspiel nun endlich ein Ende fand und sie niemandem mehr etwas vormachten.

„Und wie haben sie reagiert?", fragte er und presste sich tief in den Fahrersitz seines Wagens. Erst, als er ein Stechen in seinem Nacken spürte, fiel ihm seine Sportverletzung wieder ein, die er sich heute beim Boxtraining zugezogen hatte. Die Sekunden, die sie brauchte, um zu antworten, fühlten sich an wie eine quälende Ewigkeit. Unruhig fuhr er sich mit der Hand in den Nacken und rieb sich die schmerzende Stelle.

„Sie wollen dich kennenlernen, noch bevor sie nach Spanien gehen."

„Ernsthaft?", platzte es überrascht aus ihm heraus, während sich ein Lächeln auf seine Lippen schlich.

„Ernsthaft", bestätigte sie.

„Warum hast du dann so lang gezögert?", fragte er mürrisch, während er die Hand aus seinem Nacken nahm und sie ans Lenkrad legte.

„Sie waren enttäuscht, dass ich es ihnen nicht eher gesagt habe. Immerhin ist das Thema schon aufgekommen, als mein Vater dich nachts in meinem Wohnzimmer gesehen hat. Als ich ihm erklärt habe, dass ich zunächst mit dir über alles sprechen wollte, hat er sich auf deine Seite geschlagen und mir Vorwürfe gemacht, weshalb ich nicht direkt Kontakt zu dir gesucht habe, als ich schwanger geworden bin", gestand sie leise. Sie klang wahnsinnig geknickt. Er seufzte lautlos.

„Und was hast du gesagt?", wollte er wissen.

„Was wohl? Ich habe ihm erzählt, dass ich nicht sicher war, weil du früher so viel Dreck am Stecken hattest", kommentierte sie trocken. Seine Augen weiteten sich, während das Blut kochend heiß durch seine Adern schoss.

„Hast du nicht!", platzte es fassungslos aus ihm heraus.

„Selbstverständlich nicht", widersprach sie. „Ich will schließlich, dass sie dir eine faire Chance geben und dich nicht so dämlich verurteilen, wie ich es getan habe."

„Falls es dir damit bessergeht: es fühlt sich scheiße an, dass ich im Ansehen deiner Eltern aufgestiegen bin, nur, weil sie jetzt ein schlechtes Bild von dir haben und ich für sie das Opfer in der Geschichte bin", räumte er ehrlich ein.

„Muss es nicht. Ich bin schließlich selbst schuld daran und nun muss ich das auch wieder geradebiegen", erwiderte sie entschieden.

„Wie geht es Noemi?", wechselte er das Thema, um nicht länger in der frischen Wunde herumzustochern. Schließlich herrschte gerade eine gute Grundstimmung zwischen ihnen und er wollte das nicht kaputtmachen. Als er sich bei dem Gedanken erwischte, schüttelte er über sich selbst den Kopf. Leticia wusste es nicht, aber sie machte wirklich einen anderen Menschen aus ihm; zumindest manchmal.

„Sie schläft endlich", antwortete Leticia, scheinbar dankbar über seinen Themensprung.

„Es macht ihr ziemlich zu schaffen, dass deine Eltern bald auswandern, oder?", hakte er nach und fuhr sich mit der flachen Hand durchs Gesicht. Leticia seufzte leise.

„Ja, sie ist ziemlich traurig", antwortete sie. Der Geräuschkulisse im Hintergrund nach räumte sie gerade ein paar Gläser in den Küchenschrank. „Ich habe ihr also vorerst nicht gesagt, dass es möglicherweise nicht die einzige große Veränderung ist, die demnächst ansteht."

„Wenn das für sie zu viel ist, können wir auch noch warten...", schlug Maxim vor.

„Ich bin einfach unsicher, Maxim. Ich will sie nicht in Hamburg einschulen und sie dann ein paar Wochen später aus einem sozialen Umfeld reißen, in dem sie sich gerade erst zurechtgefunden und möglicherweise sogar schon erste Freundschaften geknüpft hat. Ich muss eine Entscheidung treffen. Da komme ich nicht drum herum."

„Und wenn du sie erstmal fragst, was sie davon halten würde, in meine Nähe zu ziehen?", machte er einen weiteren Vorschlag.

„Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Wir könnten das ja auch zusammen machen", schlug sie bemüht diplomatisch vor.

„In meinem Beisein?", fragte er überrascht.

„Warum nicht? Es geht schließlich auch um dich, auch, wenn sie das noch nicht weiß."

Er lächelte.

„Ich weiß dein Entgegenkommen zu schätzen, aber ich will nicht, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlt oder in meiner Gegenwart nicht das sagt, was sie wirklich denkt."

„Hmm", machte Leticia nachdenklich.

„Was hältst du davon, wenn ich am Wochenende nochmal vorbeikomme, wir deinen Eltern einen Besuch abstatten und einfach mal sehen, wie es läuft? Eine Entscheidung hast du ja sowieso noch nicht getroffen...", sagte er schließlich.

„Okay, ich organisiere das Treffen mit meinen Eltern."

Sie klang so hoffnungsvoll, dass selbst ihm das Herz aufging. Es schien, als würde sie Licht am Ende des vor ein paar Wochen noch so dunklen Tunnels sehen.

„Klingt gut", sagte er, dann warf er einen flüchtigen Blick auf die Uhr. Er war längst zu spät dran. „Ich muss jetzt auflegen. Die Jungs warten im Studio auf mich", ergänzte er, während das schlechte Gewissen langsam, aber sicher in ihm hochkroch und sein Magen sich unheilvoll zusammenzog.

„Kein Problem. Wir telefonieren einfach die Tage nochmal", lenkte Leticia ein.

„Gib Noemi einen Kuss von mir", lächelte er bei dem Gedanken daran, wie gut es sich anfühlte, seiner Tochter ins Gesicht zu schauen und sie strahlen zu sehen. Als er aufgelegt hatte, ließ er das Smartphone in seinen Schoß sinken und seinen Kopf gegen die Kopfstütze fallen, schloss die Augen und atmete tief durch. Er hoffte inständig, dass sich bald alles zum Guten wenden würde und er weder Noemi, noch Leticia länger vermissen musste.

Das Klingeln seines Smartphones riss ihn aus seinen Gedanken. Er wischte sich übers Gesicht, dann schaute er aufs Display. Auch ohne hinzusehen, wusste er bereits, wer ihn zu erreichen versuchte. Schwerfällig nahm er den Anruf entgegen und startete gleichzeitig den Motor des Wagens. Er wusste, dass er um diese Sache nicht herumkam, so sehr er es sich in diesem Moment auch wünschte. Es gab Dinge, die er nicht hinter sich lassen konnte, ganz egal, wie lang sie bereits zurücklagen.

„Ich bin unterwegs", sagte er ohne Umschweife, ehe er das Telefonat abrupt wieder beendete und den Wagen wendete. Ein unheilvolles Gefühl beschlich ihn, als er Gas gab und durch die Dunkelheit davonbrauste.

Endlich gehts ein bisschen bergauf, würde man meinen. Aber dann bekommt er seltsame Anrufe... Klang ja jetzt nicht so, als würde er sich darüber freuen :/ Oder was meint ihr?

Wie ein TattooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt