2 Wieder da

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Endlich! 5 Uhr, der Wecker! Tom hatte nicht viel geschlafen. Langsam kämpfte sich die Sonne aus dem Dunst über dem Wald. Es war kalt geworden in dieser Nacht, viel zu kalt für Juli. Im Tal lagen grauwattige Nebelschwaden über den Wiesen. Wie ein Schlafwandler machte er sich bereit für die Reise nach Athen.

Die zwei Stunden Fahrt zum Flughafen kamen ihm wie eine Ewigkeit vor. Wie ein Roboter brachte er die Kontrollen hinter sich. Erst als der Flieger – ein „richtiges" Flugzeug diesmal, eine Boeing 727 – die graue Wolkendecke durchbrach und sich das endlose Meer aus nun weißer Watte unter ihm ausbreitete, war Tom auf einen Schlag hellwach. Sechs Wochen lagen vor ihm, und er hatte keine Pläne. Nur Vorfreude. Und ein Kribbeln im Bauch.

Die ersten Sonnenstrahlen weckten Nikos aus einem tiefen Schlaf. Das Feldbett auf der Terrasse in Agios Andreas war der kühlste Ort, ideal zum Schlafen. Er reckte und streckte sich, rannte zum Wasser hinunter und tauchte in das lauwarme Nass. Er schwamm mit sich selbst um die Wette, und gewann. Noch ein paar Stunden, und sie würden wieder komplett sein. Georgios, Sophia, Nikos und Tom. Aber es würde nichts mehr so sein wie vor einem Jahr.

Kaum war ihr Vater aus dem Haus, da weckte Sophia ihren Bruder. Wenig später waren die beiden auf dem Weg von Piräus nach Athen. Bildung stand an: Nationalmuseum. Glaubte jedenfalls ihr Vater. Natürlich würden sie rechtzeitig am Flughafen sein. Fast ein Jahr und fast fünfzig Briefe waren vergangen, und doch erschien es ihr wie gestern, wenn sie an ihren letzten Kuss dachte. Und was sollte wohl Toms Überraschung sein?

Ein britischer Militärlaster stoppte an der Einfahrt zu dem kleinen Zollhafen von Limassol auf Zypern. Der einzige Soldat, ein Feldwebel auf dem Beifahrersitz, hielt dem zypriotischen Beamten ein Papier unter die Nase, woraufhin dieser den Lastwagen passieren ließ. An einem Schuppen im abgeriegelten englischen Teil des Hafens luden 5 Zivilisten 48 Holzkisten aus und stapelten sie an der linken Wand. Dann schleppten sie dieselbe Anzahl gleich aussehender Kisten hinaus und luden sie auf. Beim Verlassen des Hafens winkte der Feldwebel dem Zöllner zu, der vor sich hin grummelte, „Maschinenteile. Für wie dumm halten die mich eigentlich?"

Im großen Bogen glitt das Flugzeug über das Häusermeer, drehte Richtung Meer, dann wieder Richtung Küste und sank langsam. Wasser, Strand, Häuser, braunes Ödland und dann das ersehnte Rumpeln. Gelandet!

„Da ist er!" Alle drei starrten auf die Condor-Maschine, die die Landebahn heraufgeschossen kam, langsamer wurde, am Ende drehte und in ihre Parkposition gelotst wurde. Die beiden Treppen mit den sechs nicht-olympischen Ringen wurden an das Flugzeug bugsiert, und schon krabbelten die Ameisen aus dem Alubau. So sehr sie sich bemühten, Tom war nicht zu erkennen. Ein Fernglas hätte vielleicht geholfen.

Tom musste blinzeln. Die Sonne überfiel ihn geradezu, als er ins Freie trat. Hunderte drängten sich um den Ausgang, sodass er keine Gelegenheit hatte, seine Sonnenbrille aus der Adidas-Tasche zu nehmen. Mit dem zähflüssigen Strom der Ankommenden trieb er voran, bis er links von sich die schönste Stimme der Welt hörte:

„Tom, hier, hier!"

Schubsend löste er sich aus der Menge und sprintete los. Küssen, Boxen, Umarmen, Lachen, Weinen.

Endlich!

Zur gleichen Zeit trafen sich die beiden alten Männer in einer Mietwohnung in der Mavromichali.

„Du meinst wirklich, wir können einen 16-jährigen Deutschen nach Kreta schicken? Mir ist schon klar, wir haben kaum eine andere Option, aber kennst Du ihn wirklich so gut? Er hat noch nie für uns gearbeitet. Wenn wenigstens Nikos dabei wäre..."

„Nikos brauchen wir hier, das weißt Du doch. Ich kenne Tom. Wir können uns auf ihn verlassen. Er hat mir seine Hilfe angeboten, im letzten Jahr. Nikos sagt, er brennt immer noch darauf, bei uns mitzumachen."

Die richtigen Leute Band 2: Die Insel der SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt