39 Gefangen im Felsverlies

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Still lag das Wasser in der Bucht vor Jannis' Haus. Die Sonne ging eben auf. Kein Lüftchen regte sich. Randy, Jürgen und Philipos verbrachten unruhige Stunden auf ihren Decken im Garten. Besonders viel Schlaf bekam keiner von ihnen.

Um sechs Uhr erklärten sie die Nacht für beendet und schwammen zehn Minuten in dem lauwarmen Wasser. Nikos brachte Kaffee und Marmeladenbrote auf die Terrasse. Gemeinsam gingen sie ihren Plan noch einmal durch. Jürgen fiel eine Frage ein:

„Nikos, hast Du eine Ahnung, welche Sprachen der Mann spricht?"

„Ich glaube, Du kannst Dich mit ihm auf Deutsch unterhalten, aber genau weiß ich das nicht. Ihr müsst ja auch nur so tun, als ob Ihr redet."

Als sie in Piräus ankamen, begannen auf Leros Martin und Sandy ihre letzte Mission. Sie wollten zunächst ein „erlaubtes" Haus begutachten, dann zwei, die knapp außerhalb ihres Gebietes lagen. Wenn sie bis dahin niemand aufhielt, wollten sie die Ruine mit dem Tunneleingang als letztes aufsuchen, danach in das schraffierte Gebiet zurückkehren und zum Schein dort noch ein oder zwei Häuser kartieren.

Nikos hielt sich in Hörweite des Telefons. Als es gegen neun Uhr klingelte, raste er ins Haus. Es war Basilis:

„Hallo Nikos, alles okay bei Euch?"

„Frag mich das morgen Mittag," gab Nikos zurück. Basilis merkte, dass sein Gegenüber nicht in Plauderlaune war:

„Ganz kurz nur. Ich habe Post von der Insel bekommen. Die zwei sind angekommen. Sie haben ihren Freund in den Flieger gesetzt und ihm nachgewunken. Sie werden sich mal wieder melden."

„Danke für die gute Nachricht. Könnte mehr davon vertragen."

„Hey, schwer was los bei Euch, oder? Grüß mir die anderen, und viel Glück."

Randy fand in der Straße, die Nikos ihm gezeigt hatte, tatsächlich einen Parkplatz vor einem Lagerhaus. Jürgen und Phil stiegen aus und verschwanden in entgegengesetzte Richtungen. Der Australier verschloss den Wagen und suchte sich ein Café in der Nähe, um nicht die ganze Zeit im Auto zu sitzen. Das wäre zu auffällig gewesen.

Gegen halb zehn trafen sich Jürgen und Phil am Kai, und das war keine Minute zu früh, denn das Schiff legte gerade an. Wahrscheinlich standen die Winde günstig, meinte Jürgen. Eine kurze Gangway wurde heruntergelassen, um die wenigen Meter zwischen einem Loch im Schiffsbauch und der Kaimauer zu überbrücken, und schon kamen die ersten Passagiere an Land. Unkontrolliert, wie Jürgen und Phil erleichtert registrierten. Jürgen reckte sein Schild in die Höhe, und Phil versteckte sich hinter einer sehr schwarzen Sonnenbrille.

Tom fühlte sich in dem Institutshaus wie eingesperrt. Die Haushälterin arbeitete in der Küche. Er ging in den Hof, rauchte eine Zigarette und überlegte, wie er die Wartezeit sinnvoll nutzen könnte. Sein Tagebuch fiel ihm ein, das er in Athen gelassen hatte. Vieles, das dort stand, durfte nicht in falsche Hände geraten. Er nahm sich einige Briefbögen des Instituts und begann zu schreiben.

Seine Tagebucheinträge waren inzwischen – im Gegensatz zu Daves – sehr ausführlich. Schon mit den beiden Tagen auf Leros füllte er drei Seiten. Dann schrieb er über die vergangenen Wochen. Die reinen Fakten standen im Tagebuch, aber manches konnte er aus der Distanz besser, klarer sehen. Das Thema „Beziehungen" blieb allerdings auch hier im Dunkeln. Er schrieb Seite um Seite, bis ihn die Haushälterin ans Telefon rief.

Ein junger Mann, der definitiv eher griechisch als deutsch aussah, kam auf Jürgen zu und sprach ihn an:

„Entschuldigung, sprechen Sie Deutsch?"

„Ja, was kann ich für Sie tun?"

„Mich nach Hause bringen," sagte der Mann leise.

„Links von Dir steht ein Junge, der geht jetzt los," sagte Jürgen und nickte dreimal. „Folge ihm. Wir sehen uns später."

Die richtigen Leute Band 2: Die Insel der SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt