Sandy und Manos schlenderten mit Georgios durch die Plaka. Sie begutachteten das Angebot an Nachbildungen antiker Figuren, mit denen hier den Touristen das Geld aus der Tasche gezogen wurde. Georgios hätte Manos' Urteil nicht übersetzen müssen, der Ton machte die Musik:
„Das ist doch alles Müll. Mit Gips verputzt man Wände, aber man macht keine Figuren. Die sind in ein paar Minuten fertig, und dann sollen sie so viel kosten."
Die wenigen Statuen aus Marmor, die es zu sehen gab, fand er lieblos und seelenlos, so schnell wie möglich mit allerlei maschineller Hilfe gefertigt.
Georgios führte sie in die Ermou, eine der teuersten Einkaufsstraßen Athens, wo sich ein Luxusladen an den anderen reihte. Ein großes, helles Geschäft bot hochwertige Kunstgegenstände an. Manos bewunderte die ausgestellten Stücke. Hier wollte er sein Glück versuchen.
Der Geschäftsinhaber, ein älterer Herr im blauen Anzug, fragte die jungen, etwas abenteuerlich aussehenden Männer kurz angebunden nach ihrem Anliegen. Sicher hatten sie sich in sein Geschäft verlaufen; sie sahen seinen Kunden nicht im Ansatz ähnlich. Georgios tuschelte mit Manos, und der wickelte seine Figuren, eine nach der anderen, vorsichtig aus den weichen Lappen. Wortlos stellte er sie auf die gläserne Theke.
Der Mann stutzte, dann nahm er eine riesige Lupe mit einem Elfenbeingriff aus der Schublade und begutachtete die Kunstwerke genau. Böse blickte er vom einen zum anderen:
„Wo habt Ihr die denn geklaut?"
Manos antwortete leise und sehr schüchtern:
„Die habe ich nicht geklaut. Die habe ich alle selbst gemacht. Ich suche einen ehrlichen Händler, der sie für mich verkauft. Ich habe noch ein paar mehr."
Der Dialekt verriet dem Ladenbesitzer die dörfliche Herkunft des jungen Mannes. Er wusste, dass er die Wahrheit sagte.
„Kommt mal in mein Büro," lud er sie ein, besprach sich mit einem Mitarbeiter und ging voran. Er witterte ein gutes Geschäft, ein sehr gutes.
Sie saßen auf Polsterstühlen um einen antiken, glänzend polierten Holztisch. Ein Junge in Georgios' Alter brachte ihnen Kaffee und Wasser. Sandy ergriff das Wort, er hatte die Dollarzeichen in den Augen ihres Gegenübers wohl bemerkt:
„Ich komme aus Australien und bin Kunsthistoriker. Mein Freund Manos hier hat hunderte solche Figuren gemacht, auch viel größere, alle aus Marmor, alles mit der Hand. Es gibt ganze Schachspiele aus weißem und schwarzem Marmor, die Figuren sind griechische Götter. Wir suchen einen Händler, der seine Werke verkauft, zu fairen Bedingungen. Wir werden die Sachen nicht verscherbeln."
Der Geschäftsmann verstand sein Englisch gut, und er verstand auch den Sinn seiner Worte sehr genau. Wenn er sich diesen Ausnahmekünstler sichern wollte, musste er vorsichtig agieren.
„Als Kunsthistoriker weißt Du, was diese Sachen wert sind, ich will nicht drumherum reden. Dieser kleine Poseidon-Teufel, zum Beispiel, kann 300 Dollar bringen, die kleine Athene mindestens 200. Das sind keine billigen Repliken, das ist Kunst. Ich mache Euch ein großzügiges Angebot. Wir legen immer zusammen den Verkaufspreis fest, Ihr bekommt die eine Hälfte, ich die andere."
Sandy gefiel seine Manager-Rolle, und er wusste inzwischen genug über Griechenland, um das verlockend klingende Angebot entrüstet zurückzuweisen. Obwohl er Englisch zu Manos sprach, verstand der ihn:
„Pack die Sachen ein. Er will uns über den Tisch ziehen."
Manos wickelte das Teufelchen ein. Der Händler stoppte ihn:
„Entschuldige bitte, aber ich musste es versuchen. Ihr bekommt zwei Drittel, ich eins. Zahlbar immer, wenn etwas verkauft ist. Und diese Stücke behalte ich sofort hier. Ihr dürft aber nicht bei meiner Konkurrenz verkaufen, nur bei mir. Exklusivvertrag!"
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Die richtigen Leute Band 2: Die Insel der Schreie
Teen FictionEin Jahr ist vergangen, seit Tom in Griechenland Menschen kennenlernte, die zugleich Opfer und Widerstandskämpfer der Militärdiktatur waren, seit er von der Geheimpolizei verhört und bedroht wurde, seit er neue Freunde fand und seit er Sophia ein Ve...