19 80.000 Dollar, was ist das schon?

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Tom befand sich auf einem schweren Gang. Mit Dave stieg er auf der Suche nach einer Apotheke die Treppen zur Innenstadt hinunter. Kurz vor dem Omonia-Platz fand er eine. Hoffentlich sprach man irgendeine Sprache, die er kannte. Leider nicht. Zum Glück war er inzwischen geschult in der Sprache der Sprachlosen, und so deutete er mit den Händen eine mächtige Wölbung vor seinem Bauch an, quäkte wie ein Baby und sagte „Baby, ochj." Der Apotheker sah ihn mitleidig an, doch dann hellte sich sein Gesicht auf, und lachend teilte er den anderen Verkäufern und den anwesenden gefühlten 2000 Kunden mit:

„Profilaktiko! Profilaktiko!"

„Auf das Wort hätte man eigentlich kommen können," dachte Tom. Der Weißkittel holte ein Kondom aus der Schublade und hielt es ihm hin. Tom nickte auf griechische Art und sagte:

„Deka, parakalo!"

Er bezahlte die Zehnerpackung, kalkulierte im Kopf den Wert der Investition, indem er die Unterhaltskosten eines Babys überschlug und lobte seine ökonomische Vernunft. Vor der Apotheke gab Dave jedoch zu bedenken:

„Ob die wirklich reichen?"

Wieder trat die Rechenmaschine in Toms Kopf in Aktion. Er machte auf dem Absatz kehrt und orderte bei demselben Apotheker eine weitere Packung. Eine Woche war schließlich eine lange Zeit. Leider verstand er die gut gemeinten Ratschläge einiger Apothekenbesucher nicht, aber sie hörten sich allesamt ziemlich hilfreich an.

Die weiteren Einkäufe verliefen eher unspektakulär, sodass er vor dem vereinbarten Termin in Jannis' Werkstatt war. Tom staunte nicht schlecht. Er hatte sich einen Schuppen mit einem kleinen Platz mehr oder minder gebrauchter Wagen vorgestellt, wie es sie in den Athener Vororten reihenweise gab. Der Betrieb war deutlich größer. Die Werkstatt bestand aus drei Hallen mit Hebebühnen, in denen Mechaniker arbeiteten. Auf dem großen Platz an einer viel befahrenen Ausfallstraße nach Nordosten standen drei Kategorien von Autos: Ganz vorne 6 chromblitzende amerikanische Straßenkreuzer, dann etwa 40 ordentliche deutsche und französische Fabrikate, und hinten ein dutzend Rostlauben für den kleinen Geldbeutel.

Nikos verriet ihm, dass die US-Schlitten ausschließlich dazu dienen sollten, das Geld für seinen Freikauf vom Militärdienst zusammenzubekommen, sollte er nicht als Student sowieso zurückgestellt werden. Ein Konsularbeamter der US-Botschaft betrieb einen schwunghaften Handel mit den Fahrzeugen, die er unter Umgehung des höllisch hohen Einfuhrzolls exklusiv an Jannis und zwei weitere Händler verkaufte. Die Autos waren als Taxis sehr beliebt, sodass Jannis sich unter anderem auf den Umbau spezialisiert hatte.

Um Punkt 3 kamen die beiden Männer wieder. Tom und Nikos setzten sich mit ihnen ins Chefbüro, das von draußen nicht einsehbar war. Jannis brachte ihnen Kaffee und Wasser und ließ sie allein. Die Männer schilderten den Jungen den Ablauf ihrer Mission. Sie sollten mit dem Bus nach Thessaloniki fahren und dort übernachten. Dann würden sie ein geländegängiges Motorrad bekommen, ein Modell, das Nikos schon ausprobiert hatte. In Kastoria nahe der jugoslawischen Grenze sollten sie einen Kontaktmann treffen und übernachten, am nächsten Tag über kleine Wege etwa 70 km in die Berge fahren und dort in einem Bauernhof die Papiere übergeben, die Tom aus Kreta mitgebracht hatte. Sie würden im Gegenzug Geld bekommen, noch einmal in Kastoria übernachten und am nächsten Morgen nach Thessaloniki zurückfahren, um Geld und Motorrad abzugeben.

Das hörte sich nicht sehr spektakulär an. Tom fragte sich, wo der Haken war. Es gab drei. Zum einen kam es auf den Wegen nach Kastoria immer wieder zu Überfällen. Eine Bande hielt Autos an und raubte die Fahrer aus. Weder die Papiere noch das Geld durften Räubern in die Hände fallen.

„Sind diese Banditen denn bewaffnet?" fragte Tom.

„Mit Knüppeln oder Messern. Sie blockieren die Straße, zwingen ein Auto anzuhalten und drohen dem Fahrer Schläge an."

Die richtigen Leute Band 2: Die Insel der SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt