6 Ein ganz normaler Strandtag

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Gegen 11 Uhr trafen sechs ausgeschlafene junge Männer am Omoniaplatz ein, vier in braunen Khakis, zwei in hellbraunen Leinenhosen und alle in weißen Unterhemden. Sie wurden von den vier Deutschen schon erwartet.

„Schön, dass Ihr's geschafft habt. Übrigens haben wir auch alle Namen," sagte Tom und stellte sich und die anderen vor – sie hatten das am gestrigen Tag einfach vergessen. Dann waren die Deutschen an der Reihe.

Heike, ein 17-jähriges, sportliches, blondes Mädchen und ihr ein Jahr jüngerer Bruder Martin, ein nachdenklich wirkender, drahtiger Junge mit leicht gelockten braunen Haaren, wohnten in einem Dorf bei Nürnberg. Ihr Vater war Lehrer (Latein, Geschichte) am selben Nürnberger Gymnasium wie Monikas Vater (Deutsch, Geschichte, Religion), das alle vier besuchten. Sie war die jüngste und kleinste, hatte rote Haare und Sommersprossen sowie eine sehr hohe Stimme, die sie ziemlich gerne hörte, weswegen sie nur selten still war. Ihr Bruder Jürgen war fast so groß wie Nikos und sah mit seinen dunklen Haaren und dem Flaum über der Lippe älter aus. Die beiden deutschen Jungen trugen kurze, dunkelblaue Sporthosen mit Streifen an der Seite und hellblaue Polos, die Mädchen hatten sich mit weißen Faltenröckchen und weißen Blusen wie für einen Besuch auf dem Tennisplatz kostümiert.

Lärmend und lachend machte sich die auf 10 angewachsene Gruppe in Piräus auf den Weg von der U-Bahn zum Fähranleger. Sophia staunte, als sie ihren Freund inmitten der großen, fröhlichen Gruppe ausmachte. Sie winkte ihm zu. Tom fiel ein, dass Sandy etwas wusste, das sie nicht unbedingt erfahren sollte. Zum Glück hatte er einen Geistesblitz, nahm den Australier an der Hand und rannte zu ihr.

„Sandy, darf ich Dir meine Freundin Sophia vorstellen? Sophia, das ist Sandy, du hast ihn ja schon mal gesehen."

Er umarmte Sophia und küsste sie. Sandy stand mit offenem Mund daneben, und als sie ihren ausufernden Begrüßungskuss beendeten, sagte er trocken:

„Hi, Sophia. Ich freue mich sehr, Dich zu sehen."

„Hi, Sandy, ich bin Georgios und passe auf meine Schwester auf, also fass sie bloß nicht an, rate ich Dir."

„Kleiner Bruder, Du bist wirklich groß geworden in dem Jahr," versetzte Tom und knuffte ihn

Die anderen waren nun auch da, und in dem Begrüßungs- und Vorstellungstrubel knatterten drei Mopeds heran, denn Nikos hatte Spiros und Michael kurzentschlossen mitgebracht.

„Hoffentlich haben sie auf der Fähre noch genug Platz für uns," sagte Sophia zu Tom. Sie hatten sich ein paar Meter aus dem schnatternden Pulk zurückgezogen. „Ich habe übrigens auch noch eine kleine Überraschung, guck mal." Sie zeigte auf eine hellbraune Leinentasche, in der eine Gitarre steckte. „Ich nehme die immer auf unsere Klettertouren mit. Inzwischen kann ich sogar ein bisschen spielen."

Tom war begeistert. Sie hatten schließlich am Vortag im Theater und im Bus bewiesen, dass einige Musik in ihnen steckte, nun war der „Chor" doppelt so groß, und ein Instrument gab es auch.

Das untere Deck des Schiffs wurde von einem großen Raum mit Tischen und Stühlen und einer Bar an der Stirnwand eingenommen, während das obere mit einfachen Holzbänken ausgestattet und nur mit einem Segeltuch überspannt war. Sie liefen auf dem Sonnendeck ganz nach vorn, in der Mitte Tom und Sophia, die sich Arm in Arm gegen den Fahrtwind stemmten. Aus dem richtigen Winkel gefilmt und mit Schmalzmusik unterlegt, könnte das ein Film-Highlight sein, dachte Tom. Mangels störender Eisberge waren sie nach kurzer Überfahrt am Ziel.

An dem Strand, den er aus dem vergangenen Jahr kannte, waren auch diesmal nur Jugendliche. Ein paar Jungen spielten Fußball, und über die weite Bucht verteilt lagen oder saßen einige Grüppchen im Sand. Georgios sprach mit Alexandros, einem der Inseljungen, und schnell war man sich einig, zwei neue Mannschaften zu bilden und zusammen Fußball zu spielen. Georgios und Alexandros riefen abwechselnd Spieler zu sich, und alle außer Tom reihten sich ein.

Die richtigen Leute Band 2: Die Insel der SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt