Aris und Bernd hatten sich über Nacht angefreundet; das gemeinsame Schicksal verband sie. Sie beobachteten, wie ab halb zwölf aus allen Richtungen fröhliche Jugendliche herbeikamen, wie sie sich um den Hals fielen, sich küssten, lachten. Nikos stellte sie der Reihe nach allen vor. Als Sophia, natürlich an der Seite von Tom, an der Reihe war, sagte Bernd auf Griechisch zu ihr:
„Du bist also Sophia, Tom erzählt pausenlos von Dir, und ich kann sehen, warum. Du bist wirklich wunderschön."
Georgios schlüpfte wie schon häufiger in seine Aufpasserrolle und antwortete an Sophias Stelle, ebenfalls auf Griechisch:
„Und ich bin der böse Bruder, Georgios, freut mich. Meine Schwester ist Toms Sophia, dass das klar ist. Lass bloß Deine Finger von ihr."
Tom hatte ihn trotzdem verstanden:
„Danke, Schwager, dass Du auf meine Freundin aufpasst."
„Das mache ich doch immer," grinste ihn Georgios an.
Der Tavernenwirt begrüßte sie wie sehr gute alte Bekannte, und seine Freude steigerte sich, als Nikos ihm sagte, sie würden dieses Mal jeden Abend bei ihm essen. Er erhöhte die Teilnehmerzahl der Abschiedsparty auf 60, und der Wirt versprach, genügend Essen bereitzuhalten.
An ihrem angestammten Campingplatz hielt Nikos seine obligatorische Rede, die von Georgios ins Griechische übersetzt wurde, denn auch Manos' ehemalige Kollegen waren schon angereist. Manos freute sich riesig, dass sie sich Urlaub genommen hatten. Bernd und Aris staunten, wie innerhalb von zwei Stunden das Lager inklusive Toiletten fertiggestellt, Feuerholz gesammelt und das Boot ins Wasser bugsiert wurde. Sie wurden Zeugen, wie zwei dutzend nackte Jungen ins Wasser tobten und schlossen sich umgehend an. Als sie sich am Strand abtrockneten, meinte Bernd:
„Macht schon Spaß mit denen, oder?" Aris nickte nur.
Bevor sie zum Essen aufbrachen, ergriff Spiros das Wort:
„Ab morgen früh wird wieder trainiert. Einige sehen mir ganz schön schlapp aus. Das werden wir ändern. Und dann noch eine wichtige Sache: Ihr wisst ja, dass Martin und ich noch eine Revanche offen haben, so wie Tom und Philipos. Die Kämpfe werden morgen ausgetragen, aber ich sage von vornherein, dass der Titel des Strandkönigs bei Martin bleibt. Ich werde ihn nicht annehmen, auch wenn ich gewinnen sollte, wovon ich ausgehe. Er kann besser singen und Gitarre spielen, und er ist so mutig wie sonst nur Tom, Nikos, Dave und Sandy."
Alle applaudierten stürmisch, sie gaben ihm recht. Martin fühlte sich geschmeichelt. Er hatte wie die meisten Jungen einen freien Oberkörper und trug die Muschelkette mit Stolz und Grazie.
Der Wirt hatte sich alle Mühe gegeben, seinen Gästen ein leckeres Mahl zu bereiten. Er hatte eine Hammelkeule gebacken, Spinat und Nudeln gekocht, und seine Frau hatte aus Früchten eine Soße gezaubert, die sie mit Vanilleeis servierte.
So gut das Essen war, es zog die Gesellschaft zum Camp. Die Australier entfachten das Feuer, und endlich konnten die Musiker wieder zusammen spielen. Nikos und Manos bastelten lustige Zigaretten. Die Stimmung war so ausgelassen wie in den unbeschwerten Zeiten, als sie hier die Grundlage ihrer Freundschaft legten. Aris und Bernd gehörten schon dazu. Gesungen, getanzt, Spaß gehabt hatten beide sehr lange nicht.
Die Musiker genossen es, ohne Publikum zu spielen, denn so konnten sie all die Stücke laut und ohne Furcht singen, die sie sonst nur instrumental darboten. Sie hatten mehrmals diskutiert, ob das Sinn machte, denn auch dafür hätten sie natürlich verhaftet werden können. Sophia meinte:
„Wenn die Leute die Musik hören, haben sie den Text automatisch im Kopf. Keiner singt, aber alle denken die Worte. Ich glaube, das ist noch effektvoller, das erinnert sie noch viel mehr daran, dass sie etwas Verbotenes tun."
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Die richtigen Leute Band 2: Die Insel der Schreie
Teen FictionEin Jahr ist vergangen, seit Tom in Griechenland Menschen kennenlernte, die zugleich Opfer und Widerstandskämpfer der Militärdiktatur waren, seit er von der Geheimpolizei verhört und bedroht wurde, seit er neue Freunde fand und seit er Sophia ein Ve...