18 Der Admiral und seine Kinder

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Am nächsten Tag wurde es voll auf Jannis' Grundstück. Nach und nach trudelten alle ein, zuerst Sophia mit Gefolge, dann Tom, Dave und die Australier, die vier Deutschen, und schließlich auch Spiros und Michael. Nikos ging ins Haus und kam mit einem adretten, großgewachsenen, dünnen Mann zurück, bei dessen Anblick Monika von einem Weinkrampf geschüttelt wurde.

Andreas wunderte sich. Hatte er dem Mädchen etwas getan? Wenig später verstand er, dass sie Freudentränen vergoss, und es kostete ihn viel Mühe, das deutsche Mädchen auf Distanz zu halten. Er hätte Nikos' Vorwarnung besser ernst genommen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als mit ihr ins Haus zu gehen und ihr möglichst schonend beizubringen, dass er sie mochte, aber eben auch nicht mehr als das. Als sie später wieder zu den anderen stießen, war Monika zum ersten Mal seit Langem still.

Es wurde ein bunter Tag, mit Wasserski, Musik, Tanz und Gelächter. Die Kreta-Ausflügler wurden mit Fragen gelöchert, und während sie erzählten, wurde ihnen erst wirklich bewusst, was in den letzten Tagen alles passiert war. Andreas musste immer wieder von seiner Befreiung berichten. Monika wich trotz allem nicht von seiner Seite. Einige Liebespaare erkundeten die Olivenhaine rund um den Ort, nur Manny war ein wenig verstimmt, weil Sandy unbedingt immer dann ins Wasser wollte, wenn er gerne auch die Olivenbäume besucht hätte.

Die Pläne für den Euböa-Trip nahmen Gestalt an. Nikos konnte genug Zeltplanen besorgen, Einkaufslisten für Lebensmittel wurden erstellt, und Sandy willigte ein, ein Auto zu mieten, um Proviant, Material und Menschen, die kein Motorrad zur Verfügung hatten, zu transportieren.

Tom, Dave und die Australier ließen den Urlaubstag mit einem Schlückchen Ouzo auf der Dachterrasse ausklingen – an dieses Getränk konnte man sich gewöhnen, fanden sie. Man musste nur rechtzeitig aufhören. Die Rache des Anisschnapses am nächsten Morgen konnte fürchterlich sein. Das hatten Sandy und seine Begleiter unter Schmerzen an Kopf und Gliedern nach ihrer ersten Nacht in Rethymnon gelernt.

Tom neigte eigentlich nicht zum Angeben, aber die Pointe des Abends konnte er sich dann doch nicht entgehen lassen. Erst auf dem Weg zu ihren Zimmern erwähnte er ganz beiläufig, er hätte am nächsten Tag um 12 ein Treffen mit einem Admiral. Diese Mitteilung wurde umso sensationeller, je mehr Fragen er nicht beantwortete. Weil er sie nicht beantworten konnte.

Auch beim Frühstück am nächsten Morgen konnte (die Australier meinten allerdings: wollte) er keine Auskunft geben. Hätte er zugeben sollen, dass er sich fast so fühlte, als sei er bei der Geheimpolizei zum Verhör geladen? Obwohl Christina und der Alte Mann ihn ermuntert hatten, zweifelte er bis zuletzt, ob er wirklich an diese Tür klopfen sollte, um es dann natürlich doch zu tun. Wie meistens siegte die Neugier.

Der großgewachsene, etwa 45-jährige Mann, der ihm öffnete, hatte ein schon leicht faltiges, aber freundliches Gesicht mit wachen, schwarzen Augen. Er trug eine dunkelblaue Uniform, die mit kleinen Orden übersät war. Verschmitzt meinte er:

„Komm rein, Glücksbringer. Ich habe gerade eine Wette gewonnen. Meine Frau war felsenfest überzeugt, Du würdest nicht kommen. Ich hatte da nie einen Zweifel, nach allem, was ich von Dir gehört habe."

Er führte Tom durch ein großes Wohnzimmer mit einem dunklen Steinboden auf die Terrasse hinter dem Haus. Die Äste der Aprikosenbäumchen in dem gepflegten Garten bogen sich unter dem Gewicht der fast reifen Früchte. Der Rasen war makellos grün.

Die Dame des Hauses erwartete ihn mit Kaffee, Limonade und Süßigkeiten. Das Geheimpolizeigefühl verschwand, aber Tom blieb auf der Hut. Ihm war klar, dass Christina ihn nicht ohne Warnung in die Höhle des Löwen schicken würde, doch sein Gastgeber war eben einer der höchsten Repräsentanten des Regimes, also eigentlich ein Feind.

Admiral Lakis hielt eine lange Ansprache, die mit überschwänglichen Ausführungen über seine Heimat begann. Er ließ aber auch durchblicken, dass er die gegenwärtige Regierung nicht als ideal für sein Land betrachtete. Durch die Blume gab er sich als „demokratischer Royalist" zu erkennen.

Die richtigen Leute Band 2: Die Insel der SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt