Am späten Nachmittag machte Dave eine letzte ausgedehnte Wasserskitour bis auf die Höhe der Taverne. Man hatte ihn als Kundschafter ausgeschickt. Sein Bericht versetzte die Musiker in helle Aufregung. Die Autos standen entlang des Weges den ganzen Berg hinauf, es wimmelte vor Menschen.
Die Musiker probten stundenlang. Das Programm für ihr Konzert sah vor, zuerst eine halbe Stunde lang „Tanzmusik" zu spielen, wie sie es nannten. Dann sollte der halbstündige Instrumentalblock mit dem englischen Django-Stück und den Theodorakis-Liedern folgen. Die Soli von Martin, Sophia und Helena bildeten den dramaturgischen Höhepunkt. Zum Abschluss wollten sie ein schnelles und ein langsames Stück als Rausschmeißer spielen. „Let it be" planten sie als erste Zugabe ein, als zweite, und die würde verlangt werden, da waren sie sicher, „Sto Perigiali" instrumental.
Martin machte sie auf ein Problem ausmerksam:
„Wenn da so viele Leute sind, müssen wir unheimlich laut spielen, sonst können uns gar nicht alle hören. Wir sollten uns unter dem Verandadach vor der Taverne aufstellen, da müsste die Akustik besser sein."
Die anderen sahen das ein, und Nikos düste zum Wirt, um ihn zu bitten, den überdachten Teil der Terrasse für die Musiker freizuhalten.
Die drei Offiziersfamilien bezogen ihre Zimmer in Karystos. Die Generäle legten die Uniform ab und verwandelten sich in Wochenendurlauber. Sie fuhren nach Norden, und ungefähr einen Kilometer oberhalb des Strandes, den sie ansteuerten, stand am Wegesrand Auto an Auto. Die Sonne ging gerade hinter den Berggipfeln im Westen unter. Sie parkten und spazierten hinunter. Vor der Taverne tummelten sich Hunderte. Sie suchten sich einen Tisch weit hinten, wo es schon dunkel genug war, sodass sie unerkannt bleiben würden. Etliche Jungen eilten zwischen den zahlreichen Tischen hin und her. Sie bestellten Retsina und von dem Eintopf, nach dem die ganze Gegend duftete.
In der hereinbrechenden Dämmerung kamen die Jugendlichen den Weg herauf. Ging ihre Tochter Anna etwa Hand in Hand mit diesem Engländer? Die Offiziersgattin hoffte, ihr Mann würde es nicht sehen. Der sah das sehr wohl, und hoffte, seine Frau würde es nicht sehen. Ein anderer General entdeckte seine Tochter Helena an der Hand eines großgewachsenen deutschen Jungen.
„Vergiss nicht, wir sind gar nicht hier, also können wir's auch nicht gesehen haben," sagte er zu seiner Frau.
Der Admiral registrierte, dass Toms linkes Auge nicht gut aussah, aber vor allem, dass Philipos eingerahmt von zwei deutlich älteren Mädchen heftig flirtend einherschritt. Er konnte nicht anders, er musste laut auflachen. Seine Frau und ihre Freunde fielen in sein Gelächter ein:
„Das waren mal unsere lieben Kleinen, vor ein paar Wochen."
Die Musiker setzten sich auf die Terrasse, die von Weitem fast wie eine Bühne wirkte. Sie stimmten ihre Instrumente, der Chor hockte sich ihnen zu Füßen, einige standen auch links und rechts. Nikos erhob sich und sah in die Runde. Er überschlug: 50 voll besetzte Tische, und manche Leute hatten keinen Sitzplatz mehr bekommen. Es mussten über 300 Zuhörer sein. Er winkte in die Menge, es wurde leise.
„Wir haben gehört," rief er, „Ihr wollt uns noch mal spielen hören." Applaus.
„Wollt Ihr uns wirklich spielen hören?" Lauterer Applaus.
„Ich glaube, Ihr wollt uns gar nicht hören!" Applaus, Geschrei, Pfiffe.
„Also gut, los geht's."
Manny eröffnete mit dem Lied vom Tod, und als die Band nahtlos „In the summertime" anschloss, erntete er den ersten Szenenapplaus des Abends. Sekunden später tanzten die Ersten, Minuten später saß niemand mehr, auch nicht die Ehepaare aus Salamis im Halbdunkel. Die hatten noch nie im Sand zu englischen Songs getanzt, aber es machte Spaß. Diese Band wusste, was sie tun musste, um die Leute mitzureißen.
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Die richtigen Leute Band 2: Die Insel der Schreie
Teen FictionEin Jahr ist vergangen, seit Tom in Griechenland Menschen kennenlernte, die zugleich Opfer und Widerstandskämpfer der Militärdiktatur waren, seit er von der Geheimpolizei verhört und bedroht wurde, seit er neue Freunde fand und seit er Sophia ein Ve...