In aller Herrgottsfrühe klopfte es an der Tür. Bevor Tom sich aufrappeln konnte, stürmte Nikos ins Zimmer und trat prompt gegen Dave, der erschrocken aufsprang.
„Ganz schön voll hier. Tom, zieh Dich an, wir müssen reden."
Auf der Terrasse, im hellen Licht, bemerkte Tom, dass sein Freund nicht gut aussah.
„Was ist los, Nikos? Du siehst kaputt aus."
„Mir geht's auch nicht gut. Ich habe gar nicht geschlafen. Tom, ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache mit Leros. Falsche Pässe schmuggeln, okay, an sowas gewöhnt man sich. Aber ich finde, einen Spion auszuhorchen, geht zu weit. Wer weiß, für wen der arbeitet. Das ist verdammt heiß, und ich wollte Dich noch mal daran erinnern, dass Du das alles nicht tun musst."
„Nikos, ich gebe zu, ich habe Angst. Du hast recht, es ist gefährlich. Man kann sich auf Leros nicht verstecken, weglaufen schon gar nicht. Ich habe mir fest vorgenommen, die Sache mit dem Spion abzubrechen, wenn ich das Gefühl habe, es ist eine Nummer zu groß für mich. Es ist nur so: wir tun das Richtige. Allein dass es diese Insel gibt, beweist doch, wie nötig es ist. Ich habe mich gefragt, ob es mir das Risiko wert ist, und das ist es."
„Und ich habe mir ganz fest vorgenommen, dass wir in Zukunft solche Aufträge nur noch zusammen annehmen."
Frau Tsikou brachte ihnen Nescafé. Tom wechselte das Thema, um Nikos – und sich - auf andere Gedanken zu bringen. Er plauderte über Manos und Sandy. Dazu gab es Neuigkeiten:
„Ich habe mit Jannis gesprochen," berichtete Nikos. „Das Haus, das Georgios erwähnt hat, steht leer. Der Besitzer will es so schnell wie möglich vermieten oder verkaufen. Übrigens gibt es auf dem Grundstück eine Garage für zwei Autos, die müsste sich aber auch als Werkstatt nutzen lassen."
Dave und Philipos gesellten sich zu ihnen. Nikos besprach mit dem Engländer einige Details ihrer Fahrt nach Patras, und Tom unterhielt sich mit dem Griechen, der ein bisschen Angst vor seiner Heimkehr hatte. Dave wollte auch nach Salamis, zu Anna. Er bot ihm an, ihn zu seinen Eltern zu begleiten, was Phil dankbar annahm.
Martin kam hinzu und informierte sie über Jürgens Besuch. Nikos war nicht begeistert, dass gleich zwei „Außenstehende" an einem Tag auftauchten. Er befürchtete, irgendwann könnte sich jemand verplappern und sie womöglich in Gefahr bringen. Er nahm sich vor, beide, Philipos und Jürgen, so bald wie möglich zu einem Gespräch einzuladen und ihnen ins Gewissen zu reden.
Herr Tsikos beobachtete die jungen Leute.
„So kenne ich die gar nicht, so ernst," sagte er.
„Die haben Angst, und sie haben auch allen Grund dazu. Wer weiß, was sie auf Leros tun sollen. Hoffentlich passiert ihnen nichts," antwortete seine Frau.
„Hoffen wir, dass sie heil von dieser schrecklichen Insel wiederkommen."
„Hoffen wir, dass sie überhaupt wiederkommen. Ich würde so gerne hingehen und ihnen Glück wünschen, aber wir dürfen ja nicht wissen, wohin sie fahren."
„Mir wäre es lieber, wir wüssten es wirklich nicht."
Tom und Sophia telefonierten. Sie wollte um sieben am Schiff sein, aber ob sie wieder ihre „Cousins" besuchen konnte, stand in den Sternen. Sie vermutete, die Passagiere würden auf dieser Route genauer kontrolliert. Das Schiff lief zwei weitere Inseln an, bevor es seinen Zielhafen Lakki erreichte. Zur Not könnte sie versuchen, sich für ein paar Drachmen einen Decksplatz zur ersten angelaufenen Insel zu besorgen, dann müssten sie sie ja an Bord lassen. Dave und Phil verabschiedeten sich und wünschten Tom, Martin und Sandy viel Glück. Letztere machten sich mit Manos auf den Weg zur Universität.
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Die richtigen Leute Band 2: Die Insel der Schreie
Teen FictionEin Jahr ist vergangen, seit Tom in Griechenland Menschen kennenlernte, die zugleich Opfer und Widerstandskämpfer der Militärdiktatur waren, seit er von der Geheimpolizei verhört und bedroht wurde, seit er neue Freunde fand und seit er Sophia ein Ve...