Martin stopfte sich die Geldscheine in die Taschen:
„Ich sage mal danke. Den beiden fällt ja gerade nichts ein."
Tom freute sich mehr darüber, Petros zu treffen, als über das Geld. Immerhin hatten sie sich ein Jahr lang nicht gesehen.
„Wo wohnst Du denn jetzt, und was machst Du?"
„Wir bauen in den Bergen hinter Drama einen Stützpunkt auf. Wir sammeln Sprengstoff, den wir aus Steinbrüchen bekommen, und Waffen, die die Bulgaren rüberschmuggeln. Wir befürchten, dass diese Verrückten in der Regierung einen Krieg mit der Türkei anfangen. Dann wollen wir Brücken sprengen, um den Vormarsch zu stoppen, den der Griechen Richtung Türkei, und wenn nötig den der Türken Richtung Griechenland. Ein Krieg gegen die Türkei wäre der Untergang. Die Bulgaren wollen für die russischen Waffen amerikanisches Geld. Deswegen machen wir manchmal Geschäfte mit den Jugoslawen. Auch wenn die uns im Bürgerkrieg ziemlich in den Rücken gefallen sind. Ich gehe zurück in die Berge. Ihr fahrt auf dem schnellsten Weg nach Athen."
Martin hatte einen Einwand:
„Kannst Du in Athen anrufen? Wir schaffen das heute nicht. Bitte sag ihnen, sie kriegen den Wagen morgen Abend um sechs."
Tom wollte etwas sagen, doch Petros stimmte sofort zu:
„Du hast recht, zumal nur Sandy fahren kann. Ihr solltet wirklich übernachten, vielleicht in Katerini oder so. Ich rufe für Euch an. Eins noch: wechselt das Geld nicht in einer Bank. Geht zu einer Wechselstube. Der Kurs ist schlecht, aber sie wollen keinen Pass sehen. Wir dürfen nicht auffallen."
Sie verabschiedeten sich, und ihnen war klar, dass sie ihren großen Bruder Petros irgendwann wiedersehen würden. Sie fühlten es alle. Tom navigierte Sandy in das Zentrum des Viertels, das im Westen an die sattgrünen, bewässerten Felder eines Flussdeltas grenzte. Sie fanden den Hauptplatz und ließen sich in einer Taverne nieder. Alle waren mehr durstig als hungrig, so beließen sie es bei ein paar Oliven, viel Kaffee und Wasser.
„Martin, Du hast doch einen Plan," vermutete Tom.
„Plan ist übertrieben, aber eine Idee. Wir könnten einen zweiten Wagen mieten. Dann fahren wir zum Olymp, die Adresse von dem Camp haben wir ja. Sophia sagt, man kann mit dem Auto bis vor die Hütten fahren. Wir übernachten da, und morgen nehmen wir die anderen mit. Wir holen Manos auf der Euböa ab, und übermorgen fahren wir alle nach Kreta."
Martins Plan hörte sich gut an, doch es gab einige Haken.
„Soll ich jetzt zwei Wagen fahren?" wandte Sandy ein. „Ich meine, ein paar Kilometer in der Einöde kann man mal ohne Führerschein fahren, aber die ganze Strecke bis nach Athen?"
„Das würde schon gehen," meinte Nikos. „Du kannst den Wagen mit Deinem Führerschein mieten, und ich fahre unseren mit meinem Motorradführerschein mit Pfundeinlage."
Der Australier hatte aber noch ein gewichtigeres Problem:
„Ich muss demnächst auf eine Insel, nicht nur für die Gruppe, sondern auch für Papa Michael."
„Stimmt," räumte Martin ein, „daran habe ich nicht gedacht. Und einige von uns haben einen festen Termin auf Salamis. Revanche für Euböa. Egal, für die nächsten beiden Tage steht der Plan trotzdem, und dann sehen wir einfach weiter. 2000 Dollar ist so viel Geld, damit können wir auf jeden Fall irgendwas unternehmen."
Das klang im Prinzip gut und richtig, aber Tom widersprach:
„Ich finde, wir sollten das Geld nicht mutwillig rausschmeißen. Sollen wir nicht eine Kriegskasse anlegen, für so etwas wie Mietautos, Telefonieren und so?"
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Die richtigen Leute Band 2: Die Insel der Schreie
Teen FictionEin Jahr ist vergangen, seit Tom in Griechenland Menschen kennenlernte, die zugleich Opfer und Widerstandskämpfer der Militärdiktatur waren, seit er von der Geheimpolizei verhört und bedroht wurde, seit er neue Freunde fand und seit er Sophia ein Ve...