40 Die Erpressung

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Bei Sonnenaufgang versammelten sich alle wieder auf Jannis' Terrasse, der literweise Kaffee heranschleppte. Manos hatte Bernd am späten Abend stolz zu seinem Haus geführt, einem neuen, einstöckigen, weiß verputzten Bungalow mit einem schwach geneigten Ziegeldach und einer Veranda vor dem Eingang. Es verfügte über eine Wohnküche, in der einsam und verlassen ein nagelneuer Propangasherd stand, ein riesiges Wohnzimmer und drei Schlafzimmer, dazu ein Bad, komplett aus Marmor, mit Dusche und zwei Waschbecken, sowie ein WC. Auf dem großen, staubigen Grundstück verloren sich drei dürre Bäumchen.

In einem der Zimmer befand sich das zweite Möbelstück des Hauses, ein Regal, das Randy auseinandergenommen aus Manos' Haus auf Euböa mitgebracht hatte. Dort standen etwa zwei dutzend seiner Figuren, die Bernd ausgiebig bewunderte. Gerade im Schein der Taschenlampe wirkten sie lebendig und ein bisschen mysteriös. Manos gab ihm zwei Matratzen, und er legte sich im Nebenraum hin. „Was für Leute," dachte er und schlief ein, ohne ein einziges Bier getrunken zu haben.

Am Morgen war die Stimmung auf der Terrasse angespannt, denn der letzte Teil der Operation stand unmittelbar bevor. Randy chauffierte Nikos und Phil nach Piräus, in eine andere Straße diesmal. Nikos wies Phil ein:

„Du nimmst Toms Gepäck, Sandy und Martin mit, Tom und ich gehen den anderen Weg."

Auch an diesem Tag war die Fähre etwas zu früh. Tom, Sandy und Martin beobachteten vom Sonnendeck aus das Anlegemanöver. Toms Herz machte einen Freudensprung, als er Nikos und Phil erspähte. Eine andere Beobachtung war weniger schön: Am unteren Ende der Gangway warteten zwei grünstirnige Polizisten, die die Reisenden intensiv musterten. Er versuchte, nicht an die Akten zu denken, die in seiner Tasche versteckt waren. Die Beamten machten keine Kontrollen, bis sie eine Frau etwa 5 Meter vor den dreien aus der Menge fischten. Sie zerrten sie zur Seite, es entstand ein Gedränge. Im Vorbeigehen sah Tom, wie die Beamten die Taschen der Frau auskippten und sie beschimpften.

Tom, Martin und Sandy gingen zu ihren Freunden. Phil nahm kommentarlos Toms Tasche und setzte sich in Bewegung, Martin und Sandy folgten ihm. Nikos nahm Toms Hand und führte ihn aus dem Hafen. In einer Gasse blieben sie stehen und umarmten sich. Eine Weile standen sie still da, dann meinte er:

„Kein Weinen heute?"

„Das kommt später. Wir sind alle drei noch im Tunnel."

„Tom, ich verspreche Dir, heute Abend noch die Besprechung, dann ist Urlaub."

„Den brauchen wir auch, alle, Du auch. Ich weiß, wie Du Dich gefühlt hast, Nikos."

„Komm, wir müssen zum Wagen. Übrigens, Manos hat das Haus gemietet. Das will er Sandy aber selbst sagen. Er wohnt schon drin, und rate mal mit wem."

„Na, mit Sandy natürlich," meinte Tom.

„Ja, ja, das ist klar. Er hat Bernd eingeladen, erst mal bei ihnen zu wohnen. Wusstest Du, dass der auch Künstler ist?"

„Schriftsteller, aber das habe ich ihm nicht geglaubt."

„Ist er auch nicht. Er ist Maler. Randy meint, seine Bilder sind richtig gut."

Beide Gruppen erreichten das Auto gleichzeitig, und knapp zwei Stunden später waren sie kurz vor Agios Andreas. Sie passierten eine kleine Kirche. Tom bat Randy anzuhalten und ging mit Martin und Sandy hinein. Jeder steckte eine Kerze an, sie knieten nieder und bekreuzigten sich.

„Was gibt das?" fragte Randy.

„Manchmal ist es gut, danke zu sagen," murmelte Nikos.

Minuten später waren sie am Ziel. Bernd beobachtete als der einzige Außenstehende, was sich nun auf der Terrasse abspielte, und nach dem, was er da sah, würde er gerne dazugehören. Alle lagen sich in den Armen. Die ganze Anspannung der letzten Tage fiel von ihnen ab. Tom weinte sich bei Nikos aus, steckte Sandy an, der Manos' Hemd mit seinen Tränen nässte, und als Martins Tränen liefen, tröstete ihn Phil, der hatte Übung in so etwas.

Die richtigen Leute Band 2: Die Insel der SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt