34 Du brauchtest Nähe

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Nachdem die illustre Runde gegangen war, grinste Stephanos seine Frau an:

„Wollen wir nicht mal wieder einen jungen Deutschen auf Urlaub einladen? Uns wird nie wieder langweilig sein."

Christina meinte:

„Langweilig ist es ja auch so nicht. Sag mal, als Du den damals in Deutschland getroffen hast, unseren Tom, hast Du geahnt, was für einer er ist?"

Stephanos überlegte. Nach einer längeren Pause antwortete er:

„Ja, ich glaube schon. Ich habe seine Augen gesehen, als ich ihn eingeladen habe. Der war sofort ganz heiß auf die Reise. Er selber, er wusste nicht, was er für einer ist. Aber allmählich dämmert es ihm, glaube ich. Der Junge ist keine 16 mehr. Der ist auch über 20. Der hat mit keiner Wimper gezuckt, als er von dem Auftrag mit dem Spion gehört hat."

Auf der Dachterrasse am Strefi erwarteten drei Australier, eine Griechin und zwei Griechen, einer von ihnen sehr nervös, die Heimkehr der Helden. Tom ging als Erstes zu Herrn Tsikos und bat ihn, für die nächsten zwei Nächte alle Augen zuzudrücken, denn Martin und Philipos müssten bei ihnen schlafen, Manos natürlich auch. Er versprach einen Ausgleich, indem er und Sandy wieder mehrere Tage abwesend sein würden. Der Hotelier konnte ihnen sowieso keinen Wunsch abschlagen, das wusste er, aber fragen musste man schon.

In der großen Runde übernahm Nikos das Kommando:

„Vorweg: alles, was jetzt gesagt wird, bleibt unter uns, ist das jedem klar?"

„Ja, Nikos, ich habe verstanden, ich verspreche es," sagte Philipos als Einziger. Er wusste, nur ihm galt die Ermahnung.

Nikos berichtete in groben Zügen von ihrer Besprechung in Piräus. Randy und Rudy hatten kein Problem damit, für ein paar Tage Doppelgänger zu haben. Manos wollte Sandys Abwesenheit nutzen, um auf Euböa alles zu regeln: Job kündigen, hunderte Skulpturen gut verpacken, seine Mutter beruhigen. Randy bot sich an, ihn zu fahren.

Xenia und Martin standen am Rand der Terrasse und träumten, wie so viele vor ihnen. Tom malte sich aus, Sophia würde in diesem Moment einen Plan für ihren Abschied vor der Seereise nach Leros ersinnen. Dave freute sich auf morgen: Er wollte ganz allein nach Salamis fahren, zu Anna.

Nikos und Tom gingen auch zum Geländer, stellten sich aber so weit wie möglich weg von Martin und seiner Freundin.

„Tom, ich beneide Dich, und ich habe gleichzeitig Angst um Dich. Das wird so spannend, aber das wird auch so gefährlich. Ich wäre so gern dabei, mein Freund."

„Du bist immer dabei, Nikos, Du bist immer dabei. Sonst könnte ich das gar nicht machen. Du bist dabei, und immer wenn es schwierig wird, werde ich mich fragen, was Du tun würdest."

Sie standen Arm in Arm. Keiner passte zwischen die beiden.

Philipos beobachtete sie alle ganz genau. Ihm wurde klar, was es hieß, zu dieser Gruppe zu gehören. Er sah, wie sie sich Mut zusprachen, wie sie zusammenhielten, wie der eine sich um den anderen sorgte. Sie erlaubten ihm zu erleben, wie sie ihren Mut bündelten, um ihre Ängste zu besiegen. Er sah Freunde, die sich uneingeschränkt vertrauten. Er wandte sich Manos zu, der ebenso still wie er am Tisch saß:

„Wir haben großartige Freunde, nicht?"

Manos freute sich, dass Phil ihn ansprach. Er hatte viel auf dem Herzen, und Sandy war mit seinen Gedanken ganz woanders:

„Weißt Du, was an einem einzigen Tag passiert ist? Wegen dieser Freunde? Ich habe als dummer Arbeiter in einer winzigen Hütte mit meiner Mutter gelebt, gearbeitet wie ein Pferd, nur um zu überleben. Jede freie Minute Figuren gemacht, weil mich nur das getröstet hat. So war das, und meine arme Mutter muss Gemüse anbauen, damit wir satt werden. Jetzt kann ich als Künstler arbeiten, ich werde mit meinem Freund zusammenwohnen, in einem Haus am Meer, wenn wir Glück haben, und ich kann meiner Mutter Geld geben oder ihr eine schönere Wohnung bezahlen. Kannst Du Dir vorstellen, wie das ist? Wenn Du weinen kannst vor Glück? Wenn so viele Träume wahr werden?"

Die richtigen Leute Band 2: Die Insel der SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt