46 Vertrauen gegen Vertrauen

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Der Hausmeister schnaufte die Treppen zum sechsten Stock hinauf, Petros und ein weiterer Mann folgten ihm. Das alte Haus in der Nähe des Fischmarkts von Thessaloniki hatte schon bessere Tage gesehen. Der Geruch der Verkaufshallen war allgegenwärtig. Er klopfte ein Morsesignal an die Tür am Ende des halbdunklen Ganges. Sie wurde einen Spalt geöffnet. Er flüsterte, Giannis Markoulis sei angekommen, und entfernte sich. Petros und sein Begleiter betraten die Wohnung, die dringend einmal hätte gelüftet werden müssen. Ihnen gegenüber stand ein gut aussehender 20-jähriger, großgewachsener, schlanker Mann, der die Besucher argwöhnisch musterte.

„Mein Vater schickt Euch. Was hat er sich denn nun wieder ausgedacht? Sicher sollt Ihr mich ins Ausland bringen, stimmt's? Da gehe ich aber nicht hin."

„Mein Chef schickt mich," korrigierte ihn Petros. „Ich kenne Deinen Vater gar nicht. Er hat allerdings mal meine kleinen Brüder kennengelernt, und ich glaube, die haben ihn ganz schön aufs Kreuz gelegt, meine kleinen Brüder. Ich freue mich übrigens, Dich kennenzulernen. Mein Name ist Petros, und wenn Du willst, bringen wir Dir die Freiheit."

„Tut mit leid, ich bin Aris, und ich sitze seit Wochen in diesem Loch. Hatte schon mal bessere Laune."

„Aris, ich auch, weil ich nämlich eigentlich längst unterwegs sein sollte, um den Deutschen ein paar Kisten Sprengstoff und Funktechnik abzunehmen. Aber mein Chef meinte, Du wärst für uns wertvoll, weil Dein Vater uns einen Haufen Namen von Geheimdienstleuten verrät, wenn wir uns um Dich kümmern. Deswegen sind wir hier."

Petros hatte seine Strategie mit seinen Kollegen besprochen, die alle meinten, er sollte den jungen Mann von vornherein mit der Wahrheit konfrontieren. Aris lud sie ein, sich zu setzen und bot ihnen Wasser an. Alle zündeten sich Zigaretten an.

„Darf man fragen, wer Ihr seid, und was Ihr mit mir vorhabt?"

„Du darfst alles fragen," antwortete Petros. „Wir sind vom sozialistischen Untergrund. Eigentlich sind wir gerade dabei, im Nordosten einen Stützpunkt aufzubauen, um die griechische Armee zu sabotieren, sollten sich die Militärs durchsetzen, die außer nach Zypern auch gleich Richtung Bosporus marschieren wollen.

Nun haben meine Brüder diese Verstecke der Deutschen gefunden. Wir fahren zu ihnen. Erst zu den Brüdern, dann zu den Verstecken. Wir haben mit Dir gar nichts vor. Du entscheidest. Wir können Dir anbieten, zu unserer Gruppe in der Nähe von Athen mitzukommen und ein paar Tage dort zu bleiben. Wenn Dein Vater wahrmacht, was er versprochen hat, bekommst Du eine neue Identität, und mein Chef bietet Dir an, bei uns mitzumachen. Allerdings unter der Bedingung, dass Du unseren Weg gehst, und der heißt, keine Gewalt gegen Menschen."

Aris rieb sich verwundert die Augen. Sein Vater sollte ihm eine neue Identität verschaffen? Er wollte ihn gar nicht ins Ausland abschieben? Er wäre einverstanden, wenn er zu den Sozialisten ginge? Er hatte lange gegrübelt, was er tun sollte. Zu den Kommunisten würde er nicht zurückkehren, denn die hatten ihn praktisch hingehängt, um ihre Haut zu retten. Er wollte seinen Kampf aber auch nicht aufgeben.

„Ich müsste ziemlich dumm sein, das Angebot abzulehnen."

„Das sehe ich auch so," vesetzte Petros trocken. „Dann zieh Dich mal um, als Ölmännchen, und heute Abend lernst Du Deine neuen Freunde kennen. Ein kleiner Tipp vorab: Du wirst denken, wenn Du meine Brüder siehst, „diese Kinder?" Warte ein paar Tage ab, bevor Du Dir ein Urteil bildest."

Aris packte seine Habseligkeiten zusammen, und dann machten sich die Ölarbeiter auf den Weg zu dem kleinen Ort in Attika.

Während Tom und Martin im Bus nach Agios Andreas saßen und Randy den Polizisten abholte, unterhielten sich Sandy, Manos, Bernd und Nikos auf Jannis' Terrasse über ihre Erlebnisse. Sandy fragte seinen Freund nach der Idee, von der er in Athen geredet hatte.

Die richtigen Leute Band 2: Die Insel der SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt