Mit den ersten Sonnenstrahlen erwachte das Camp. Das Boot wurde auf den Trailer, und dieser auf den Weg gewuchtet, Zelte abgebaut und verstaut, Müll gesammelt und die letzte Toilette versiegelt. Randy machte die erste Tour nach Marmaris, die anderen vertrieben sich die Zeit mit Schwimmen und Reden. Sie würden sich alle sehr bald wiedersehen, darin waren sie sich einig, wenn sie auch in den nächsten Tagen erst einmal getrennte Wege gingen. Zur Vorsicht wurden Adressen und Telefonnummern aufgeschrieben. Philipos und Lucas, die als einzige Fotoapparate dabei hatten, versprachen, viele Abzüge machen zu lassen. Jeder hatte nur einen Film verschossen, da hielten sich die Kosten in Grenzen.
Der Transport nach Marmaris und die Überfahrt nach Rafina verliefen, wie von Nikos geplant. Im Hafen beobachtete der Admiral, wie die Fähre eine Horde tiefbraun gebrannter, schwer beladener Jungen und Mädchen ausspuckte, die angeregt plaudernd und scherzend auf ihn zukamen. Er freute sich über das Strahlen in den Augen seiner Kinder, wenngleich Philipos aus einem ziemlich blauen Auge strahlte.
„Wer hat Dich denn so verschönert, Kleiner?" fragte er seinen Sohn, nicht nur innerlich grinsend.
„Das war Tom, aber in zwei Wochen gibt es eine Revanche, dann sieht er so aus," versprach Philipos.
„Das will ich hoffen, mein Sohn."
Alle umringten den Soldaten und bedankten sich für das Boot, das an den Militärjeep gehängt wurde. Der Admiral entfernte sich mit Tom einige Meter.
„Du haust meinem Philipos also ein blaues Auge. Was hat er denn angestellt?"
„Gar nichts, wir haben nur ein bisschen trainiert."
„Was habt Ihr trainiert?"
„Morgens 6 bis 8 km Laufen, am Strand, dann eine Stunde Krafttraining und eine Stunde Ringen und Boxen, nachmittags noch mal zwei Stunden, aber ohne Laufen."
„Jeden Tag? Und wer hat da mitgemacht?"
„Jeden Tag, stimmt, und mitgemacht haben alle Jungen. Beim Laufen waren auch die Mädchen dabei."
Der Admiral staunte. Das hatte er seinen eigentlich nicht sehr sportlichen Kindern gar nicht zugetraut.
„Tom, ich wollte Dich an mein Angebot erinnern. Du kannst in den Ferien immer zu uns kommen. Denk drüber nach."
„Danke noch mal. Vielleicht ergibt sich ja eine Gelegenheit. Aber ich denke, in der nächsten Zeit werden wir uns sowieso noch einige Male sehen und ganz viel Englisch und Deutsch sprechen. Ich habe noch eine Verabredung mit Philipos."
„Ich weiß. Schön, dass Ihr Euch so gut versteht. Tom, ich wünsche Dir und Deinen Freunden viel Glück in den nächsten Tagen. Denk dran, Du kannst mich anrufen, wenn was passiert."
Tom musste grinsen:
„So eine Passkopie in meinem Ausweis wäre hilfreich, aber das geht vermutlich nicht."
„Nein, leider nicht. Also: viel Glück."
Xenias Oma, die mit ihrem Auto am Rand des Parkplatzes wartete, hatte ihren Schock über die beiden Militärfahrzeuge überwunden, die an der Fähre hielten. Sie erkannte den Admiral, von dem sie wusste, dass die Uniform eine gute Tarnung seiner wahren Überzeugung war. Dass ihre Enkelin an der Hand des Deutschen mit der schönen Stimme vom Schiff kam, wunderte sie nicht besonders.
Am späten Abend saßen sechs junge Männer auf der Dachterrasse am Strefi-Berg, und irgendwie fühlte es sich so anders an. Die Zivilisation war laut und roch nicht gut. Nie zuvor waren ihnen der Verkehrslärm und -gestank so aufgefallen. Gleichzeitig kamen sie sich unvollständig vor. Die anderen fehlten. Dave telefonierte mit Anna und erfuhr, dass sie mit Sophia auf den Olymp fahren durfte. Auch Helena hatte die Erlaubnis bekommen. Sandy redete lange mit Manny, ein Burgfrieden bahnte sich an. Tom fand lange keinen Schlaf. Räuber rumorten in seinem Kopf, und ein Koffer mit einer unvorstellbar hohen Summe Dollars.
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Die richtigen Leute Band 2: Die Insel der Schreie
Teen FictionEin Jahr ist vergangen, seit Tom in Griechenland Menschen kennenlernte, die zugleich Opfer und Widerstandskämpfer der Militärdiktatur waren, seit er von der Geheimpolizei verhört und bedroht wurde, seit er neue Freunde fand und seit er Sophia ein Ve...