Kapitel 13;1 - Stimmen verlorener Gedanken

64 9 12
                                    




Tage vergingen — von Scarlett keine Spur.

Während Caden sich zwang, mit dem Geschehen abzuschließen, war Eos erstaunlich ruhig geworden und stürzte sich in jeden Auftrag, den sie von Harding bekommen konnte. Diebstähle waren es zum größten Teil. Einmal wurde sie für zwei Tage fortgeschickt, um einen Informanten zu finden, der verloren gegangen war. Sie hatte ihn in einem Strauch tot aufgefunden.

Kenga verarbeitete den Verlust scheinbar dadurch, dass er anderen einmal zu oft einen Besuch abstattete. Caden wusste nicht, ob er es aus Mitleid und Sorge tat, oder aus Langeweile.

Er warf ein Holzscheit auf die Flammen in Nyas Zimmer. Die Jugendliche hatte sich an den Schreibtisch gesetzt, über dessen Fläche eine weiße Kugel leuchtete. Vor sich eine Lupe, blickte sie auf die kleine Maschine hinab, die sie baute. »Ich will nicht, dass der Winter wieder anfängt«, murmelte sie dabei. »Ich hasse es, zu frieren.«

»Hm. Ja, aber so ist der Lauf der Dinge eben.«

Sie fuhr über die Metallplatten, die vor ihr auslagen, blickte an die Wand, in der vielfache  Skizzen über ihre Pläne hingen. Zeichnungen, Notizen, Zahlen.

In dem Licht wirkte ihre Haut fast schon fahl; sie selbst um ein vielfaches älter.
»Wie geht es Eos?«, fragte sie schließlich, ohne den Blick abzuwenden. Stattdessen lehnte sie sich weiter vor, um auf eines der Papiere zu schreiben.

»Nicht sonderlich gut. Ihre Tante und Mutter bekommen sie zurzeit weniger zu sehen.«

»Ist ihr Vater auch im Krieg?«

»Nicht mehr. Er ist kurz nach der Trennung von Eos Mutter an die Front gegangen aber am Ende wurde er schwer verwundet. Frag mich nicht, was er genau hat. Folgeschäden eben.« Caden schritt durch ihr Zimmer, blickte an die Decke, wo holzgeschnitzte Modelle von Luftschiffen baumelten. Einige Statuen von Tieren, die die Flügel im Zugwind bewegten und hier und da eine Kette aus geschmiedeten Blumen.

»Was wollte Kenga hier vorhin eigentlich?«

»Mich belästigen«, war Cadens Antwort. »Und mir sagen, dass wir im Laufe des anbrechenden Abends noch zu Harding vorbeigehen sollen, um uns zu treffen.«

»Ach, wollt ihr wieder Leute umbringen?«

»Nicht so laut, sonst hören die Diener das noch.« Er ging an ihre Seite, holte einen Schemel hervor, um sich neben sie zu setzen. Trotzdem er wusste, dass ihre Frage ein Scherz war, korrigierte er: »Ich töte niemanden. Nicht, wenn ich nicht muss.«

»Wenn du die Anweisung dazu aber bekommst...«

»Ja.« Er nahm das Modell einer Kutsche von ihrem Holztablett herunter, schob es auf der Schreibtischfläche herum.

»Was solls.« Sie lehnte sich an ihn, stellte ihm ein zweites Spielzeug hin, als wolle sie es ihm anbieten. »Ist Kenga eigentlich immer hier, wenn er arbeitet? Er trägt immer-«

Caden schüttelte den Kopf, lies von der Kutsche ab. »Er hat die Uniform der Stadtwacht oft auch dann noch an, wenn er nicht arbeitet. Weil man so geachtet, nicht angesprochen und prinzipiell in Frieden gelassen wird.«

Sie schloss die Augen, murmelte dann aber nach einer Weile Stille: »Wenn du heute noch losmusst, willst du dann nicht jetzt schon gehen? Ich meine, es dämmert bereits draußen.«

»Willst du mich loswerden, oder was? Erwartest du Besuch, oder was?«, fragte er spielerisch und schüttelte sie an den Schultern.

»Nein«, grummelte sie nur und schob seine Hand von sich.  »Du sollst nur nicht dabeisein, wie ich noch einen Wutanfall beim Arbeiten hier bekomme.«

Blut eines CruorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt