Kapitel 15;2 - Tödliche Schatten

37 9 5
                                    

Ein Riss in der Realität, aus dem die Monster herauskrochen. Überall deuteten sich diese Gestalten ab. Geschöpfe, weiß und mager, andere tiefschwarz aus Nebel gewonnen. Fast menschlich muteten einige von ihnen an, wie sie die Arme vor die Brust zogen und mit langen Beinen über die Feldsteine schlichen.

Sie stürmten die Straße entlang; sahen Rhun beim Vorbeilaufen mit einem solchen Ausdruck an, als verurteilten sie ihn dafür, dass er Kerzen aufgestellt hatte.

Sie hielten mit ihm Blickkontakt, wendeten ihre Köpfe zu ihm, solange, bis sie aus der Sichtweite verschwunden waren.

Doch der Cruor stand regungslos dar. Schockiert von dem Anblick, der sich bis auf seine Nerven durchfraß.

Die Geschöpfe gaben schiefe Töne von sich — einige klangen wie eine Sirene. Es waren Laute, die einem durch die Knochen vibrierten, jeden Faser erschütterten, jede andere Stimme unter sich begruben.

Das hier war die wahrhaft dunkle Seite von Brus. Nicht etwa die Untergrundgeschäfte, sondern Derartiges. Alles, das aus den Experimenten einherging; Der Ausfall der Grenze, der solche Wesen zu verantworten hatte. Was eine schaurige Welt.

Chase Harding trat näher an die Reihe aus Kerzen heran, murmelte: »Habe sowas noch nie gesehen.«

Rhun ebenfalls nicht — nichts vergleichbares. Es war so, wie er sich diese Erfahrung vorgestellt hatte und doch gänzlich anders. Es war nicht so erfüllend und faszinierend, wie er sich erhofft hatte. Die Anwesenheit dieser Viecher belagerte seine Sinne, berauschte sie förmlich. Es war nicht Adrenalin, das seinen Kopf leicht werden ließ; vielmehr eine toxische Mischung aus Panik und Neugierde.

Er beobachtete, wie die Wesen umherpolterten. Mehr und mehr tauchten auf und ergossen sich auf den umliegenden Gassen. Sie traten aus einem Licht heraus, das hinter ihnen sofort verschwand, als werden die Strahlen von ihrer Präsens geschluckt.

Menschen kreischten in der Ferne. Rhun sah, wie ihnen gegenüber zwei weitere Menschen sich versteckt hatten. Die Männer waren eng nebeneinander gerückt, pressten sich an eine Wand, vor ihnen eine einzelne Kerze, die mit der Kraft des Zugwinds zu kämpfen schien.

Erst überlegte Rhun, ihnen eine von seinen Kerzen zuzuwerfen, doch entschied sich dagegen. Nicht nur könnte er sie alleine gut gebrauchen, sondern wäre das Risiko zu hoch, dass er falsch zielte.

Das Dienstmädchen hatte sich hinter ihnen zusammengekauert; die reiche Dame ebenso. Sie schien das Mädchen zu verpflegen, das sich vor Angst eingenässt hatte.

Die anderen drei — Rhun, Chase und die Aart — hatten sich in einen sicheren Abstand hinter den Kerzen aufgestellt.
Sie beobachteten die Monster, wie sie an ihnen vorbeischlichen, den Blick dabei weiterhin nicht abwendeten.

Schaurig. Anders konnte Rhun es nicht beschreiben. Die Luft schien neben ihm spürbar zu werden — statisch. Jeder Atemzug wurde schwer in seinen Lungen.

»Ich-«, hauchte die Aart. »Das ist unser Untergang, oder?«

Rhun schüttelte den Kopf, musste sich jedoch ebenfalls eingestehen, dass das Gefühl der trügerischen Sicherheit mit denselben pessimistischen Gedanken einherging. »Wir müssen nur die Nacht überstehen. Sobald wir das sicher hinter uns gebracht haben und die Lichter bis dahin noch nicht angegangen sein sollten, wird man es am Tag lösen.«

»Ich frage mich, wie viele da draußen gerade sterben«, sagte der Mann. »Wie viele nicht auf sowas vorbereitet waren.«

»Ich mache mir eher Sorgen um die Händler, die über Nacht hierherkommen. Oder die Jäger und Bauern. Sie betreten mit Brus auch dieses reine Todesloch«, gestand Rhun und nahm etwas mehr Abstand vom Geschehen.

Blut eines CruorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt