Kapitel 10;1 - Gespräch zwischen Türen

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Caden hatte neben seiner Schwester Platz genommen. Die junge Frau biss sich auf die Fingernägel, betrachtete die Angestellten, die hinter dem Türrahmen durch das Haus liefen. Das Geschehen auf dem Markt hatte sie scheinbar aufschrecken lassen — nun waren sie so nervös, wie Eos sich fühlte.

Die Nachtschwärmerin lehnte sich im Sofa zurück und blickte an die reich verzierte Decke. Reichtum war wirklich das, was Cadens zuhause beschrieb. Die damit einhergehende Charakterlosigkeit hüllte sie ein und ließ ihre Schultern nur noch kälter werden. Selbst das Kaminfeuer in ihrem Rücken vermochte sie nicht zu erwärmen.

Kälte. Und diese Angst, die noch nachwirkte — Angst zm ihre Mutter, Wut auf Scarlett. Sie verkrampfte die Finger um die Lehne.

»Willst du mich jetzt noch darin aufklären, was mit ihr ist?« Caden ließ sich jetzt selbst zurückfallen und hatte eine Tasse Tee in die Hand genommen.
Nya hatte ihren Rücken an seine Seite gelehnt; war bereits in Nachtkleidung gehüllt.

»Scarlett hat zuvor gesagt, dass sie nicht in die Nähe der Bühne will. Weil es... Zu laut sei.«

Seine Braue wanderte nach oben. »Aha... Aber ich denke nicht, dass sie damit etwas zu tun hat. Ich meine, Scarlett und Gewalt?«

»Ja.« Eos öffnete die Augen und blickte zu ihren Hackenschuhen herunter. »Ja, das habe ich auch gedacht. Aber seit dem, was in der Grenze passiert ist, verhält sie sich ganz anders.«

»Vielleicht ist sie sauer auf dich. Wegen des« Er tippte an seinen Kopf. Eine schichte Geste, die auf den Gedächtnishandel hinausführen sollte.
Er wagte sich nicht, es auszusprechen. Seine Schwester wusste nicht, was er tat.

»Nein, das ist es nicht. Sie ist verständnisvoll. Es muss etwas anderes sein.«

»Ihr braucht keine Geheimnisse daraus zu machen. Ich weiß was ihr tut« Nya hatte die Lider geschlossen, öffnete sie nur leicht um Caden von der Seite anzuschielen. »Chase ist nicht schweigsam mit seiner Berufung.«

»Du« Cadens Stimme war schwach, kaum mehr als ein Hauch. »Du weißt, was ich mache?«

»Nicht alles. Aber wie gesagt. Chase ist scheinbar niemand, der ein Geheimnis daraus macht.«

»Eigentlich doch.«

Sie zuckte mit den Achseln, gab einen hohen, besserwisserischen Ton von sich, aber grinste dann. »Dann scheint er mir zu vertrauen.«

»Also, du weißt, was-«

»Ich weiß, dass ich besonders durch dich an Informationen gelangen kann, was in der Stadt passiert. Ich weiß, dass du dich einer kriminellen Gruppe angeschlossen hast. Nur nicht warum.«

»Ich werde es dir auch nicht erzählen.«

Ein weiteres Schulterzucken. Ihr Lächeln wurde gerissener. »Ich kann ja auch immer ihn fragen.«

»Dann mach doch«, gab er zurück. Er hatte den Kopf schief gelegt, um sie weiterhin anzusehen. Doch sie drehte sich nicht komplett zu ihm herum; hatte weiterhin ihren Rücken an seinen Arm gelehnt. »Ich fasse nicht, dass du es weißt. Wie lange denn schon?«

»Lange genug, dass ich nicht mehr darüber nachdenken muss, wenn ich dich sehe.«

Ein unangenehmes Gespräch, um dem als Außenstehender beizuwohnen. Eos wäre am liebsten verschwunden und hätte sich zu den Angestellten auf den Hof gesellt — davon ab, dass diese ohnehin mehr ihrer gesellschaftlichen Schicht entsprangen.

Caden räusperte sich, wandte sich dann aber wieder an die Nachtschwärmerin vor sich. »Nun gut. Ich denke das Gespräch... Wir können es auf später verschieben.«

Eos zeigte hinter sich. »Ich könnte auch-«

»Du gehst nirgendwo hin«, unterbrach er sie. »Ich habe deiner Mutter versprochen, dass ich erstmal auf dich aufpasse. Also bleibst du auch hier.«

»Immerhin können wir jetzt offen über das Thema sprechen, wie es aussieht«, gestand Eos mit Blick auf Nya.

Cadens Blick schnellte auch einmal mehr zu ihr herunter. »Was ich mich aber dennoch frage; wieso hast du mir die ganze Zeit unterstellt , dass ich jeden Abend nur in der Kneipe sitze, wenn du doch eigentlich besser wusstest?«

Die Achtzehnjährige kicherte, während sie eine rote Locke um ihren Finger wickelte. »Ein wenig Necken hier und da tut dir auch mal gut, Caden. Wo du doch sonst auch immer so eingenommen von dir bist.«

Er brummte nur. »Gut lass uns...«

»Scarlett«, nahm Eos ihm den Gesprächswechsel ab. »Wenn sie damit etwas zu tun hat.. Dann hätte sie das Leben meiner Mutter riskiert. Und ich weiß nicht wieso, ich weiß nicht-« Sie wusste nicht, was sie wollte. Am liebsten hätte sie sich in Eis gelegt; spürend, wie die Kälte ihre Haut biss... wie der Frost ihre Gefühle und die Zeit einfror.

»Sie wird damit nichts zu tun haben. Und wenn, hat sie mit Sicherheit einen guten Grund. Vielleicht wusste sie davon nur durch Zufall.«

»Das reicht doch schon!« Eos lehnte sich vor. Ihre schwarzen Haare fielen ihr ins Gesicht. »Sie hätte es mir sagen können. Mich warnen können, mir einen Hinweis geben können!«

»Vielleicht wollte sie auch wirklich aus einem ganz anderen Grund nicht zur Bühne. Vielleicht fürchtet sie sich vor  Cruoren.«

Eos griff ebenfalls zur Porzellantasse. Handgezeichnet und in ihrem Inneren beschriftet mit Runen war dieses Objekt fast schon ein Schmuckstück für sich. Federn und Zahnräder waren darauf gezeichnet worden. Verbunden mit Ranken bildete es ein einheitliches Bild edelster Kunst. »Sie würde die Cruoren nicht umgehen. Dazu hat sie gar keinen Grund. Sie hat keine Scheu vor ihnen.« Eos blickte über den Rand ihrer Tasse zu den beiden, die sie ausdruckslos anstarrten. »Wirklich gar keine. Sie benimmt sich vor ihnen, als seien es normale Bürger.«

Cadens Stirn schlug Falten. »Verstehe...« Doch er verstand nicht. Das Wort war wie in einer Frage verzogen.

»Ich würde ihr selbstverständlich auch nicht unterstellen, die Bombe dort versteckt zu haben... Ich meine, welche gesunde Person versteckt eine Bombe an einem Ort, an dem sie sich selbst befindet?«

Er betrachtete seine Schwester; brummte

Nya drückte den Rücken durch und setzte sich schließlich gesittet hin. »Das war zur Selbstverteidigung«, verteidigte sie sich ruhig. Bei Blick auf auf Eos flüsterte sie erklärend. »Vor einigen Wochen war ich alleine unterwegs. Ich habe immer kleinere... Mittel zur Selbstverteidigung bei mir. Ein Mann hat mich zu sehr provoziert.« Sie holte Luft, aber fügte dann schnell hinzu: »Er lebt noch. Er lebt. Ich bin nicht gut im Bauen von Waffen. Sie genügen der Selbstverteidigung.«

Cadens Schwester baute Waffen. Es war kein Wunder, dass es sie nicht interessierte, wenn ihr Bruder einer Untergrundgesellschaft angehörte.

Eos Gedanken kreisten, schlugen unruhig in ihrem Geist hin und her. Und allmählich schlich sich das Gefühl in ihre Knochen, dass sie überreagiert hatte.

»Vielleicht solltest du morgen einfach mal zu ihr gehen und nach ihr fragen«, bot Caden an. »Ich könnte dich begleiten.«

»Nein, das sollte ich lieber alleine machen.« Doch wenn jemand dabei wäre, würde Scarlett möglicherweise eher zugeben, was sie bedrückte. Sie und er waren lange gute Freunde gewesen, hatten mehrfach in guten Restaurants zusammen gegessen, oder Konzerte besucht. Sie vertraute ihm. Und gerade mit seinem zusätzlichen Einfluss auf ihrer Seite, würde Scarlett sich möglicherweise noch eher trauen, sich zu öffnen.
Er wäre ein Druckmittel.
»Obwohl«, murmelte sie plötzlich. »Komm du lieber doch mit«

Blut eines CruorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt