Kengas Finger ruhten weiter auf dem Revolver und Caden konnte schwören, dass sie zitterten. Immer wieder zuckte der Daumen des Nachtschwärmers zum Auslöser.
»Ist gut«, grummelte Harding — klang dabei fast schon amüsiert. »Sie blufft.«
»Sicher? Ich bin wahnsinnig, das weißt du.« Ihre Mundwinkel zogen sich hoch, sie ließ das Gerät sinken und warf es in den Sack zurück. »Gut, gut, dann wollen wir jetzt ernst bleiben.« Sie schielte hoch. »Du weißt noch, was unsere Regeln sind?«
»Ja.«
»Sag sie noch einmal.«
Chase gab einen widerwilligen Laut von sich. »Ich kenne dich nicht, ich habe diese Mittel nicht von dir, ich war niemals im Teil dieses Waldes und trage alleine die Verantwortung dafür, was ich mit deiner Ware anstelle.«
»Du bist dir im Klaren, was du mit diesem Zeug anstellen kannst?« Asche nahm ein wenig des Pulvers auf die Handfläche, ließ es vom Wind davontragen. »Ich habe es von den Alchemisten selbst besorgt. Habe es abgeholt von ihnen — nicht von einem Händler. Diese Leute arbeiten nicht für mich, sondern haben ihre eigene Gruppe im Untergrund.«
»Ich weiß was das ist. Sag mir lieber etwas, womit ich arbeiten kann. Wie funktioniert dieses Zeug?«
»Ah, Frage-«, rief sie und zog ihren Hut. »Das kostet.«
»Zieh den Hut weg, sonst ist die Hand ab, Asche.«
Sie kicherte, wirkte für einen Moment als wolle sie ihm durch die Haare wuscheln, aber griff dann wieder in den Sack hinein. Caden erkannte das selbe Objekt wieder, was sie zuvor auf Chase gerichtet hatte.
Wie ein einfacher Löffel lag es in ihrer Hand — tatsächlich könnte man es aus der Ferne mit Sicherheit mit Besteck verwechseln; wenn auch der Griff unhandlich dick war.
Es war flach, hatte statt einer einheitlichen Kelle viele dünne Drähte... Allgemein mutete das Objekt eher wie ein Kunststück, als wie verwendbares Werkzeug an.»Schick, oder?«, fragte sie, während sie es in der Hand wendete. »Es funktioniert aber nicht so, wie ich vorhin angedeutet habe. Trotzdem, ist ein nützliches kleines Ding. Da hinten füllt man Wasser rein.« Sie zeigte auf ein Glasfenster, das am Griff eingelassen war. »Zusammen mit dem Wasser einfach ein wenig von diesem Pulver hinzugeben. Dann« Sie wank einen kleinen Jungen zu sich heran, der ihnen all die Zeit über von einem Baumstamm aus zugesehen hatte. Das Kind war wohlgenährt, hatte eine gesunde Gesichtsfarbe und doch war es in solche Lumpen gekleidet, dass Caden ihn am liebsten in seine Arme gezogen hätte.
Asche hielt den Löffel an seine Schläfe, der Junge hielt still — in dem tiefen Vertrauen, dass sie ihm nicht das Gedächtnis auslöschen würde.
Auch wenn das Instrument nicht gefüllt war, jedes andere Kind hätte sich gewehrt.
Er hielt selbst dann still, als sie auf einen Knopf drückte und sich die Spitze des Löffels tiefer in seine Haut drückte.»Das war's. Mehr habt ihr eigentlich nicht zu tun. Einige Sekunden auf der Haut lassen, dann seid ihr fertig.«
Chase nickte. »In Ordnung. Wie viel dafür?«
»Du weißt, was du damit tust.«
»Ja.« Er sah sie an — ein Blick, der für sich sprach. »Und du weißt auch, was ich damit tun will... Tun werde.« Er stieß die Luft zittrig aus. »Ich werde es für nichts anderes zweckentfremden, als dafür.«
»Du hast schon viel versprochen«, das sanfte Lächeln auf ihren Lippen stand in Kontrast zu ihren Worten.
Die überreizte Art war aus ihr entwichen — aller Humor. Zurück blieben nur ruhige Augen.
»Und ich arbeite täglich daran, dieses Versprechen einzuhalten.«
Wie gerne hätte Caden erfragt, was es damit auf sich hatte, doch er schluckte seine Neugierde herunter. Harding hatte ein Anrecht auf dunkle Geheimnisse — selbst, wenn sie das ausführende Organ sein würden.
»Chase-«
»Nicht hier.« Er schüttelte den Kopf. »Nicht hier.«
Sie betrachtete Caden.
Dieser hatte sich auf dem Baumstamm nicht bewegt, doch mittlerweile tastete er nach der Wunde an seiner Flanke. Jede Berührung jagte heiße Schmerzen durch seinen Körper. Als er seine Hand betrachtete, war diese von Blut gefärbt.Gerade als er den Blick wieder auf das Geschehen fixieren wollte, tauchte neben ihm eine Frau auf, die einige Verbände unter dem Arm trug.
Caden ließ sich mit einem genuschelten Dank von ihr verarzten.»Dann lass uns das geschäftliche dahinten machen.« Sie nickte hinter einen Karren. Asche und Harding setzten sich in Bewegung.
Eos lehnte sich zurück, die Lider wie im Schmerz zusammengepresst — ihr gesamtes Gesicht in Falten. »Ich fasse es nicht, dass ich hier dabei bin.«
»Kann es sein, dass hinter diesem gesamten Auftrag mehr liegt, als er vorgibt?« Dolunay sah Harding hinterher.
»War doch relativ eindeutig«, gab Kenga zurück.
»Aber das geht uns ja mit Sicherheit nichts an«, zischte Eos. »Aber jedes unser kleinen Wehwechen bekommt er sofort mit.«
Caden betrachtete die Frau dabei, wie sie den Verband zuschnürte. Dann flüsterte er: »Ich glaube nicht einmal so genau, dass ich das wissen will. Es geht mich zum Einen nichts an und zum anderen bin ich froh, nicht zu viel über sein Privatleben zu wissen.«
Die Nachtschwärmerin bettete ihr Kinn in ihre Hände. Selbst mit zerzausten Haaren war die Schönheit in ihrem Gesicht unverkennbar. »Genau. Weil so fällt es dir leichter, alles zu tun, was er von dir verlangt.«
»Hör auf zu sticheln, Hörnchen.«
»Meint ihr«, flüsterte Kenga. »dass er feindselige, gefährliche Absichten hat?«
Dolunay schüttelte den Kopf. »Ich schätze, dass er nicht aus Wut handelt, sondern mehr aus Trauer heraus. Chase ist zwar ein gefährlicher Mann, aber auch nicht komplett-gänzlich herzlos.«
»Richtig«, stimmte Eos sarkastisch zu. »Der einzige, der hier wirklich herzlos ist, ist Caden.«
»Ich trete dich gleich«, drohte dieser.
Einige Sekunden verstrichen, dann kamen Harding und Asche wieder hervor. Er deutete aus der Ferne auf die Säcke. Eine stumme Anweisung, dass sie die Droge nun an sich nehmen durften.
Asche lächelte förmlich in die Runde. »Lass dich nicht nochmal schneiden, Caden« Sie wandte sich an Harding und ihr Lächeln wurde steif. »Und du hör auf der Vergangenheit hinterherzulaufen. Die Zeit bewegt sich nicht in eine andere Richtung für dich.«
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Blut eines Cruors
Fantasy[Wattys 2022 Winner] »Wir sind Kreaturen des Lichtes und doch steckt in uns eine solche Dunkelheit. Willst du wirklich erfahren, was dann erst die Schatten kreieren?« Seitdem die Cruoren die Macht an sich gerissen haben, hat sich die kleine Hafensta...