Kapitel 2

830 47 4
                                    

»Die Schlampe hat den Artikel schon gepostet. Es ist nicht einmal eine Stunde vergangen.« Blair sitzt mit ihrem Laptop auf dem dunkelgrünen Sessel aus Rachels Zimmer. Mit meinen Augen aus dem Fenster gerichtet sitze ich schon zwanzig Minuten auf Rachels Schminkstuhl und starre nach Draußen aufs Meer. Obwohl wir schon nach fünf Uhr haben, verschwindet die Sonne nicht, sie steht noch hell am Himmel und gibt genau das Gegenteil meiner aktuellen Gefühlslage wieder. Ein Gewitter mit hohen Wellen, die bis an das große Strandhaus von Rachels Familie reichen, würden meine Lage deutlich besser beschreiben.

»Woher wusste Nobody eigentlich wo du steckst, Mel?«, fragt nun Rachel, die mit einem Modemagazin auf ihrem Seidenbett liegt. Sie hat sich auf den Bauch gelegt, ihre braungebrannten Beine taumeln in der Luft herum.

»Frag das lieber deinen Sommerflirt, Rachel.« Blairs Tonfall wird ernster. »Regt euch ab. So schlimm ist der Artikel auch wieder nicht. Spätestens nach den Ferien wird das alles Schnee von gestern sein.« Blair erhebt sich von dem Sessel und stellt den Laptop vor meine Nase auf den Schminktisch. Ich zucke kaum merklich zusammen. »Wir sollen uns abregen? Melody wollte sich keine Fehler mehr erlauben. Nur, weil du nicht fähig warst, selbst mit deinem Sunnyboy zu sprechen, rückt Melody weiter ins schlechte Licht.«

»Aber als sie vor zwei Monaten mit deinem geliebten Boy mit dem Motorrad Schluss gemacht hat und auch auf der Titelseite landete war es in Ordnung? Mal abgesehen davon, dass dein Boy sie fast mit dem Motorrad überrollt hatte.«

»Stopp! Dafür habe ich mich schon mindestens hundert Mal entschuldigt. Ich wusste nicht, wie aggressiv er werden konnte.«

»Jetzt haltet beide den Mund«, sage ich streng und richte meine Aufmerksamkeit zum ersten Mal auf den Artikel, den Nobody vor vierundfünfzig Minuten veröffentlicht hat.

Wen sehen wir denn da? Ein bekanntes Gesicht versteckte sich am sonnigen Samstag zwischen den Hütten der Promenade und das nicht allein. Melody Princeton scheint nicht damit gerechnet zu haben erwischt zu werden. Das lässt Platz für Spekulationen, nicht? Mit wem hat die beliebteste Blondine unserer Küstenstadt die nächste Affäre? Kennt man den Typen mit der Brille und der orangenen Shorts? Eins ist sicher, wenn ich es erfahre, erfahrt ihr es auch! Langsam scheinen Melody die Optionen auszugehen, oder was sagt ihr? Brille und orangene Badehose? Mel, du hattest einmal mehr Stil.

Direkt unten drunter ist ein Foto abgebildet, welches das Mädchen zwischen den Hütten geknipst hat. Es zeigt Adam, wie er mein Handgelenk festhält und mich mustert. Ich hingegen schaue wie ein erwischter Tatverdächtiger mitten in die Kamera, mein Blick spricht Bände. Ich wusste nicht, dass wir erwischt worden waren. Nur zeigt das Bild niemals die Wahrheit, es wirkt eher, als hätte ich es mit dem Nerd hinter der Strandhütte von Frank's getrieben.

Ich werfe meinen Kopf stöhnend in den Nacken und klappe den Laptop geräuschvoll zu. Nobody hat es wieder geschafft mich bei etwas zu erwischen, was in Wahrheit ganz anders verlaufen war. Ich habe mir geschworen in diesen Sommerferien keinen Artikel über mich zu finden und hätte es auch beinahe geschafft. Bei den anderen Artikeln der letzten Wochen war ich zwar mitbeschrieben worden, aber es gab seit Wochen keinen persönlichen über mich. Bis jetzt.

Erst vor fünf Tagen lud Nobody einen Artikel hoch, in der Blair, Rachel und ich uns in die Umkleiden der Jungs Kabine des Surfkurses dieser Stadt geschlichen haben. Nobody drehte den Spieß komplett um und behauptete, dass wir dort eingebrochen waren um es mit irgendwelchen Surfer Boys zu treiben, aber eigentlich waren wir nur dort, weil einer unserer Freunde einen Kurs leitet. Wir hatten die Erlaubnis gehabt dort reinzugehen, nur sieht es im Artikel von Nobody ganz anders aus. Das gute war, dass wir alle auf den Bildern waren. Es gab lange keine Artikel mehr über mich und einem Sunnyboy mit dem ich anscheinend rumgemacht habe.

»Meine Mom darf das auf keinen Fall sehen.«

»Wie willst du sie aufhalten?«, fragt mich Blair. Kurz starre ich noch auf das Meer, auf die hohen Wellen, die man sogar von hier erkennen kann. Rachel wohnt am nächsten von uns dreien am Meer. Sie hat praktisch ihren eigenen Strand vor der Haustür. Auch von meinem Elternhaus kann ich bis zum Strand runter laufen, ein Holzweg umgeben von hellen Sand führt von unserem Haus bis hinunter zum Meer. Mom und Dad wollten nah am Strand leben, aber nicht zu nah. Falls der Wasserspiegel weiter steigen sollte, sind wir auf der sicheren Seite.

»Ich habe keine Ahnung. Vielleicht verstecke ich all ihre elektronischen Geräte?« Frustriert erhebe ich mich und lasse mich neben Rachel aufs Bett fallen. Ich starre an die Decke und verschränke meine Hände auf dem Bauch.

»Du erklärst ihr einfach, wie es war. Dass es Rachels Flirt war und du ihr nur einen Gefallen tun wolltest.«

»Leute ich fühle mich schlecht deswegen«, jammert Rachel neben mir und klappt ihr Magazin zu. »Solltest du auch«, kontert Blair ernst. »Nein, alles ist gut. Ich habe gesagt ich mache es und ich war schließlich diejenige, die nicht mitbekommen hat, dass noch jemand da war. Ich dachte uns würde hinter der Hütte niemand bespitzeln können, aber da lag ich falsch. Nobody ist einfach überall.«

Ihr fragt euch bestimmt, wer Nobody ist. Die ehrliche Antwort? Keiner weiß es. Nach einer kleinen Strandparty vor drei Jahren tauchte aus dem Nichts ein Blog auf. Der Blog nennt sich Beaufort-Talk und wer auch immer dahinter steckt macht seine Sache ziemlich gut. Auf dieser Seite werden immer Neuigkeiten gepostet, alles, was Nobody in die Finger kriegt, verwendet sie um uns zu vernichten. Am meisten betrifft es meine Clique und mich.

Wir sind die beliebten in der Stadt und in der Schule. Unsere Eltern haben Geld, die anderen sehen uns als die Elite Leute an. Es wurde schon damals immer über uns getratscht, wir erregen nun mal Aufmerksamkeit. Einer von unseren »Fans« muss uns so lieb haben, dass man einen Blog über unser Leben erstellt. Wir wissen nicht, welches Gesicht dahinter steckt, deswegen nennen wir die Person Nobody. Und Nobody hat viele Leute, die ihr helfen. Jeder, der Bilder oder Informationen über uns zu liefern hat, bekommt Geld von ihr oder ihm. Eine ziemliche Zwickmühle.

Dann ist da noch die Sache mit meinen Eltern. Zugegeben, Dad beschäftigt sich nicht so viel mit dem ganzen Mist, der über meine Freunde und mich erzählt wird, aber meine Mom schon. Immer, wenn ein neuer Artikel über mich veröffentlicht wurde, hielt sie ihn mir am nächsten Tag am Frühstückstisch vor die Nase und bestand auf eine Erklärung. Da ich meistens keine parat hatte, verfrachtete sie mich in mein Zimmer und verordnete mir Hausarrest. Diese Sommerferien musste ich ihr hoch und heilig versprechen keinen Blödsinn anzustellen. Wenn sie einen weiteren Artikel über mich finden würde, dann würde sie andere Geschütze ausfahren. Sie droht mir immer wieder mich auf ein Internat auf dem Lande zu schicken, wenn ich mich nicht bessere. Dabei war sie in meinem Alter kein Stückchen besser. Sie wurde mit sechzehn schwanger, und das in der Schule, von einem Typen, den sie kaum kannte. Ich bin siebzehn, damit ist ausgeschlossen, dass ich ihre Fehler nachmache.

»Du kommst heute Abend doch trotzdem zu Nates Strandhaus, oder?« Blair setzt sich an die Bettkante. Ich bin von uns dreien die Einzige, die blondes Haar hat und davon habe ich nicht gerade wenig. Ich gehe nie zum Friseur um meine Haare zu schneiden, meine blonden Strähnen gehen mir bis zu meinen unteren Rücken. Blair hingegen hat dunkelbraune Haare, die meistens in Locken über ihre Schultern liegen. Rachel hat dunkelblondes Haar, sie sind wunderschön, glänzen in der Sonne und sind super glatt. Meine hingegen haben kleine Naturlocken, die wie Beach Waves aussehen. Die Haare habe ich definitiv von meiner Mom geerbt, aber sonst sehen wir uns kaum ähnlich. Weder vom Aussehen noch vom Charakter.

»Ich versuche es. Erst muss ich nach Hause und abchecken, ob Mom den Artikel gelesen hat.«

»Glaubst du sie meint es ernst mit dem Internat?«, fragt Rachel vorsichtig. Seufzend rolle ich mich vom Bett, stelle mich vor Rachels großen Wandspiegel und lege meine Haare ordentlich. Sie sind vom Wind draußen zerzaust. Meine blauen Augen funkeln mich durch den Spiegel aus an und ermutigen mich, die Sache mit dem Artikel nicht zu ernst zu nehmen.

»Das ist eine gute Frage. Wenn ich eine Antwort darauf habe, melde ich mich bei dir.« 

Broken Shine - Wenn aus Rache Liebe wird 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt