Kapitel 42

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»Ganz allein hier draußen?« Ich unterdrücke ein frustriertes Stöhnen. Erst antworte ich ihm nicht, weil ich hoffe, dass er sich so verzieht. Doch nur eine Minute später erkenne ich aus dem Augenwinkel, dass er sich neben mich gestellt hat und nun auch über den Abgrund schaut.

»Was möchtest du, Keaton? Ich bin wahrscheinlich der letzte Mensch auf dem Planeten, dem du deine Aufmerksamkeit schenken möchtest. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich gerade nicht scharf auf Gesellschaft bin«, fauche ich.

Keaton räuspert sich neben mir.

»Ich würde nicht sagen, dass du der letzte Mensch auf dem Planeten für mich bist.« Er macht eine Pause. »Vielleicht die letzte Person auf diesem Schiff.« Ich pruste und kann mir ein Augenrollen nicht verkneifen.

»Dann würde ich vorschlagen du machst dich auf die Suche nach einem besseren Zeitvertreib.«

Keaton macht leider keine Anstalten zu gehen. Stille breitet sich zwischen uns aus, trotzdem wirkt es nicht unangenehm. Das Schweigen ermöglicht mir mich erneut auf meinen inneren Frieden zu konzentrieren. Ich versuche die Sterne am Himmel zu zählen, dann betrachte ich ihre Schatten im Wasser. Die Welt ist wunderschön und ich möchte sie entdecken. Was stelle ich nach meinem Abschluss an? Gehe ich auf den Wunsch meiner Eltern ein und besuche die Universität von Washington, oder finde ich bis dahin selbst heraus wohin mich das Leben führen soll?

»Wie geht es deinem Rücken? Der Sturz sah ziemlich heftig aus«, unterbricht Keaton das Schweigen. Irritiert runzle ich die Stirn, trotzdem drehe ich mich ihm nicht zu. In seiner Stimme liegt keine Belustigung, es scheint wirklich, als würde er sich um mich Sorgen. Was zur Hölle?

»Wieso interessiert dich das? Solltest du Chase nicht für seine Aktion feiern?« Ich verkrampfe mich bei seinem Namen.

»Ich wusste nicht, dass er vorhatte dich fallen zu lassen«, antwortet er langsam. »Das ist auch egal«, wimmle ich schnell ab. »Du und Chase habt jeden Moment ausgenutzt um mich fertigzumachen. In der Firma meines Dads hast du mir klargemacht was du von mir hältst. Was möchtest du wirklich von mir, Keaton?« Ich drehe mich zu ihm herum und mustere ihn ergiebig. Er hat seine Ellenbogen auf dem Geländer abgestützt und scheint über meine Frage nachzudenken.

»Ich komme nicht aus denselben Reihen wie du, Melody. Meine Freunde und ich unterscheiden uns von euch wie Tag und Nacht, deswegen ist es so schwer für mich euch nett zu behandeln. Ich bin kein schlechter Mensch. Ich lasse bloß kaum jemanden an mich heran. Und ich rede hier mit dir, weil ich das Gefühl habe du tickst ziemlich ähnlich wie ich.« Seine Augen treffen auf meine und das ist genau der Moment, in dem meine Maske in sich zusammenfällt. Meine Schultern sacken nach unten, ich öffne leicht meine Lippen. Meine verletzliche Seite kommt zum Vorschein und plötzlich spüre ich ein starkes Brennen in meinem Augenwinkel.

»Fuck.« Keaton fährt sich durch die Haare, sein Körper ist angespannt. »Ich bin echt schlecht darin über so etwas zu reden. Wenn du etwas sagen würdest, wäre es super. Wenn ich mich zum größten Affen des ganzen Planeten gemacht habe, kannst du mir das ruhig ins Gesicht sagen.« Er schnaubt. Ein kleines Lächeln huscht über meine Lippen, ich lasse die einzelne Träne über meine Wange rollen. Dann räuspere ich mich.

»Nicht zum größten Affen des Planeten.« Ich bücke mich nach unten um die zwei Flaschen Root Beer aufzuheben. »Nur zum größten Affen des Schiffes womöglich.« Er lacht kurz auf, dann reiche ich ihm eine Flasche. Dankend nimmt er sie an und öffnet den Verschluss mit seinen Zähnen. Ja! Mit seinen verfluchten Zähnen!

Geschockt starre ich ihn an. Keaton wirft den Deckel nach hinten, dann fällt ihm auf, wie ich ihn anglotze. »Was?«, fragt er geradeheraus. Ein Grinsen legt sich auf seine Lippen, dann nimmt er mir die Flasche ab und öffnet diese ebenfalls mit seinen Zähnen.

Broken Shine - Wenn aus Rache Liebe wird 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt