Kapitel 30

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Melody

Der Tag ist gekommen.

In der letzten Woche habe ich die Tatsache verdrängt, dass wir bereits so früh auf Klassenfahrt fahren. Ich habe mich in den letzten Tagen von der Außenwelt ein wenig abgeschottet, büffelte unheimlich viel und stellte meine Hausarbeit zusammen. Es waren lange Nächte, aber immerhin hat es sich gelohnt. Vor allem bei meiner Hausarbeit habe ich ein ziemlich gutes Gefühl, da ich viel Fleiß und Arbeit hineingesteckt habe. Viele Menschen auf diesem Planeten würden meinen, dass meine Zukunft gesichert wäre dank meiner Eltern, doch niemand sieht es, wenn ich mir für etwas den Arsch aufreiße. Allerdings musste ich mich zusammenreißen und mir mühe geben, da ich bereits die Mathearbeit und auch die Geschichtsarbeit vermasselt habe. Meine Eltern bringen mich um, wenn ich nur mit schlechten Noten das Haus betrete. Für die beiden wäre mein Sozialleben schuld daran. Sie würden mir eine Riesenszene machen und mir Nobodys Artikel buchstäblich um die Ohren werfen.

Von meinen Freunden hielt ich mich in den letzten Tagen auch etwas zurück, obwohl sie mich jeden Nachmittag anriefen und etwas mit mir unternehmen wollten. Das Skandal in der Sporthalle und die Tatsache, dass Dad sein Vorhaben wirklich durchgezogen hat, sitzt mir noch tief in den Nieren und ich weiß noch nicht, wie ich das wieder kitten soll.

Ein Klopfen reißt mich aus meinen Gedankengängen. Ohne zu antworten, packe ich meinen pinken Koffer weiter voll mit Klamotten, die ich gestern Abend schon bereit gelegt habe. Wäre die Klassenfahrt vor ein paar Monaten gewesen, wäre ich ganz anders drauf. Ich hätte schon Tage davor meinen Koffer gepackt, wäre Shoppen gegangen, zum Friseur und zur Pediküre. Doch jetzt verspüre ich keine große Lust darauf und ich wage es selbst es auszusprechen, jedoch würde ich sogar lieber Zuhause bleiben als mitzufahren.

»Hast du schon alles eingepackt?« Ich sehe nur kurz hoch und erblicke Mom, die mein Zimmer betritt. Sie schaut sich in meinen vier Wänden um, als wäre sie zum ersten Mal hier oben und irgendwie stimmt das auch. Seitdem ich alt genug war die Treppenstufen eigenhändig zu passieren, befand ich mich hier ausschließlich allein auf.

»Fast«, antworte ich knapp und konzentriere mich auf die drei Kleider, die ich ordentlich zusammenfalte und in den Koffer lege. Wir haben gerade mal kurz nach acht und erst um zehn sollen wir uns alle am Hafen vor dem Schiff treffen. Ich sitze noch im Schlafanzug, habe mein Gesicht nicht gewaschen und muss noch unter die Dusche. Währenddessen sieht Mom so aus, als würde sie jeden Moment auf eine elegante Gala aufbrechen. Sie hat ihre Haare gelockt und trägt einen gelblichen Anzug mit glänzenden Creolen. Sie und Dad werden mich bis zum Schiff begleiten, da die Presse auch erscheinen wird. Wahrscheinlich wird ein süßes Familienfoto für die nächste Zeitung geknipst in der oft erwähnt wird, was für ein Wundertäter mein Dad doch sei. Er lässt die armen Dorftrottel unseres Viertels mitfahren und ermöglicht ihnen so einen wahrgewordenen Traum. Das ich nicht lache. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Schüler der West-Coast-High die ganze Sache ebenfalls lachhaft finden.

Aus dem Augenwinkel merke ich wie Mom näher an mich herantritt und dann einen weißen Briefumschlag in den Koffer legt. »Hier hast du dein Taschengeld für die sieben Tage.« Ohne mein Gesicht zu verziehen, verstecke ich den Umschlag zwischen zwei Hosen. »Und pass darauf auf.«

»Sagst du das jetzt wegen meinen Mitschülern, oder wegen den Schülern der West-Coast-High?«, feuere ich direkt zurück. Ich sehe hoch und beobachte Mom, wie sie theatralisch die Augenverdreht und zur Tür kehrtmacht. Tja, es wundert mich gar nicht, dass sie die Flucht ergreifen möchte. Mehr als zwei Minuten hält sie es hier oben anscheinend nicht aus.

»Ich sage es wegen dir. Du bist ein kleiner Tollpatsch und verlierst schnell Dinge.« Ich lache auf und verziehe das Gesicht. »Was erzählst du denn da?«

Broken Shine - Wenn aus Rache Liebe wird 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt