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Als die Party kein absehbares Ende hatte, habe ich mit Mums Handy, weil ich meines irgendwie nicht finden kann, Dad angerufen, ob er mich abholen könnte. Zum Glück hat er zugestimmt und nun sitze ich mit ihm im Auto auf dem Weg nach Hause. Er hat bisher noch nicht gefragt, warum ich früher gehen wollte, er hat mir nur gratuliert. Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte, wenn er mich fragt. Vielleicht einfach, dass die Situation mit Xavier mich total überfordert hat und ich mich deshalb nicht so wohl fühle, wenn alle mich anstarren. Hoffentlich fragt er einfach nicht, auch wenn ich nicht daran glaube.

„So", meint er, als wir Zuhause angekommen sind, „Willst du mir vielleicht erzählen, warum ich die abholen sollte?"

„Es ist etwas passiert und daraufhin haben mich alle so blöd angesehen. Da habe ich mich nicht mehr wohl gefühlt", antworte ich wie geplant, jedoch lasse ich den Xavier-Teil raus.

„Und was ist passiert? Etwas mit deinem Freund?"

Innerlich verdrehe ich die Augen. Jetzt denkt sogar Dad schon, dass ich mit ihm zusammen sind. Das geht mir zu weit.

„Wir sind kein Paar. Genau das ist es ja. Alle denken, wir wären es und als Xavier mich dann vor allen geküsst hat, wurde es mir zu viel. Ich will gar nicht mit ihm zusammen sein", öffne ich mich meinem Vater. Hoffentlich schlägt er mich dafür nicht. Obwohl? Vielleicht würde mich das ja von der anderen Sache ablenken.

Als Dad seine Hand hebt, zucke ich nicht mal zusammen. Ich erwarte zwar einen Schlag, doch weiß ich, würde es mir nichts ausmachen. Nichts könnte diesen Tag noch schlimmer machen. Zu meiner Verwunderung legt Dad seine Hand sanft auf meine Schulter und sagt dann: „Wenn du nicht willst, dass das alle denken, musst du dich nicht verhalten wie frisch verliebt."

Verwundert sehe ich ihn an. Erstens verwirrt mich, dass er sowas sagt und zweitens frage ich mich, wie ich mich denn verhalte. Mum und Samanta haben genau dasselbe gesagt.

„Danke, Dad", sage ich einfach.

Er nickt, lässt mich dann los und steigt aus dem Auto. Auch ich steige aus und mache mich dann auf der Stelle auf den Weg in mein Zimmer. Dort ziehe ich meine Kleidung aus und gehe sofort duschen. Ich habe immer noch das Gefühl seiner Hände an meinem Körper und ich will das nicht mehr. Ich will es abwaschen, bevor ich einen mentalen Zusammenbruch erleide.

Heiß brennt das Wasser auf meiner Haut und wäscht den ganzen Schmutz weg, jedoch nicht das grausame Gefühl in meiner Brust.

Es ist furchtbar. Wieso geht das nicht weg? Ich will, das es weg geht. Ist das etwa zu viel verlangt?

Zurück in meinem Zimmer, ziehe ich mir Unterwäsche und einen Schlafanzug an. Dann versuche ich zu schlafen, doch immer, wenn ich meine Augen schließe, erscheint in meinem Kopf das Bild, wie dieser Mann vor mir auf dem Boden kniete und mir einen geblasen hat. Es treibt mir wieder Tränen in die Augen. Wie konnte ich es so weit kommen lassen? Über ein Jahr lang ist alles glatt gelaufen und jetzt, kurz vorm Ende, passiert mir das. Nie wieder werde ich mich auf eine fremde Person einlassen. Meinet wegen komme ich auch mit Xavier zusammen, aber sowas will ich nicht nochmal durchmachen. Ich will es wirklich nicht und trotzdem kommt genau dies auf, wenn ich die Augen zu mache.

Verzweifelt verstecke ich mein Gesicht im Kissen und fange an zu schreien, bis ich nicht mehr kann und erschöpft und schluchzend daliege. Ich habe komplett die Kontrolle verloren.

Gerne hätte ich noch etwas länger Zeit gehabt um alles zu verarbeiten, doch schon am nächsten Tag sind unsere Verwandten gekommen. Einige von denen übernachten auch hier. Ich musste also früh mit aufstehen und helfen die Gästezimmer fertig zu machen. Wir haben zwei. Eines im Erdgeschoss, da werden die Eltern von meinem Vater schlafen, und eines im ersten Stock, wo Mums Schwester, ihr Mann und deren Kleinkind schlafen werden. Die andern fahren heute Abend wieder nach Hause. Wenn es nach mir gehen würde, würden die gar nicht erst hier antanzen, aber mich fragt ja niemand. Besonders stört mich, dass Dads Eltern hierbleiben. Seit meinem öffentlichen Outing habe ich mit denen kein Wort mehr geredet, sie haben mich immer nur hasserfüllt angesehen. Da ist es irgendwie kein Wunder, dass mein Vater ist, wie er ist.

SlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt